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Obstanbaugebiet
Whisky vom Bodensee

Der Bodensee-Raum gilt als eines der größten Obstanbaugebiete Deutschlands. Kein Wunder, dass auch das Geschäft mit Obstschnaps dort Tradition hat - viele Obstbauern bieten in ihren Hofläden Hochprozentiges aus eigener Produktion an. Am Rande der Bodensee-Gemeinde Kressbronn gibt es die "Erste Bodensee-Whisky-Brennerei".

Von Thomas Wagner | 05.11.2014
    Ein halbdunkler Raum, dazwischen das immer wiederkehrende Zischen aus den riesigen metallischen Kupferkesseln:
    "Wir brennen hier den ersten Bodensee-Whisky. Wir haben 2008 damit angefangen. Aber wir haben die Idee schon viel länger gehabt."
    Liebevoll fährt Martin Steinhauser über einen der Kupferkessel, so, als ob er ein lieb gewonnenes Haustier streichen würde. Martin Steinhauser betreibt in Kressbronn am Bodensee eine Weinkellerei und eine Schnapsbrennerei. Vor sechs Jahren kam die erste Bodensee-Whisky-Destillerie hinzu. Ausgangsprodukte sind nicht wie beim herkömmlichen Schnaps vergorene Früchte wie Himbeere und Kirsch, sondern sogenannte "mehlige Stoffe. Mehliger Stoff ist Gerste. Wir verarbeiten nur den Saft, den süßen Gerstensaft, den süßen Saft. Dem sauberen, süßen Saft wird eine spezielle Whisky-Hefe zugemischt und wird danach kontrolliert vergoren, wie Wein oder Williams vergären. Also genaue Temperaturüberwachung ist ganz wichtig. Und wenn das Mal vergoren ist, wird es dann nachher gebrannt."
    Alte Brennerei von 1890
    Klingt beim ersten Hinhören einfach, ist aber tatsächlich ziemlich kompliziert: Denn Whisky darf nur in einer sogenannten "gewerblichen Verschlussbrennerei" hergestellt werden, die speziell für solche mehligen Stoffe zugelassen ist.
    "Auf der Obstverschlussbrennerei dürfen wir Zwetschgen, Kirschen, Mirabellen brennen, aber keinen Whisky."
    In dieser Situation kam Martin Steinhauser eine Leidenschaft zugute:
    "Ich sammele auch Brennereianlagen. Und da bin ich auf eine Brennerei von 1890 gestoßen. Die habe ich eben abgebaut."
    Denn ausgerechnet die alte Brennerei ist auch für das Destillieren von sogenannten "mehligen Stoffen" wie Gerste, der Basis der Whisky-Herstellung, zugelassen. Michael Heimpel tritt hinzu. Er arbeitet im Betrieb von Martin Steinhauser als Destillateur. Als die Produktion des Bodensee-Whiskys vor sechs Jahren begann, musste er sich erst einmal in die neue Aufgabe hineindenken.
    "Die Verarbeitung ist komplett anders. Zum Beispiel wenn man Obst herstellt, dann wird das Obst zerkleinert, dann kommt Hefe dazu. Die Vergärung findet dann statt."
    Anders dagegen bei der Gerste als Grundlage der Whisky-Produktion:
    "Das ist ein komplett verschiedenes Verfahren. Ich muss die Gerste erst erhitzen, dass die Stärke aufbricht und sich in Zucker umwandelt. Und in der Frucht drinnen ist der Zucker ja schon vorhanden."
    Spargelgeist und Allgäuer Bergwiesenheu
    Mag die Herstellung des Bodensee-Whiskys somit deutlich aufwendiger sein als die von herkömmlichen Schnäpsen, so berge die ganze Sache doch den Reiz des Exotischen, meint Martin Steinhauser:
    "So bin ich immer auf der Suche nach was anderem, was die anderen machen: So mache ich auch Spargelgeist. Und ich bin der Erste gewesen, der aus Allgäuer Bergwiesenheu einen Schnaps macht."
    Von der eigentlichen Whisky-Brennerei bis zu einem benachbarten Holzgebäude sind es nur wenige Schritte: Dort lagert die Whiskyproduktion der vergangenen sechs Jahre in über 700 Eichenholzfässern. Dort erst bekommt der Bodensee-Whisky seine gelblich braune Farbe und seinen Geschmack. Der jüngste Whisky, den Steinhauser verkauft, ist drei Jahre alt; einen Teil der Produktion will er aber zwölf Jahre lang lagern - Whisky, der so reift wie kein zweiter Whisky auf der Welt. Denn: Regelmäßig schaltet Steinhauser in dem gewöhnlich menschenleeren Lager die Stereoanlage an.
    "Die Musik dient dazu, dass der Whisky gut reifen kann, dass der Harmonie kriegt. Vor vielen Jahren hab' ich das woanders gesehen, bei einem Weingut in Südtirol. Der hat eine klassische Musik im Barrique-Keller, dass der einfach schön reifen kann. Und die Idee ist mir auch gekommen."
    Musik soll für gute Reifung sorgen
    Ob die Musik dem Whisky wirklich guttut, lässt sich wissenschaftlich allerdings schwer nachweisen. Hier ist eher die subjektive Geschmacksprobe ausschlaggebend.
    Ein junger Mann im benachbarten Ladenverkauf nimmt ein Probeschlückchen aus der Bodensee-Whiskyflasche. Es scheint zu munden "dadurch, dass er einfach sehr filigran ist. Er hat eine leichte Vanillenote und schmeckt sehr jugendlich noch für seine drei Jahre."