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Odenwaldschule schließt
Ende eines Vorzeigeprojekts

Die von Missbrauchsskandalen erschütterte Odenwaldschule schließt aus finanziellen Gründen. Banken und Sponsoren haben der Schule den Rücken gekehrt, nach diesem Schuljahr wird deshalb der Unterricht eingestellt. Damit endet die mehr als 100-jährige Geschichte eines pädagogischen Reformprojektes.

Von Ludger Fittkau | 26.04.2015
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    Die Odenwaldschule in der Stadt Heppenheim (Uwe Anspach/dpa)
    Schulchef Marcus Halfen-Kieper erläuterte im HR-Fernsehen, warum er die Gelder nicht mehr beschaffen konnte, die die hessischen Schulaufsichtsbehörden verlangt hatten. Als Auflage für einen Weiterbetrieb der Odenwaldschule auch im kommenden Schuljahr: "Es hat deswegen nicht geklappt, weil die Zeit zu kurz war, um das Vertrauen, das die Schule in der Vergangenheit verloren hat, wiederzugewinnen. Und das muss man einfach irgendwann eingestehen, dass man das nicht geschafft hat. Das ist man den Kindern und Jugendlichen schuldig. Da ist man in der Verantwortung. Und deswegen hat der Trägerverein gesagt: Okay, wir können nur noch dieses Schuljahr durchziehen. Und im nächsten nicht. Und deswegen haben wir das allen aus der Schulgemeinde erklärt."
    Es ist das Ende einer ehemaligen Elite-Schule. Bereits schnell nach ihrer Gründung 1910 hatte sie sich international den Ruf einer Hochburg der Reformpädagogik erworben. Das Motto lautete: Nicht die Erwachsenen, sondern die Kinder sollten die Erbauer der neuen Schule sein. Dazu gehörte gemeinsamer Unterricht für Jungen und Mädchen - die Koedukation - damals eine Provokation. In den 1920er-Jahren galt die Odenwaldschule als das innovativste unter den deutschen Landerziehungsheimen. Thomas Mann schickte seinen Sohn Klaus in das Internat. Viele bekannte Persönlichkeiten besuchten auch später die Schule. Unter anderem Daniel Cohn-Bendit und Amelie Fried, der Zirkusdirektor Andre Sarrasani genauso wie Beate Uhse.
    Doch 2010 wurde bekannt: Zwischen 1965 und 1998 wurden an der Odenwaldschule mindestens 115 Jungen und 17 Mädchen von Lehrern und Mitschülern missbraucht. Das verloren gegangene Vertrauen führte zu einem dramatischen Schülerschwund, so Marcus Halfen-Kieper aus der heutigen Schulleitung: "Was ausschlaggebend war, ist wie wir und in der Zeit danach aufgestellt haben (…) und wie wir auf die Frage des Schülerschwunds reagiert beziehungsweise nicht reagiert haben. Wir haben schlicht und ergreifend unsere Hausaufgaben nicht gemacht."
    Damit wird im Sommer das einstige Vorzeigeprojekt der Reformpädagogik eingestellt.