Dienstag, 19. März 2024

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Ökologische Wandlungsprozesse
"Es gibt viele und einfache Mittel gegen Wüstenbildung"

Rund 60 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben von Wüstenbildung bedroht. Dafür gäbe es neben dem Klimawandel weitere menschengemachte Ursachen, sagte der Sozialwissenschaftler Benjamin Schraven im Dlf. Für die Migrationsströme nach Europa seien ökologischer Veränderungen aber kaum verantwortlich.

Benjamin Schraven im Gespräch mit Georg Ehring | 17.06.2019
Ein Hirte mit einer Herde von Zebu Rindern (Bos primigenius indicus), eingehüllt in Staubwolken im Gegenlicht in Kamerun.
Überweidung ist einer der Ursachen dafür, dass Wüsten entstehen, erläutert Benjamin Schraven (picture alliance / Imagebroker)
Georg Ehring: Fruchtbare Savannen trocknen aus, Halbwüsten entstehen und am Ende sogar Wüsten. So etwas passiert in manchen Regionen Afrikas südlich der Sahara. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind dort rund 60 Millionen Menschen von Wüstenbildung bedroht. Viele müssen ihre Heimat verlassen, manche auch in Richtung Europa.
Die Vereinten Nationen haben für heute den weltweiten Tag gegen die Wüstenbildung ausgerufen und aus diesem Anlass habe ich mit Dr. Benjamin Schraven über dieses Thema gesprochen. Er forscht beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Meine erste Frage war, ob sich die Wüsten südlich der Sahara ganz allgemein ausdehnen, oder ob es da eine uneinheitliche Tendenz gibt.
Wüstenbildung durch falsche und zu intensive Bodennutzung
Benjamin Schraven: Dieses Problem der Wüstenbildung ist eigentlich weniger jetzt ein Problem des Wanderns und des sich Ausdehnens der bereits bestehenden Wüsten. Sondern es ist eher ein Problem, dass Böden, ich sage mal ganz einfach, mit der Zeit immer schlechter werden, die Fruchtbarkeit abnimmt, sie versalzen und so weiter.
Ehring: Wie kommt das?
Schraven: Das hat ganz viele und auch ganz komplexe Probleme. Aber man kann schon sagen, dass auch hier der Klimawandel ein Grund ist. In einigen Regionen der Welt, oder gerade auch Afrika, gibt es längere und häufigere Dürren. Daneben gibt es aber auch ganz viele menschengemachte Probleme: Überweidung, eine zu intensive Anwendung nichtorganischer Dünger, der Verlust von Wäldern und so weiter.
Ehring: Es gibt manchmal Berichte über mehr Regen südlich der Sahara und auch erfolgreiche Baumpflanzungen, die der Wüstenbildung entgegenwirken. Sind das lokale Erfolge, lokale Entwicklungen, oder steckt da mehr hinter?
Schraven: Das sind sicherlich lokale Erfolge, wie etwa auch dieser grüne Gürtel in der Sahelzone. Das ist weniger ein Gürtel als ein Flickenteppich an Baumbeständen, die man versucht heranzuziehen, um dem Problem der Bodenerosion, der Bodendegradation ein bisschen entgegenzuwirken. Aber das sind sehr lokale Erfolge.
Ehring: Was hat das für Folgen für die Menschen? 60 Millionen Menschen, deren Lebensgrundlage bedroht ist, was passiert mit denen konkret?
Schraven: Die gehen erst mal ein höheres Risiko ein, von Nahrungsunsicherheit beziehungsweise von Hunger betroffen zu sein. Die sind gezwungen, dann auch den Verlust zum Beispiel von Erntemengen, von Viehbeständen auch als Folge dieser Diversifikation irgendwie auszugleichen. Das kann lokal geschehen durch neue Anbautechniken, wenn sie denn den Menschen zur Verfügung stehen. Das kann aber auch eine verstärkte Migration bedeuten.
Migration wegen Umweltwandel lokal und zeitlich begrenzt
Ehring: Wo wandern sie dann hin, wenn sie migrieren?
Schraven: Es gibt natürlich dieses Schreckensbild, dass jetzt die Betroffenen dann vor allem sich ihren Weg in Richtung Europa suchen und die nächste ganz große Flüchtlingswelle dann losbricht. Aber die Forschung, die es jetzt zu diesem Gesamtphänomen Umweltwandel beziehungsweise Klimawandel und Migration gibt, zeigt eigentlich ganz eindeutig: Wenn die Menschen migrieren, dann geschieht das sehr häufig innerhalb ihrer eigenen Herkunftsländer, dann meistens sogar auch nur zeitlich begrenzt, oder es geht in benachbarte Länder. Aber diese großflächige internationale Migration, etwa von Subsahara-Afrika in Richtung Europa, ist kaum von solchen ökologischen Wandlungsprozessen wie dieser Diversifikation betroffen.
Ehring: Wenn Menschen dann aus ländlichen Gebieten abwandern, weil sie dort keine Lebensgrundlage mehr haben, was passiert dann mit ihnen? Finden sie in Städten Arbeit?
Schraven: Zunächst mal ist es auch so, dass kaum jetzt ganze Familien, ganze Haushalte sich auf den Weg machen. Sondern es sind einzelne, es sind Individuen, die den Rest ihrer Familie zurücklassen und dann in den informellen Sektor der Städte gehen und sich dort mehr schlecht als recht verdingen. Ein bisschen Geld verdienen, das teilweise zurückschicken, um so dann auch die schon angesprochenen Verluste, bedingt durch die Wüstenbildung oder durch andere Prozesse ökologischen Wandels, ein Stück weit auszugleichen. Es gehen aber noch sehr viele Menschen zum Beispiel in die kommerzielle Landwirtschaft und es ist gar nicht so sehr immer der Zug in die Städte, der dann einsetzt.
Maßnahmen gegen die Wüstenbildung sind bekannt
Ehring: Was kann man denn tun, um das Leben der Geflüchteten zu erleichtern und vor allem die Wüstenbildung zu bekämpfen?
Schraven: Es sind auch nicht nur Geflüchtete. Wir sollten jetzt erst mal ganz generell von Migranten sprechen. Es sind häufig Arbeitsmigranten. Ihr Leben kann man verbessern, indem man weltweit das Thema Migrantenschutz höher auf die politische Agenda setzt. Wir haben ja seit dem letzten Jahr diesen gerade auch in Deutschland heiß diskutierten Global Compact for Migration. Man muss dieses Thema der Gestaltung von Migration auch im globalen Süden höher handeln. Und was man gegen Wüstenbildung tun kann - eigentlich sind die Maßnahmen bekannt: Wiederaufforstung, Anpflanzung von Baumbeständen, Förderung von Wasserspeicherungstechnologien, ein Anlegen von Hecken an landwirtschaftlichen Flächen, das Pflanzen von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen, die Förderung von agrarökonomischen Anbauverfahren wie Mulchen und so weiter. Da gibt es viele, viele und im Prinzip auch sehr einfache Mittel und Wege, das dann zu erreichen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.