Mittwoch, 24. April 2024

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Ökonom über Kindererziehung
"Die deutschen Eltern sind eigentlich immer noch entspannt"

Helikopereltern seien zuallererst "intensive Eltern", die sich in die Erziehung ihrer Kinder reinhängten und Zeit investierten, sagte der Ökonom Matthias Doepke im Dlf. Angesicht der der heute herrschenden Wirtschaftsverhältnisse sei ihr Verhalten angemessen.

Matthias Doepke im Gespräch mit Sandra Pfister | 26.10.2019
Ein Vater hält seinen Sohn auf dem Arm - Symbolfoto.
Eltern verbrächten heute deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern als früher - selbst wenn beide berufstätig seien, so Wirtschaftswissenschaftler Matthias Doepke (imago images / Westend61)
Sogenannte Helikoptereltern stehen im Verdacht, ihre Kinder überzubehüten und zu unselbstständigen Wesen zu erziehen. Gibt es aber vielleicht auch etwas, was sie richtig machen? Ja, sagt Wirtschaftswissenschaftler Matthias Doepke, der an der Northwestern University of Illinois lehrt und mit einem Kollegen das Buch "Love, Money, and Parenting: How Economics Explains the Way We Raise Our Kids" veröffentlicht hat.
Angesicht der der heute herrschenden Wirtschaftsverhältnisse sei ihr Verhalten auf eine gewisse Art angemessen. "Die Tatsache, dass es heute mehr 'intensive' Eltern gibt, die sich sehr in die Erziehung reinhängen, liegt daran, dass die Ungleichheit zugenommen hat. Wie man heute in der Schule abschneidet, ist deutlich wichtiger als früher. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, umso mehr Eltern orientieren sich an einem Helikopter-Erziehungsstil", sagte er im Dlf.
Eltern verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern
Kinder von Eltern, die einen intensiveren Erziehungsstil praktizierten, schneiden in der Bildung besser ab. Voraussetzung sei, dass diese Eltern auch mehr Zeit in ihre Kinder investierten, beispielsweise indem sie ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen. So verbrächten Eltern heute im Vergleich zu früher deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern - selbst wenn beide berufstätig seien. Gleichzeitig habe man dabei auch stark den späteren Erfolg des Kindes im Auge.
Der Schatten von einem Mann, einem schaukelnden Jungen und einem Mädchen fallen  auf Sand auf einem Spielplatz.
"Helikoptereltern sind angstgetrieben"
Die Klobrille vorwärmen, die Hausaufgaben machen, sich mit den Lehrern streiten – Helikoptereltern räumten ihren Kindern alle Hindernisse aus dem Weg, sagte die Autorin Carola Padtberg im Dlf. Doch überfürsorgliches Verhalten schade dem Selbstvertrauen von Kindern.
Ob Kinder in der Konsequenz weniger selbstständig seien, dazu gebe es keine eindeutigen Resultate, sagte Doepke. Ob sie tatsächlich weniger Unabhängigkeit, Kreativität und Eigeninitiative aufbrächten, sei schwer zu quantifizieren.
Im Gegensatz zum früher eher praktizierten autoritären Erziehungsstil bestehe aber heute die Einsicht, dass Kinder letztlich die wichtigen Entscheidungen selber treffen müssten. Das erkläre, warum Eltern heute mehr auf Erklärung und Verständnis setzten als auf Gehorsam und Gewalt. Viele Eltern versuchten heute mehr Partner und Coach zu sein. Ein autoritativer Erziehungsstil beinhalte zwar einen liebevollen Umgang mit dem Kind, gleichzeitig würden ihm aber auch klare Vorgaben gemacht.
Auch wenn in Deutschland viel über dieses Thema gesprochen werde, seien die deutschen Eltern hier im Vergleich zu anderen Ländern immer noch relativ entspannt, betone Doepke. In den USA, Korea und China treffe man ganz andere Zustände an.