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Ölfreie Arktis

Die Spur der größten Ölkatastrophe der Welt führt nach Großbritannien. Ausgerechnet die traditionelle Öl-Nation Großbritannien will sich jetzt dagegen einsetzen, Öl in der Arktis zu fördern.

Von Jochen Spengler | 21.09.2012
    Das Eis der Arktis schmilzt immer rascher. In diesem Sommer hatte die Eisfläche nur noch die Ausdehnung Indiens und war damit halb so groß wie vor 30 Jahren. Alarm-Meldungen, die für den Umweltsonderausschuss des britischen Parlaments zunächst einmal unmißverständlich dazu mahnen, endlich aus der immer weiteren Suche nach fossilen Energien auszusteigen. Aber, so sagt die Ausschußvorsitzende, Joan Walley, man sei leider Zeuge eines rücksichtslosen modernen Goldrauschs, einer regelrechten Jagd nach Öl- und Gas – ausgerechnet in der fragilen Arktis:

    "Wenn wir über Meeres-Bohrungen reden insbesondere unter so rauen Bedingungen wie in der Arktis, dann müssen wir zunächst einmal sichere Technik haben, und wir sind keineswegs davon überzeugt, dass es die tatsächlich gibt."

    Unternehmen wie Gazprom oder ExxonMobil beteuern das Gegenteil. In einem Werbevideo erläutert Shell, wie sicher und verantwortlich man bei der Suche vorgehe und preist das ausgeklügelte Equipment seiner Schiffe. Doch schon vor eineinhalb Wochen hat eine riesige Meereisplatte Shell zum Stopp der Probebohrungen gezwungen. Endgültig aufs nächste Jahr verschoben wurden sie, nachdem eine Sicherheitsglocke, die das aus einem Leck austretende Öl eindämmen soll, beschädigt wurde. BP hatte schon im Juli seine Bohrungen wegen technischer Probleme auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

    Tatsächlich mag man sich eine Katastrophe wie die im Golf von Mexiko in der Arktis kaum ausmalen. Das Öl würde von Eisschollen hunderte Kilometer weit getragen und könnte so gut wie nicht aufgefangen werden.

    "Was passiert, wenn es zu einem Ölleck kommt, wie geht man damit um? Die Arktis ist so eine wichtige Region, ihre Tierwelt, ihre unberührte Natur – können wir es uns leisten, das alles zu riskieren? Darauf sollten wir eher achten als auf ihre Ausbeutung."

    26 Milliarden Barrel Öl und 4 Billionen Kubikmeter Gas werden in der Arktis vermutet und ziehen die Energiemultis magisch an. Die aber sollten vorher eine unbegrenzte finanzielle Haftung im Schadenfall übernehmen müssen, fordert der britische Parlamentsausschuss. Außerdem: Einen Bohrstopp, solange in der Arktis nicht die höchstmöglichen Umweltstandards in Kraft seien, verlangt Joan Walley, die zudem ein ausgedehntes Schutzgebiet in der Arktis vorschlägt, in dem überhaupt keine Bohrungen erlaubt sein sollten.