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Bisher haben Protestanten und Alt-Katholiken am Karfreitag arbeitsfrei, doch der Europäische Gerichtshof hält das für ungerecht. Österreichs Regierung schlägt eine Neuregelung vor: Wer den Feiertag begehen möchte, muss Urlaub nehmen. Jetzt kehrt erst Recht keine Ruhe ein.

Von Clemens Verenkotte | 01.03.2019
"Karfreitag": Ein durchgestrichener Karfreitag-Eintrag in einem Kalender, aufgenommen am Mittwoch, 27. Februar 2019. Der Nationalrat entfernt den Karfreitag aus dem Feiertagskalender. Wer künftig an diesem Tag frei haben will, muss dafür einen Urlaubstag opfern.
Um den freien Karfreitag ist in Österreich ein Streit entbrannt. (dpa / APA / Hans Klaus Techt)
Die Kritik der evangelischen Kirche, der Gewerkschaften und Oppositionsparteien ebbt nicht ab: Die neue Feiertagsregelung für den Karfreitag berücksichtige nur die Interessen der Wirtschaft, bemängelt der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker. Den Evangelischen werde ein Feiertag genommen. Seit den 50er-Jahren hatten die rund 300.000 Protestanten und Altkatholiken am Karfreitag frei, alle anderen Arbeitnehmer nicht.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vor einem Monat, in dem Österreichs Regierung zur Abschaffung dieser Ungleichbehandlung aufgefordert worden war, schlug die schwarz-blaue Koalition zunächst vor, dass alle Arbeitnehmer am Karfreitag einen halben freien Tag haben sollten. Nach erheblicher Kritik an diesem Vorschlag legte die Regierung am Mittwoch im Nationalrat die neue Variante vor: Arbeitnehmer könnten sich einen "persönlichen Feiertag" nehmen und diesen, je nach Wunsch, auf den Karfreitag legen. Dazu müssten die Arbeitnehmer jedoch einen Urlaubstag in Anspruch nehmen. Der oberösterreichische Superintendent Gerold Lehner über das neue Gesetz:
"Was bitte ist ein persönlicher Feiertag, den ich dann von meinem Urlaubskontingent nehmen muss. Also das heißt im Klartext, man hat der Evangelischen Kirche den Feiertag gestrichen."
Kurz: "Für 96 Prozent der Menschen ändert sich nichts"
Einhellig ist die Empörung in der Evangelischen Kirche Österreichs, vor allem über eine Erklärung des konservativen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz. Der Regierungschef hatte am Mittwoch die Neuregelung unter anderem mit dem Argument begründet, dass nur vier Prozent der 8,7 Millionen Einwohnern des Landes von der faktischen Streichung des Feiertags am Karfreitag betroffen seien:
"Für 96 Prozent der Menschen ändert sich gar nichts. Für vier Prozent Evangelische in unserem Land ändert sich folgendes: Sie haben in Zukunft genauso viel freie Tage wie alle anderen Menschen in Österreich auch."
Ihn überkomme "blankes Entsetzen" angesichts dieser Äußerung des Bundeskanzlers, räumte Synodenpräsident Peter Krömer anschließend ein. In Kärnten startete bereits der dortige Superintendent eine Petition für einen freien Karfreitag. Nach Angaben des Tageszeitung "Kurier" haben rund 30.000 Menschen die evangelische Petition unterschrieben, bis Gründonnerstag sei die Unterschriftsliste offen; zudem werde die Synode am 9. März beschließen, gegen das neue Gesetz zu klagen. Auch Österreichs Arbeitnehmervertreter kündigen ihren Widerstand an. Wolfgang Katzian, Präsident des Gewerkschaftsbundes, wirft der Regierung angesichts ihres wechselhaften Vorgehens vor, in die Tarifautonomie einzugreifen:
"Dann hat es geheißen im nächsten Schritt ein halber Feiertag, und heute heißt es, gar kein Feiertag, aber wenn Du Dir ihn nehmen willst, dann wird Dir ein Urlaubstag gestrichen. Also das ist eine Verhöhnung der Sonderklasse. Das geht überhaupt nicht."
Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft
Vehement hatten vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes die Oppositionsparteien im Nationalrat die Karfreitagsregelung kritisiert. Man brauche in Österreich keine schwarz-blaue Regierung, um sich einen Urlaubstag zu nehmen, so die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Den rhetorischen Vogel in der emotional geführten Debatte schoss allerdings die FPÖ-Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein ab, die der Opposition entgegenhielt: "Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Die Wirtschafts schafft die Arbeit! Bitte merkt Euch das einmal!"