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Österreich
Europa, Drohungen und die FPÖ-Wahltaktik

Die Attacken der FPÖ auf den öffentlich-rechtlichen Sender ORF bestimmen den Europawahlkampf in Österreich. Der Streit über ein Interview von Moderator Armin Wolf schwelt weiter. Doch die Intensität und hohe Schlagzahl der Angriffe auf den ORF durch die FPÖ lassen den Verdacht eines inszenierten Eklats zu.

Von Srdjan Govedarica | 17.05.2019
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei einer Pressekonferenz in Wien
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei einer Pressekonferenz in Wien (imago / Eibner Europa)
Ein Wahlwerbespot der FPÖ für die EU-Wahl. Eine der Protagonistinnen ist die fiktive Journalistin Armina Wolf vom ebenfalls fiktiven Fernsehsender OFS 2. Sie wird als Unterstützerin rot-grüner Politik dargestellt.
Dieses Motiv der FPÖ Wahlwerbung zielt auf den österreichischen Rundfunk ORF ab und den Journalisten Armin Wolf. Er moderiert die abendliche Nachrichtensendung Zeit im Bild 2 und jeder in Österreich kennt sein Gesicht. Armin Wolf hat turbulente Tage hinter sich.
Am 23. April befragte er in einem Liveinterview den FPÖ-Generalsekretär und Spitzenkandidaten für die EU-Wahl Harald Vilimsky. Eines der Themen war auch ein rassistisches Plakat der FPÖ-jugend Steiermark. Wolf verglich diese mit einer antisemitischen Zeitung im Nazi-Hetzblatt der Stürmer. Harald Vilimsky reagierte mit heftigem Protest.
Dossier: Europawahlen
Europawahlen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Drohung gegen den Moderator
Und eine live im Fernsehen ausgesprochenen Drohung: "Also hier diese Parallelität zu ziehen, Herr Wolf, ist also allerletzte Schublade. In dem Sie hier vom Stürmer ein Bild nehmen, das gegenüber einem Jugendplakat gegenüberstellen und den Eindruck erwecken, dass wir in der Nähe des Nationalsozialismus ist etwas, was nicht ohne Folgen bleiben kann."
Eine Drohung, die in den Tagen danach Österreichs Medien und Politik intensiv beschäftigte. Mehrere FPÖ-Politiker meldeten sich mit harscher Kritik an Armin Wolf und dem ORF zu Wort. Norbert Steger ist Vorsitzender des mächtigen Stiftungsrats, der den ORF kontrolliert.
Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Politiker riet Armin Wolf, eine Auszeit zu nehmen. Eine FPÖ-Abgeordnete fühlte sich durch Wolfs Interviewtechnik an den nationalsozialistischen Volksgerichtshof erinnert.
Der Zeitpunkt, die Intensität und hohe Schlagzahl der Angriffe auf den ORF durch die FPÖ lassen den Verdacht zu, dass es sich hier um einen inszenierten Eklat handeln könnte oder um ein wahltaktisches Manöver.
Zur Unzeit für Kurz
Armin Wolf selbst formuliert das so: "Es liegt der Gedanke nahe, dass die FPÖ sich eine Strategie für diesen für sie sehr schwierigen EU-Wahlkampf überlegt hat, indem sie den ORF als Hauptgegner definiert hat. Tatsächlich macht die FPÖ EU-Wahlkampf nicht gegen andere Politische Parteien, sondern gegen den ORF und hat sich offenbar mein Gesicht und meinen Namen ausgesucht als Symbol für den ORF."
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sehr auf den Ruf Österreichs im Ausland achtet, kommt die Auseinandersetzung zwischen seinem Koalitionspartner FPÖ und dem ORF zur Unzeit. Mitten im EU-Wahlkampf stört sie die Praxis der schwarz-blauen Bundesregierung, die auf konfliktfreie politische Kommunikation großen Wert legt und Message-Control genannt wird.
Sebastian Kurz: "Die Auseinandersetzung nutzt dem Armin Wolf. Das ist klar. Die Auseinandersetzung nutzt vielleicht auch der Freiheitlichen Partei in der Mobilisierung für die Europawahl. Aber in Summe tut diese Auseinandersetzung nicht gut. Insofern bin ich froh, wenn auch die Freiheitliche Partei hier ein Interesse an Deeskalation hat."
Auf ein Bier?
Heinz-Christian Strache, Vizekanzler und FPÖ-Chef, kritisiert den ORF selbst oft und auch mit Armin Wolf hat er eine Vorgeschichte. Auf seiner privaten Facebookseite bezeichnete er Armin Wolf Anfang 2018 indirekt als Lügner uns musste sich später öffentlich dafür entschuldigen. Auf die aktuelle Auseinandersetzung mit dem ORF angesprochen zeigte sich Strache zwar verständnisvoll für die Kritik am Armin Wolfs Stürmervergleich:
"Aber was nichts verloren hat sind irgendwelche Drohungen. Und da sollte man jetzt deeskalieren, so wie es Harald Vilimsky jetzt getan hat. Der hat jetzt im Rahmen eines Pressechats gesagt, also eigentlich er würde gerne mit dem Wolf auf ein Bier gehen."
Ein gemeinsames Bier mit dem FPÖ-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky hat Armin Wolf nach dem Interview am 23. April noch nicht getrunken. Gegenüber dem ARD Studio Wien zeigte er sich besorgt über die Entwicklung der Pressefreiheit im Land:
"Österreich ist im letzten Jahr im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von Platz 11 auf Platz 16 abgerutscht. Hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Ich hoffe, wir rutschen nicht noch weiter ab. Und ich würde hoffen, wir steigen wieder weiter rauf, wo eine westliche Demokratie eigentlich hingehört."