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Österreichische "VICE"-Redaktion tritt zurück
Zu viel Lifestyle, zu wenig Politik?

Die Redaktion des österreichischen Online-Magazins "VICE" ist geschlossen zurückgetreten. Es gebe immer weniger Platz für politische Themen, begründete die bisherige Vize-Chefredakteurin den Schritt im Dlf. "VICE"-Chefin Laura Himmelreich kann die Kritik nicht nachvollziehen.

Von Annika Schneider | 15.08.2018
    Die Journalistin Laura Himmelreich, Chefredakteurin des Onlinemagazins "Vice".
    Laura Himmelreich ist jetzt Chefredakteurin von "VICE" in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (VICE Grey Hutton)
    Die österreichische Redaktion des Online-Magazins "VICE" tritt geschlossen zurück. Das haben die acht Mitarbeiter auf Facebook angekündigt. Damit protestieren sie gegen Umstrukturierungen: Die "VICE"-Chefredaktionen in Österreich und der Schweiz werden aufgelöst und die Redaktionen der deutschen Leitung untergeordnet.
    Mit ihrem Rücktritt kritisieren die österreichischen Journalisten, dass ihre Autonomie zunehmend eingeschränkt worden sei. "Wir hatten schon im vergangenen Jahr Umstrukturierungen, wo mehr Kompetenzen nach Deutschland gewandert sind", sagte Hanna Herbst, bisherige Vize-Chefredakteurin von "VICE" Österreich, im Dlf.
    "VICE gibt sich als politisches Medium, weil sich das verkaufen lässt"
    "Es wurde nicht richtig gesehen, was wir uns für einen Ruf aufgebaut haben und was für eine Relevanz wir in Österreich haben", sagte Herbst. "Das wurde sehr wenig geschätzt." Stattdessen sei das Magazin immer mehr auf Lifestyle-Themen ausgerichtet worden - auf Kosten der Politikberichterstattung.
    Vice gebe sich als politisches Medium, weil sich das verkaufen lasse. Außerdem werde zunehmend mehr Wert auf Texte gelegt, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz gleichermaßen gelesen würden.
    Dabei sei es gerade jetzt wichtig, politisch unabhängig über österreichische Innenpolitik zu berichten: "Ich sehe das jetzt auch als enorm wichtig, dass wir eigentlich gerade in dieser Zeit eine starke Redaktion bleiben", betonte Herbst.
    "Wir berichten über alles, was junge Leute interessiert"
    Laura Himmelreich, deutsche "VICE"-Chefredakteurin und in Zukunft auch für Österreich und die Schweiz zuständig, kann die Kritik nicht nachvollziehen. "Wir berichten über alles, was junge Leute interessiert. Das sind natürlich Geschichten, die vor der Haustür passieren, es sind natürlich aber auch Geschichten aus der ganzen Welt. Das fängt bei Sexualität an und hört bei Innenpolitik auf", sagte sie im Dlf.
    Weniger politisch sei die Berichterstattung nicht geworden. Sie habe selbst fünf Jahre als Politikjournalistin gearbeitet und Politikwissenschaften studiert, betonte Himmelreich. "Unser Ziel ist es ja gerade, unsere Relevanz auch immer weiter zu steigern."
    Von einer Entmachtung der einzelnen Redaktionen könne nicht die Rede sein: "Natürlich gibt die Landesredaktion den jeweiligen Content vor, der in dem Land relevant ist. Die sind die einzigen, die das beurteilen können."
    Die Stellen der österreichischen "VICE"-Redaktion sind inzwischen schon online ausgeschrieben. Alle Mitarbeiter sollen ersetzt werden.