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Offener Brief an Angela Merkel
Renommierte Ökonomen fordern Schuldenschnitt für Griechenland

Mit klaren Worten haben renommierte Ökonomen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Kurskorrektur gegenüber Griechenland aufgerufen. Nach Ansicht des französischen Wirtschaftsprofessors Thomas Piketty ist die "unendliche Sparpolitik" gescheitert. Man zwinge die griechische Regierung, sich eine Waffe an den Kopf zu setzen und abzudrücken.

08.07.2015
    Angela Merkel spricht an einem Rednerpult und gestikuliert mit den Händen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfel der Euro-Länder am Dienstag in Brüssel. (picture alliance / dpa / Stephanie Lecocq)
    Thomas Piketty, der 2014 mit seinem Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" weltweit auf sich aufmerksam gemacht hat, griff die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in seinem offenen Brief direkt an. "Die vom deutschen Finanzministerium verschriebene Medizin hat den Patienten ausbluten lassen, aber nicht von der Krankheit geheilt", schreibt er zusammen mit vier Kollegen: dem früheren Staatssekretär im Finanzministerium, Heiner Flassbeck, und den drei Wirtschaftsprofessoren Jeffrey D. Sachs von der Columbia University, Dani Rodrik von der Harvard Kennedy School und Simon Wren-Lewis von der University of Oxford.
    "Die unendliche Sparpolitik, zu der Europa Griechenland gezwungen hat, funktioniert nicht", heißt es in dem Brief, den das US-Magazin "The Nation" veröffentlicht hat. Er listet die Folgen der europäischen Forderungen auf: eine zusammengebrochene griechische Wirtschaft inklusive des Bankensystems, Massenarbeitslosigkeit, eine verschlechterte Schuldenkrise, eine unbezahlbare Staatsverschuldung von 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, gestiegene Kinderarmut und Kindersterblichkeit sowie eine Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent.
    Die Ökonomen halten einen Schuldenschnitt für Griechenland für unerlässlich. Davon hätten auch Deutschland und Europa in den 50er-Jahren profitiert. Das strafende und gescheiterte Sparprogramm der vergangenen Jahre müsse überdacht werden, die griechischen Schulden massiv gekürzt und nötige Reformen umgesetzt werden.
    "Die Eurozone als Leuchtturm für Hoffnung, Demokratie und Wohlstand"
    "Zusammen fordern wir Kanzlerin Merkel und die Troika zu einer Kurskorrektur auf, um weitere Katastrophen abzuwenden und Griechenland in der Eurozone zu halten", schreiben Piketty und Kollegen. Merkel solle die notwendige Führung für Griechenland und Deutschland und auch für die Welt übernehmen. "Die Geschichte wird sich an Ihre Taten dieser Woche erinnern ", heißt es.
    Piketty und Kollegen bedienen sich drastischer Bilder:
    "Die griechische Regierung wird gerade gezwungen, sich eine Waffe an den Kopf zu setzen und abzudrücken. Traurigerweise wird die Kugel nicht nur Griechenlands Zukunft in Europa töten. Der Kollateralschaden wird auch die Eurozone als Leuchtturm für Hoffnung, Demokratie und Wohlstand töten, und könnte weltweit weitreichende wirtschaftliche Folgen haben."
    Merkel hatte am Dienstagabend nach dem Sondergipfel der Euro-Länder in Brüssel einen teilweisen Schuldenerlass für Griechenland ausgeschlossen. Dies sei nach EU-Recht verboten.