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"Ohne Bafög geht es nicht"

Die Studentenwerke mahnen auf einer Pressekonferenz die Politik, die staatliche Studienförderung zu verbessern. Insbesondere fordern die Verbände eine Erhöhung der BAföG-Sätze.

Von Verena Herb | 08.10.2009
    "Ohne Bafög geht es nicht."

    Die Botschaft des Generalsekretärs des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heide, ist deutlich. Das BAföG sei das Schlüsselinstrument für mehr Chancengleichheit und mehr soziale Durchlässigkeit im nach wie vor hochselektiven Deutschen Hochschulsystem – deshalb:

    "Können wir nur den beiden Koalitionären ins Stammbuch schreiben, dass sie das BAföG nicht nur beibehalten, sondern möglicherweise auch ausbauen. Und insbesondere auch die Freibeträge erhöhen, also der Eltern. Weil dieses die Stellschraube ist, um den Kreis der Förderberechtigten nachhaltig zu erweitern."

    Es muss gehandelt werden – lautet die Forderung aller deutschen BAföG-Ämter an die schwarz-gelbe Koalition. In Hamburg treffen sie sich heute zur alljährlichen Förderungstagung, um - unter anderem - ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung zu formulieren. Also: Erhöhung der Freibeträge für Eltern sowie die Erhöhung der Freibeträge für Studenten, damit sie mehr nebenher verdienen können - derzeit liegt hier die Zusatzverdienstgrenze bei 400 Euro - und: Die Erhöhung der BAföG-Sätze insgesamt.

    "Über diesen Weg können wir zweierlei erreichen: Einmal haben die Studierenden mehr Geld in der Hand, um die erhöhten Lebenshaltungskosten zu decken. Andererseits kommen mehr Familien in die Möglichkeit, BAföG zu beziehen, weil eben das anzurechnende Einkommen, was sie selbst einsetzen müssen, um eben das Studium des Kindes zu bezahlen, niedriger wird," unterstreicht Jürgen Allermeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks Hamburg.
    "Wenn man bedenkt, dass die Lebenshaltungskosten so durchschnittlich 860 Euro in Hamburg betragen, dann sieht man auch, dass selbst die Höchstförderung mit 648 Euro reichen nicht aus, man muss dazu verdienen. Und wenn man dann sieht, dass das Studium immer enger wird, man immer weniger Zeit hat zum Arbeiten, und die Wirtschaftskrise auch die Möglichkeiten für Studenten verringert, Jobs zu bekommen, dann sieht man, dass diese Einkommensquelle – Job – immer mehr gefährdet ist, und das muss ersetzt werden. Sonst werden immer weniger Studierende hier auf dem Campus auftauchen."

    Chancengleichheit sei die dringendste Aufgabe in der Bildungspolitik, so Allermeyer. Denn die Zahlen alarmieren: Von 100 Kindern aus Akademikerkindern studieren 83, von 100 Kindern aus Familien ohne akademische Tradition studieren nur 23. In kaum einem anderen Industrieland sei der Bildungserfolg so stark an die soziale Herkunft gekoppelt wie in Deutschland. Viele Studienberechtigte scheuen den Gang an die Hochschule, da die Finanzierung für sie nicht gesichert sei. Gut zwei Drittel aller Abiturienten befürchten, so eine Allensbachstudie von 2009, zu hohe Belastungen während des Studiums. Durch die zusätzliche Erhebung von Studiengebühren in sechs Ländern werde dieser Trend noch verschärft. Deshalb fordert das Deutsche Studentenwerk auch: Studiengebühren abschaffen!

    Nach den jüngsten Erhebungen des Statistischen Bundesamts erhielten im Jahr 2008 510.000 der rund zwei Millionen Studierenden in Deutschland BAföG. Also gut ein Viertel. Rund 60.000 nehmen außerdem Darlehen auf, um ihr Studium zu finanzieren, sagt Achim Meyer auf der Heide vom Deutschen Studentenwerk:
    "Wir haben leider feststellen müssen, dass viele junge Studierende sehr hohe Beträge aufnehmen. Also durchschnittlich bei 475, 470 Euro monatlich zurzeit. Und das bedeutet, dass sie möglicherweise doch mit einer erheblichen Summe das Studium verlassen, ohne dass gesichert ist, dass sie überhaupt dann einen Arbeitsplatz sofort haben."

    Die Folge: mögliche Privatinsolvenzen von Uniabsolventen. Fälle dieser Art gibt es bereits. Deshalb soll nicht nur das BAföG-System ausgebaut werden, sondern auch die Möglichkeiten für ein Stipendium. Rund zwei Prozent der Studierenden in Deutschland nehmen ein Stipendium in Anspruch. Es gibt Ausbaubedarf: Jürgen Allermeyer vom Studentenwerk Hamburg appelliert hier in zwei Richtungen:
    "Einerseits sollten die Studierenden, oder die angehenden Studenten mehr Mut haben, sich um Stipendien zu bewerben. Andererseits haben wir aber auch deutlich zu wenig Stipendien. Und ein weiteres Problem ist: dass es zu wenige Stipendien gibt, die ergänzend zum BAföG auch in Anspruch genommen werden können, um Finanzlücken abzudecken."

    Denn auch bei den Stipendien zeigt sich das Gefälle: Kinder aus Akademikerfamilien machen rund fast drei Viertel der Stipendiaten aus. Weniger als jeder zehnte Stipendiat hat eine niedrige soziale Herkunft.