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Ohne Klimagas in die Steckdose

Umwelt. - Erst kürzlich betonte der UN-Klimarat, wie dringend es sei, die Klimaerwärmung zu bekämpfen und Kohlendioxid-Emissionen abzusenken. Das ist aber allein mit erneuerbarer Energie nicht zu bewerkstelligen. In Dortmund erörtern daher derzeit Experten, wie Kohlekraftwerke umweltfreundlicher werden können.

Von Volker Mrasek | 21.08.2007
    Die Prognos AG ist zwar ein Wirtschaftsforschungsinstitut. Doch seine Experten ...

    "... haben zunehmend auch zu tun mit Fragen des Klimaschutzes, Energie-Effizienz und Ausbau erneuerbarer Energien. Und wir versuchen natürlich, entsprechend unserem Namen, in die Zukunft zu schauen."

    Friedrich Seefeldt präsentiert jetzt eine neue Studie im Spannungsfeld von Energieerzeugung und Klimaschutz. Welche Perspektive hat Kohle in der Stromerzeugung in den kommenden Jahrzehnten? Ein Energieträger, der, wenn er verbrannt wird, besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid produziert. Das wollte der Verband der Europäischen Kohleindustrie vom Prognos-Institut wissen. Als Ingenieur für Energie- und Verfahrenstechnik ist Seefeldt ein Mann vom Fach. Seine Arbeitsgruppe rechnete verschiedene Szenarien bis zum Jahr 2030. Darunter solche mit und ohne Einführung der so genannten CCS-Technologie. Das steht für die Abscheidung des Treibhausgases Kohlendioxid aus dem Rauchgas von Kohlekraftwerken - um die Anlagen fast kohlendioxidfrei zu bekommen. Eine Technologie, die von den Energiekonzernen aber gerade erst entwickelt und getestet wird:

    "Für die Energiewirtschaft ist es ein Pfad, den sie begehen muss. Das ist auf jeden Fall die einzige wirkliche Chance, die die Kohleverstromung hat ..."

    ... so schon heute das Fazit und die Empfehlung der Prognos-Experten. Die Logik dahinter: Die Atmosphäre mit Kohlendioxid zu belasten, hat künftig auch für Stromkonzerne einen Preis. Sie werden am Emissionshandel teilnehmen und Kohlendioxid-Zertifikate kaufen müssen:

    "Bisherige Regel war ja, dass Kraftwerksbetreiber voll ausgestattet worden sind. Und jetzt zeichnet sich ab, dass also in zunehmendem Maße Kraftwerksbetreiber sich die Zertifikate am Markt beschaffen müssen, das heißt tatsächlich bezahlen müssen."

    Nach dem Kyoto-Protokoll sollen die Industriestaaten ihre Kohlendioxid-Reduktionsziele spätestens 2012 erreicht haben. Der Preis der Verschmutzungszertifikate für diese Abrechnungsperiode liegt im Moment bei über 20 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Für die Zeit nach 2012 ist mit noch höheren Beträgen zu rechnen, denn die Gesamtmenge der Zertifikate soll weiter schrumpfen. Laut Seefeldt wird die CCS-Technologie für Europas Stromerzeuger ab 30 Euro pro Tonne interessant:

    "Dann sind die Vermeidungsinvestitionen eigentlich genauso kostspielig wie die gleiche Menge an Kohlendioxid-Zertifikaten, die ich kaufen müsste. Also ist es ab dann günstiger zu vermeiden als zu emittieren."

    Nach jahrelangem Widerstand gegen Klimaschutzauflagen reagieren die Stromerzeuger inzwischen: Vattenfall Europe errichtet derzeit ein erstes CCS-Demonstrationskraftwerk in Brandenburg. Der rheinische Energieversorger RWE hat Pläne für eine ähnliche Anlage. Das Problem ist nur: Großtechnisch dürfte CCS frühestens 2020 zur Verfügung stehen, vielleicht sogar noch später. Doch schon vorher muss die europäische Energiewirtschaft fast ein Drittel ihrer Kohle-Kraftwerke ersetzen, weil sie veraltet sind. Die Neuanlagen werden zwar effizienter, aber immer noch wahre Kohlendioxid-Schleudern sein. Deswegen sollen sie wenigstens mit CCS-Technik nachgerüstet werden können. Man rechnet damit, dass die EU-Kommission so etwas bald vorschreibt.