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Ohne Reis eine Salzwüste

Nicht nur in Asien gibt es Reisfelder, sondern auch in Europa und zwar in Portugal, Spanien und Italien. Und in der Camargue, der Region zwischen den beiden Mündungsarmen der Rhone in Frankreich. Dass der Reisanbau hier überleben konnte, hat auch mit der Umwelt zu tun: Die künstliche Bewässerung schützt die Region vor Versalzung.

Von Nadine Baier | 08.10.2007
    Gesang der Zikaden, weiße Camargue- Pferde, schwarze Stiere, rosa Flamingos und grün-gelbe Reisfelder, wohin das Auge blickt - hier in der Camargue bewirtschaften noch immer 1500 Reisbauern 18.000 Hektar Reisfelder, keine leichte Aufgabe, die nur dank Bewässerungspumpen erledigt werden kann:

    "Die Camargue muss dich als Landwirt akzeptieren, wenn du sie nicht respektiert, schmeißt sie dich raus. Es ist ein ständiger Kampf zwischen Süß- und Salzwasser, das musst du aus dem Effeff können, "

    meint Reisbauer Jacques Rozière. Er und seine Kollegen blicken auf eine lange Tradition zurück.

    Bereits am 3. August 1593 soll Henri IV auf Empfehlung seines Ministers Sully hin angeordnet haben, in der Camargue Reis anzubauen auf der Suche nach der besten Beilage für seine poule au pot, sein sonntägliches Huhn.

    Die eigentliche Geschichte des Reisanbaus beginnt freilich erst im Jahr 1860 mit dem Bau von Deichen zum Schutz vor den zerstörerischen Fluten der Rhône. Seitdem ist der Reisanbau in der Camargue zu einem wichtigen Faktor für Ökonomie und Ökologie geworden. Denn die Camargue bildet ein Becken, in dem auf natürliche Weise mehr Wasser verdunstet als zugeführt wird. Jacques Rozière:

    "Es fehlt ein halber Liter Wasser im Jahresschnitt. Die Verdunstung ließ viel Salzwasser an die Oberfläche kommen, was zum Aussterben aller Lebewesen und Pflanzen geführt hätte. Würde der Camargue durch den Reisanbau nicht so viel Süßwasser zugeführt, wäre sie eine Salzwüste. "

    Früher baute man Reis ausschließlich aus diesem Grund an. Später wurden die Flächen jedoch verringert und Reispflanzen unter anderem durch Rebstöcke ersetzt. Der zweite Weltkrieg und die Unabhängigkeit Indochinas, dem bis dahin wichtigsten Reisproduzenten der Kolonialmacht Frankreich, führten zu einem vorübergehenden Boom in der Camargue: Bis zur wirtschaftlichen Krise in den sechziger Jahren. Seither nimmt die Anbaufläche ständig ab, woran auch ein Plan zum Wiederankurbeln des Reisanbaus in den siebziger Jahren nichts ändern konnte. In Anbetracht der Konkurrenz aus den USA und der Kapriolen des Wetters setzen immer mehr Landwirte auf den rentableren Hartweizen.

    Innerhalb der letzten drei Jahre ist die Anbaufläche um fast ein Viertel auf 18.000 Hektar geschrumpft, was einer Ernte von 60.000 Tonnen Reis entspricht und etwa ein Sechstel des französischen Konsums deckt.

    Ein Teil findet aber auch Absatz in europäische Nachbarländer, und erfreut sich auch beim deutschen Verbraucher steigender Beliebtheit:
    "Ich kaufe den Camargue Reis, weil er mir schmeckt, er ist einfach vom Biss her besser, und das Korn ist größer."

    "Der Camargue-Reis ist unbehandelt, natürlicher, wenn man ihn mit Reis aus den Geschäften vergleicht. Nur wenn wir mal Reisnotstand haben, kaufen wir einen normalen im Geschäft, er ist einfach besser, schmeckt besser, hat einfach den Geschmack von Reis. "

    Vor allem der rote, ungeschälte Reis aus der Camargue ist Reiskennern ein Begriff. Er gilt als Haut de gamme, als Spitzenprodukt. Die rot-braune Farbe der Außenhaut des Korns ist Resultat der tonhaltigen Erde. Der Reis bleibt natürlich nur unbehandelt und ungeschält rot, das Korn selbst ist weiß.

    Aufgrund seiner mit 40 Minuten recht langen Kochzeit ist er in Frankreich weniger beliebt und bleibt ein Nischenprodukt für den Export, denn nur zwei Prozent der Gesamtproduktion entfallen auf die rot-braunen Körner - bei weitem nicht genug, die finanziellen Sorgen der Reisbauern in der Camargue zu lösen.

    Trotz eines 1994 eingeführten Qualitätslabels, trotz zahlreicher Werbekampagnen wissen selbst in Frankreich die allerwenigstens, dass im Rhonedelta überhaupt Reis angebaut wird, aus ökonomischen, aber auch aus ökologischen Gründen.