Freitag, 19. April 2024


Oktober 2013: ...auf der Straße

Auf der Straße - unterwegs - on the Road: Der Oktober steht ganz im Zeichen der Straße. Seit jeher verbinden Straßen Orte und Menschen miteinander und bieten uns die Möglichkeit, andere Länder und Kulturen zu erkunden. Mit einem Text der Schriftstellerin Marion Poschmann besucht »lyrix« das im Museum Ludwig in Köln ausgestellte Gemälde "Fünf Frauen auf der Straße" von Ernst Ludwig Kichner.

01.10.2013
    Unterwegs. Auf der Suche - ja, nach was eigentlich? Ohne Rast - niemals ankommen. Ewiges Umherirren. Die Straße ins Unbekannte… Wer hat nicht schon einmal von einem Roadtrip geträumt? Von einer Reise in ferne Länder. Straßen führen uns bei der Erkundung der Welt mit ein wenig Glück an das richtige Ziel. Oder ist der Weg das Ziel? Straßen begleiten uns, um es mit den Worten von Marion Poschmann zu sagen, auf der "Suche nach jenem richtigen Ort der sich stets weit entfernt zeigt".

    Ganz anders und weniger poetisch: die Straße in der Großstadt. Enge, kleine, düstere Gassen, breite Alleen. Menschenmassen, Gedränge. Geschäfte in der Fußgängerzone. Reges Treiben im Straßencafé. Straße können viele Gesichter haben.

    Unsere Beispiele in diesem Monat zeigen zwei ganz unterschiedliche Momentaufnahmen und Wahrnehmungen.

    Ernst Ludwig Kirchner; Fünf Frauen auf der Straße, 1913 ; Öl auf Leinwand 120 x 90 cm ; Museum Ludwig Köln; Bild: RBA
    Ernst Ludwig Kirchner; Fünf Frauen auf der Straße, 1913 ; Öl auf Leinwand 120 x 90 cm ; Museum Ludwig Köln; Bild: RBA (RBA)
    Ernst Ludwig Kirchner,
    Fünf Frauen auf der Straße, 1913,
    Öl auf Leinwand, 120 x 90 cm
    Museum Ludwig, Köln
    Foto: RBA

    Ernst Ludwig Kirchner verarbeitete schon um 1913 in seinen Bildern Eindrücke, die er auf Streifzügen durch Berliner Straßen gewann. Seine "Fünf Frauen auf der Straße" stehen dicht gedrängt beisammen. Wer sind sie, die elegant gekleideten Frauen? Was wir aufgrund der heute nicht mehr funktionieren Dress-Codes nur schwer erkennen: Auf seinem Bild setzt Kirchner Berliner Straßenprostituierte in Szene. Hüte und Federboas dienten damals als ihre Erkennungszeichen. Diese Accessoires ließen die Frauen wie Vögel erscheinen. "Bordsteinschwalben" wurden sie auch genannt.

    Eine andere Momentaufnahme einer Straßenszene finden wir im Gedicht von Marion Poschmann. Auf der Straße, bzw. in einer Fußgängerzone, geschieht etwas Unfassbares, nicht Vorhersehbares – eine nahezu magische und nicht greifbare Begebenheit.


    in der Fußgängerzone kam Wind auf
    wie immer Wind aufkommt bei der Suche
    nach jenem richtigen Ort der sich stets
    weit entfernt zeigt, die Abfallpapiere
    am Boden verrutschten, mein Mantel
    flatterte, und, als wäre dies schon ein Grund
    mich selbst zu den Dingen zu zählen
    als wäre dies schon ein Grund
    blieb ich ungefragt stehen

    aus: Marion Poschmann, Geistersehen, © Suhrkamp Verlag Berlin 2010


    Auf Anregung des Kölner Museumsdienstes haben sich Kölner Schülerinnen und Schüler bereits im Rahmen eines Projektes mit dem Gedicht Marion Poschmanns und dem Kirchner-Gemälde auseinandergesetzt. Dabei entstanden ist eine Text-Film-Collage, die wir euch natürlich nicht vorenthalten wollen:



    Was symbolisiert das Thema "Straße" für euch? Begebt euch auf eure eigene lyrische Entdeckungsreise. Wir freuen uns auf eure Texte.

    Hier findet ihr unsere E-Mail Vorlage.
    Die aktuellen Wettbewerbsbedingungen könnt ihr online nachlesen.

    Museum Ludwig: Das Ehepaar Ludwig trug die größte Pop-Art-Sammlung außerhalb der USA zusammen und schenkte einen Großteil davon der Stadt Köln. Durch diese großzügige Gabe wurde 1976 das Museum Ludwig gegründet. Außerdem beherbergt das Museum mit 180 Originalwerken und 730 Grafiken die drittgrößte Picasso-Sammlung weltweit.
    Im März 2011 kam eine umfangreiche Zahl von Werken der russischen Avantgarde hinzu, die zu den wichtigsten russischer und sowjetischer Moderne gehören.
    Auch deutsche Kunst mit jüngeren Tendenzen ist im Museum Ludwig zu finden. Die Basis für die zeitgenössischer Kunst bildet die Expressionisten-Sammlung des Kölner Juristen Josef Haubrich.

    Marion Poschmann, geboren 1969 in Essen, studierte Germanistik, Philosophie und Slawistik. 1997-2003 Lehrtätigkeit in einem deutsch-polnischen Grundschulprojekt. Sie lebt in Berlin, seit 2004 als freie Schriftstellerin und ist Mitglied im P.E.N.. Ihre Gedichte und Essays wurden bereits in verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Sie publizierte die Romane "Baden bei Gewitter", "Hundenovelle", "Schwarzweißroman" und "Die Sonnenposition" sowie die Gedichtbände "Grund zu Schafen" und "Geistersehen". Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen u.a. den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2003, ein Stipendium der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo 2004, den Literaturpreis Ruhrgebiet 2005, den Förderpreis NRW 2007, den Peter-Huchel-Preis und den Ernst-Meister-Preis 2011.


    Die Unterrichtsmaterialien für Oktober 2013 zum Download!
    Museum Ludwig von Südwesten
    Museum Ludwig von Südwesten (museenkoeln)
    Marion Poschmann
    Marion Poschmann (Frank Mädler)