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Olympia 2016
Superbakterien vor Rios Stränden

Eine Studie hat an fünf Stränden von Olympia-Gastgeber Rio de Janeiro so genannte Superbakterien nachgewiesen. Sie können im klinischen Umfeld gefährliche Infektionen auslösen und sind resistent gegen Antibiotika. Umweltbehörde und Olympia-Organisationskomitee sehen jedoch keinen Handlungsbedarf.

Von Carsten Upadek | 19.06.2016
    Der Jachthafen Marina da Gloria an der Guanabara-Bucht, Hauptquartier der Segler während der Olympischen Spiele. Die Luftaufnahmen zeigen laut dem Biologen Mario Móscatelli das illegale Ablassen von Abwasser.
    Der Jachthafen Marina da Gloria an der Guanabara-Bucht, Hauptquartier der Segler während der Olympischen Spiele. Die Luftaufnahmen zeigen laut dem Biologen Mario Móscatelli das illegale Ablassen von Abwasser. (Mário Moscatelli)
    Rio de Janeiro gilt als eine der schönsten Städte der Welt. Das ist einer der Gründe, warum dort ab 5. August die Olympischen Spiele stattfinden werden. Über den Häuserketten der Strandpromenaden schneiden grüne Berge den blauen Himmel. Am Meer laufen meist sanfte Wellen auf weißen Sandstrand auf. Der Kontakt mit dem Wasser könnte für Menschen allerdings gefährlich werden: Mikrobiologen der staatlichen Universität UFRJ um Renata Picão haben in Wasserproben von fünf Stränden Superbakterien gefunden - so genannt, weil sie resistent gegen Antibiotika sind.
    "Diese Bakterien verursachen Krankheiten, die schwierig zu behandeln sind", sagt die Forscherin. "Die Sterblichkeit der Infizierten ist hoch. Das macht sie so gefährlich. Der Erreger ist opportunistisch, er kann sich in einen gesunden Körper einnisten und auf den Moment warten, bis das Immunsystem geschwächt ist, um eine Infektion zu verursachen."
    Ein Bad im Meer wie russisches Roulette
    KPC-Bakterien können Infektionen in Harnweg, Magen-Darm, Lungen- und Blutkreislauf verursachen. Allerdings kommen sie vor allem in Krankenhäusern vor. Wie kommen sie also ins Meer? Renata Picão vermutet, dass die Bakterien über das Abwassersystem von den Kliniken über Rios Flüsse kontinuierlich an die Strände gelangen. Den Biologen Mário Moscatelli überrascht das kein bisschen:
    "Wenn Sie über Rio de Janeiro fliegen, sehen Sie, dass praktisch alle Flüsse der Stadt durch Abwasser kontaminiert sind. Diese Kloake landet in den Lagunen und Stränden. Zu baden ist wie russisches Roulette. Sie wissen nicht, mit was Sie in Berührung kommen."
    Mário Moscatelli im Morgengrauen an einem Strand, an den die Ebbe Müll abgespült hat.
    Mário Moscatelli im Morgengrauen an einem Strand, an den die Ebbe Müll abgespült hat. (Deutschlandradio - Carsten Upadek)
    Umweltamt: kein Verständnis für Aufregung
    Schon 2014 wurde das Bakterium durch Wissenschaftler an der Mündung eines Flusses in die Guanabara-Bucht nachgewiesen, wo die Surf- und Segelwettbewerbe ausgetragen werden. Auf Nachfrage des Deutschlandfunk beim staatlichen Umweltamt Inea damals bestritt ein Vertreter, dass von dem Bakterium eine Gefahr ausgehe. Durch den Salzgehalt der Bucht sterbe das Bakterium. Man könne die ganze Aufregung aus technischer Sicht nicht verstehen.
    Geirrt hat sich der Mann damals zumindest im Vorkommen. Das belegt die Studie von Renata Picão und ihrem Team, deren Ergebnis vorab veröffentlicht wurde. Die Gesamtstudie soll demnächst in einem Fachmagazin publiziert werden. Sie liegt dem Deutschlandfunk bereits exklusiv vor.
    Risiko noch nicht erforscht
    "Untersuchungen zeigen, dass durch Abwasser verunreinigtes Salzwasser die Vermehrung der Bakterien erlaubt. Sie sterben nicht unbedingt. Welches Risiko die Existenz aber darstellt, müssen wir noch erforschen."
    Eine erneute Interview-Anfrage des Deutschlandfunks lehnte Rio de Janeiros Umweltamt mit der Begründung ab, bisher nicht offiziell über die Studie informiert worden zu sein. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, es gebe weder Beweise noch Studien, die eine Infektion außerhalb von Krankenhäusern bewiesen. Dagegen ist der Fund der Superbakterien für den kritischen Biologen Mário Moscatelli nur eine logische Folge des Versagens der brasilianischen Behörden:
    "Ich bin erst letzten Samstag erst über den Yachthafen geflogen, wo die olympischen Segler in die Bucht einschiffen werden. Eine Millionen-Baustelle der Wasserbehörde hat den Hafen völlig mit Abwasser verschmutzt. Es fehlt in Brasilien nicht an finanziellen Mitteln, es fehlt an Kompetenz und an Strafverfolgung."
    Tausende Liter Schmutzwasser pro Sekunde
    Dabei war die Reinigung der Guanabara-Bucht und der Flüsse und Seen von Rio de Janeiro das wichtigste Umweltversprechen der Olympischen Spiele an die Stadt unter dem Zuckerhut. Doch das haben die Organisatoren mit Verweis auf die Finanzkrise komplett aufgegeben. Weiterhin landen laut Schätzungen allein in der Bucht täglich 100 Tonnen Abfall und pro Sekunde etwa 8.000 Liter ungereinigtes Abwasser.
    "Der Idiot war ich", sagt Mário Moscatelli. "Ich habe geglaubt, dass sich mit Olympia diesmal tatsächlich etwas ändern würde in Rio de Janeiro. Dass die Verantwortlichen tatsächlich etwas tun würden. Aber nein. So bleibt uns als Erbe von Olympia: Fäkalien, faule Seen und eine Bucht voller Müll!"
    Ermittlungen gegen Wasserbehörde
    In dem letzten 20 Jahren sind umgerechnet 2,6 Milliarden Euro in die Reinigung der Flüsse und der Guanabara-Bucht geflossen. Moscatelli sagt: fast ohne Effekt. Die Zahl der toten Zuflüsse habe sich sogar von 47 auf 49 erhöht. Jetzt bestätigte Brasiliens Bundesstaatsanwaltschaft, gegen die für die Reinigung zuständige staatliche Wasserbehörde zu ermitteln.
    Der Strand von Botafogo ist der am stärksten verschmutzte Stand von Rio de Janeiro. Dort hat die Wissenschaftlerin Renata Picão von der staatlichen Universität UFRJ den höchsten Wert an KPC-Bakterien gefunden, zehn von zehn Proben waren positiv.
    Der Strand von Botafogo ist der am stärksten verschmutzte Stand von Rio de Janeiro. Dort hat die Wissenschaftlerin Renata Picão von der staatlichen Universität UFRJ den höchsten Wert an KPC-Bakterien gefunden, zehn von zehn Proben waren positiv. (Mário Moscatelli)
    Ein Sprecher des Olympia-Organisationskomitees Rio 2016 sagte dem Deutschlandfunk, man vertraue auf das Urteil der Umweltbehörde Inea. Zudem führe man regelmäßig und erfolgreich Wassertests nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO durch. Zu den Beschwerden zahlreicher Sportler über die Wasserqualität in den vergangenen Monaten während Testevents wollte sich der Sprecher aber nicht äußern.