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Olympia 2024
Olympiabewerbung als Trotzreaktion

Der genaue Gegner steht noch nicht fest, doch die deutschen Olympiakandidaten Berlin und Hamburg haben einen weiteren Kontrahenten hinzubekommen. Überraschend hat Rom die Bewerbung um die Sommerspiele 2024 bekannt gegeben.

Von Tilmann Kleinjung | 20.12.2014
    Die Olympischen Ringe
    Die Olympischen Ringe (picture alliance / dpa / Martial Trezzini)
    Segeln vor Sardinien, Volleyball in Florenz, Leichtathletik in Rom. Italien träumt von Olympia 2024. Kritik an der Bewerbung um das Millionenprojekt hört man kaum. Die Olympiabewerbung scheint Balsam für die krisengeplagten Seelen der Italiener zu sein. Cristina Giachi, Vizebürgermeisterin von Florenz:
    "Mit diesem Ziel kündigt sich eine ganz andere Zukunft des Landes an. Ich finde es außerordentlich, dass uns die Regierung ermutigt an unser Land zu glauben."
    Um Olympische Spiele in Rom und Italien durchzuführen, müssen Millionen in Infrastruktur und Spielstätten investiert werden. Das könnte eine Chance sein für ein Land und eine Stadt, die in vielen Bereichen von der europäischen Entwicklung abgekoppelt erscheinen. Nur ein Beispiel: die Metropole, die Weltstadt Rom, verfügt gerade mal über zweieinhalb U-Bahnlinien. Italiens Premier Matteo Renzi erwartet sich von seinen Landsleuten bei dieser Bewerbung eine Trotzreaktion: "Trotz Krise schaffen wir das."
    "Möglicherweise verlieren wir. Es ist aber inakzeptabel, dass wir verzagt von vornherein auf das Spiel verzichten, es gar nicht probieren. Italien erfüllt alle Voraussetzungen, die Goldmedaille zu gewinnen."
    Renzis Vorvorgänger Mario Monti sah das vor drei Jahren noch anders, er hatte eine Bewerbung um die Spiele 2020 im letzten Moment gestoppt. Seine Regierung könne angesichts der schwierigen Haushaltslage des Landes die mit einer Kandidatur verbundene finanzielle Verpflichtung nicht eingehen.
    "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es unverantwortlich wäre, in der aktuellen Lage Italiens, die für eine Bewerbung notwendigen finanziellen Garantien zu geben."
    An der aktuellen Lage Italiens hat sich seitdem praktisch nichts geändert. Die Staatsschulden drohen dem Land über den Kopf zu wachsen, die Wirtschaft steckt tief in der Rezession. Dazu kommen Korruption und Misswirtschaft bei allen öffentlich finanzierten Großprojekten, sei es bei der Weltausstellung 2015 in Mailand oder beim Staudammprojekt MOSE in Venedig. Aktuell wird die Hauptstadt Rom von einem Schmiergeldskandal bislang unbekannten Ausmaßes erschüttert. Organisierte Kriminalität und eine korrupte Stadt Verwaltung haben sich gemeinsam bereichert, zum Schaden des Steuerzahlers. Millionensummen flossen bei der der Müllabfuhr, bei Baumaßnahmen, bei der Betreuung von Flüchtlingen. Raffaele Cantone, Italiens oberster Korruptionsbekämpfer, spricht von einer neuen Dimension.
    "Das ist eine ziemlich beunruhigende Angelegenheit. Die Bandbreite ist besorgniserregend, denn hier kommen Leute aus dem organisierten Verbrechen, aus den Institutionen, den Parteien, den Behörden und Unternehmer zusammen. Es hat sich eine örtliche Organisation gebildet, die nicht mit einer typischen Mafia-, Camorra oder N'drangheta-Organisation verglichen werden kann, die allerdings überdieselben Einschüchterungsmethoden verfügt."
    Der Zeitpunkt für eine Bewerbung könnte also kaum ungünstiger sein. Noch bevor Roms Wettlauf um Olympia 2024 richtig gestartet ist, steht er schon unter einem schlechten Stern.