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Olympia 2024 und 2028
Verstecken hinter der Doppelvergabe?

In Lima werden die Ausrichterstädte für die Sommerspiele 2024 und 2028 gekürt - schon seit Monaten stehen Paris und Los Angeles dafür fest. Das IOC hofft, eine "neue Ära" einzuläuten - inmitten jüngster Korruptionsvorwürfe und Dopingskandale gibt es aber Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Aufbruchs.

Marina Schweizer im Gespräch mit Silvia Engels | 13.09.2017
    IOC-Präsident Thomas Bach (Mitte) mit Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles, und Anne Hidalog, Bürgermeisterin von Paris
    IOC-Präsident Thomas Bach (Mitte) mit Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles, und Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris (picture alliance/ dpa)
    Silvia Engels: Was wird in Lima heute überhaupt passieren bei dieser Vollversammlung?
    Marina Schweizer: Es wird nur vollzogen was ohnehin seit Monaten feststeht: Paris wird die Spiele 2024 austragen und Los Angeles dann 2028 zum Zuge kommen. Daran wird heute nicht mehr gerüttelt. Da sind sich alle Mitverantwortlichen einig, die in den letzten Tagen in Lima dazu befragt wurden. Die beiden Bewerberstädte bekommen nochmals je knapp eine halbe Stunde lang zu präsentieren und dann kommt die Abstimmung und die Ratifizierung. Das Ganze gegen 20 Uhr unserer Zeit.
    Die Stadt Los Angeles hatte sich ja auf den Deal eingelassen: Die Spiele kommen zwar erst 2028 in die USA, dafür bekommen die Kalifornier aber eine dicke Finanzspritze vom IOC – rund 200 Millionen Vorschuss und ein Batzen von zwei Milliarden Dollar.
    Engels: Warum macht das das IOC?
    Schweizer: Also der Erzählstrang des IOC ist die vielmals zitierte Win-Win-Win-Situation. Von der nur jeder: Die Städte und das IOC profitieren könnten – so sagt es der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach: "Wo wir eine goldene Gelegenheit haben. Weil wir zwei der stärksten olympischen Länder haben und aus meiner Sicht weil man sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen darf."
    Es ist auch eine Gelegenheit für das IOC, vermeintlich positive Schlagzeilen zu generieren und sich Luft zu verschaffen. Mitten in einer Zeit in der sein Premiumprodukt Olympia ein Ladenhüter geworden ist - Paris und LA waren ja nicht zufällig die beiden einzigen Bewerber. Hamburg, Boston, Budapest und Rom waren zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgesprungen.
    Die zuletzt abschreckenden Beispiele machen an vielen Orten Olympische Spiele inzwischen unvermittelbar. Zur Erinnerung: Die Ausrichterstadt der Sommerspiele 2016, Rio, ist heute pleite, Sotschi 2014 gilt nach wie vor als Sinnbild des olympischen Gigantismus mit seinen 50 Milliarden Kosten und es ist schon jetzt klar, dass auch für Tokio 2020 die Kosten explodieren.
    Engels: Die letzten Spiele waren überschattet vom Dopingskandal um Russland, jetzt geht die Justiz dem Verdacht nach, dass die Spiele in Rio gekauft waren. Sind diese Skandale in Lima ein Thema?
    Schweizer: Ja, sie sind ein Thema, vor allem die Affäre um einen vermeintlichen Stimmenkauf vor der Vergabe der Rio-Spiele – die legt einen Schatten über diese Hochglanzveranstaltung. Bei einer Pressekonferenz in Lima ging es 45 Minuten lang um Rio – nicht die Vergabe, kritische Journalisten fragten nach – die Taktik des IOC scheint aber tatsächlich Aussitzen zu sein:
    Man wolle erst einmal Auskunft von der brasilianischen Justiz – sagte er Thomas Bach: "Wenn Beweise vorgelegt werden, werden wir handeln".
    Und was den Doping-Skandal in Russland angeht: Noch steht ja eine Entscheidung zu russischen Athleten bei den Winterspielen in Pyeoungchang aus – auch da drohen Negativschlagzeilen.
    Vorsorglich wird die Doppelvergabe als großer Erfolg verkauft – man spricht von einem reformierten IOC, man möchte sich lieber auf die Zukunft konzentrieren, verbal wird da vielfach die "neue Ära" eingeläutet.