Freitag, 19. April 2024

Archiv


Olympiade mit Handicap

Anfang Oktober stimmt das Internationale Olympische Komitee darüber ab, ob Golf ins Programm aufgenommen wird. Viele Anzeichen sprechen dafür. Die Spitzenspieler wollen mitmachen. Was für einige eine Frage der Ehre ist, sehen andere als PR-Plattform.

Von Jürgen Kalwa | 26.09.2009
    Vor ein paar Tagen lag bei einem der wichtigsten Golfturniere der Welt ein ganz besonderes Thema in der Luft, an das man in diesen Kreisen normalerweise keinen Gedanken verschwendet: Man sprach über Olympia. Der Grund für das Interesse hatte mit dem Ort der Veranstaltung zu tun. Die BMW Championship, ein Playoff-Turnier, bei dem 70 der besten Spieler der Welt um ein Preisgeld von umgerechnet mehr als fünf Millionen Euro kämpfen, fand vor den Toren von Chicago statt. Da sich die Metropole bekanntlich um die Austragung der Sommerspiele 2016 bewirbt und Golf beste Chancen hat, ins olympische Programm aufgenommen zu werden, malten sich viele bereits aus, wie das wäre, wenn am gleichen Platz in Cog Hill, in sieben Jahren das erste olympische Golfturnier stattfinden würde.

    Die Idee wird von Spitzenspielern aus aller Welt unterstützt. Wobei die Begeisterung bei den meisten so klingt, als habe ihnen jemand ein Script geschrieben. Ian Poulter aus England, im letzten Jahr Zweiter der British Open:

    ""Das wäre spannend. Und es wäre eine Ehre, für sein Land zu spielen.”"

    Rory Sabbatini aus Südafrika, der seine Karriere in den USA verfolgt:

    "”Das ist phantastisch, dass Golf dazukommt. Es ist eine großartige Sportart. Das wird dem Ganzen eine neue Dimension geben.”"

    So ähnlich formulierte es auch der Südkoreaner Yong-un Yang, im August Gewinner der PGA Championship und Repräsentant eines Landes, das bei den Frauen Weltklassegolfer wie vom Fließband produziert:

    "”Die Sportart gibt es schon seit langem. Also ist daran nichts unnatürlich, wenn sie ausgewählt wird. Das würde von jedem in der Golfergemeinde gutgeheißen. Und jeder, auch die PGA Tour würde es als etwas Positives für die Spiele ansehen. Ich denke und ich hoffe und ich wünsche mir, dass es zu einem Teil der Olympischen Spiele wird.”"

    Auch Tiger Woods hat seinen Segen gegeben. Was die Funktionäre des IOC sicher sehr freut. Denn in sieben Jahren wird der berühmteste Sportler der Welt noch immer stark genug sein, um im Kampf um die Medaillen mitzureden. Seine Mitwirkung wäre vermutlich die Attraktion der Spiele von 2016. Doch der Weltranglistenerste legt zumindest auf eine Sache wert: Wenn schon, dann sollte das Turnier auf einem Platz wie Cog Hill, dem Austragungsort der letzten BMW Championship in Chicago, stattfinden. Hier kann nämlich jeder Amateurgolfer für vergleichsweise moderate 100 Euro Green Fee spielen:

    "”Das kann man nicht in einem privaten Club durchführen. Das liegt schon an der Natur der Sache und daran, um was es bei den Olympischen Spielen geht.”"

    Die Sportart hat alles, was das IOC braucht: Berühmte Namen, ein großes Fernsehpublikum weltweit und ein Umfeld an hochkarätigen Sponsoren – darunter die großen Sportausrüster Nike und Adidas. Aber vieles ist noch ungeklärt, auch wenn die Funktionäre bereits ein Turnier für Männer und Frauen mit maximal 60 Teilnehmern entworfen haben, an dem aufgrund eines ungewöhnlichen Qualifikationsmodus die Topspieler genauso teilnehmen sollen wie eine Reihe von Nobodys aus insgesamt mehr als 20 Ländern. Offen sind zum Beispiel fragen wie: Werden die Golfer wirklich ähnlich wie die Tennisprofis aufs Preisgeld verzichten? Wenn ja, wer bezahlt die Caddies, ohne die Profis nun mal nicht arbeiten? Was ist mit den Dopingbestimmungen? Und nicht zuletzt: Welche Konzessionen an die Termingestaltung wird es angesichts eines bereits vollgepackten Turnierkalenders geben müssen?

    Die mangelnde Bereitschaft, vorab über das kleine Einmaleins des modernen kommerziellen Sports nachzudenken, ist typisch für das Imagebewusstsein, mit dem die Sportart auftritt. So werden auch die durch die Bankenkrise verursachten aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten von den Verantwortlichen am liebsten klein geredet.

    Auf diese Weise bringt die Zunft seit Jahren das Kunststück fertig, eine Vielzahl von nicht besonders pflegeleichten notorischen Einzelgängern mit hohen Einkommenserwartungen unter einen Hut zu bekommen. Kaum eine Sportart dürfte so verwöhnt sein und so viele Privilegien genießen. Der Engländer Ian Poulter etwa, berühmt für seine grellen Hosen und seine in alle Richtungen hochgegelten Haare, durfte mit ein paar Kollegen in Chicago auf einer Rennstrecke neue X6M-Modelle von Turniersponsor BMW testen und genoss den Renn-Spaß doppelt. So lud er am gleichen Abend bis weit nach Mitternacht vom Hotelzimmer aus die bei der rasanten Fahrt gedrehten Videos ins Internet hoch.

    Dass sich das nervenkitzelige Ablenkungsprogramm am Ende nicht gut auf die Leistungen auf dem Golfplatz auswirkte, schien Poulter nicht zu stören. Hauptsache die PR in eigener Sache funktioniert. Und das tut sie. Die Zahl seiner Twitter-Fans, die in Chicago noch bei etwas mehr als 500.000 lag, stieg inzwischen auf über 600.000.