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Olympische Trendsportart 3x3-Basketball
Hip um jeden Preis?

Die deutsche 3x3-Basketball-Nationalmannschaft der Frauen hat noch die Chance, sich für die olympische Premiere ihrer jungen Trendsportart zu qualifizieren. Die Sportart ist schnell, actionreich, urban und lässt sich gut vermarkten - und passt damit genau ins IOC-Konzept.

Von Mathias von Lieben | 23.05.2021
Lachende Basketballerinnen auf dem Feld
Beim 3x3-Basketball hat die deutsche National-Team-Kapitänin Svenja Brunckhorst (Mitte) nur zwei statt vier Mitspielerinnen. Gespielt wird nur auf einen Korb. (IMAGO / Golovanov + Kivrin)
Es ist keine Überraschung, dass sich die deutsche 3x3-Basketball-Nationalmannschaft der Frauen noch für die olympische Premiere ihrer Sportart qualifizieren kann. Der Deutsche Basketball Bund hat die Sportart in den vergangenen Jahren stetig gefördert.
Seit 2013 organisiert der DBB eine 3x3-Meisterschaft - und Anfang Juni, sagt DBB-Vize-Präsident Armin Andres, wird in Berlin erstmals auch ein Pokal ausgespielt. "Wir sind natürlich orientiert daran, dass diese Sportart sich weiterentwickelt. Und 3x3 wird sich in der Zukunft ja auch so entwickeln, dass das spezialisiert wird, wie Beachvolleyball. Generell ist das eine eigene Entwicklung und da sind wir dabei."
Ein weiterer Meilenstein für diese Entwicklung war die Eröffnung des ersten 3x3-Bundesstützpunktes in Hannover Anfang des Jahres. Neben dem Frauen-Nationalteam trainieren dort auch die männliche und weibliche U17-Nationalmannschaft.

Mehr Förderung für 3x3, weniger für 5x5?

Finanziell gefördert werden Kapitänin Svenja Brunckhorst und drei weitere Auswahlspielerinnen zunächst elf Monate lang über die Spitzensportförderung der Bundeswehr – auch wegen der olympischen Perspektive: "Es wäre glaube ich fatal, wenn man jetzt nicht in 3x3 investieren würde, wo wir jetzt im Damenbereich eine Chance auf Olympia haben. Wenn wir uns gut stellen bei dem Turnier, wird es den Fokus auf Basketball legen."
Doch: Profitiert der gesamte Basketball tatsächlich von dieser Entwicklung? Oder wird die Kernsportart durch solche neuen Spielformen ausgehöhlt? Eine Frage, die sich auch Stephanie Wagner stellt, Aktivensprecherin für den weiblichen Bereich beim DBB: "Man kann davon profitieren. Es kann aber auch sein, dass zu viel dann auch dem 3x3 gewidmet wird. Bei 3x3, da gibt’s nen Plan, ein Programm und da wird gemacht. Und 5x5 hängt so ein bisschen in der Luft."
Das liege zwar auch am ausbleibenden Erfolg der klassischen Frauen-Basketball-Nationalmannschaft, die sich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifizieren konnte. Doch Wagner glaubt aktuell eine grundlegende Tendenz zu erkennen: "Dass einige Spielerinnen bei der Bundeswehr angestellt sind und nur 3x3 spielen, zeigt schon, dass es eine kleine Eigenständigkeit bekommt und man da Spielerinnen vielleicht abwirbt und die sich eher auf 3x3 fokussieren."

3x3 ist prädestiniert für eine hippe Inszenierung

Das ist längst Realität: 3x3-National-Team-Kapitänin Svenja Brunckhorst hat im Januar ihren langjährigen Bundesliga-Verein TSV Wasserburg verlassen, um sich voll und ganz dem 3x3-Basketball zu widmen. Neben der Lust auf etwas Neues und der besseren sportlichen Perspektive dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Gehälter in der Frauen-Basketball-Bundesliga teilweise unter 1.000 Euro pro Monat liegen.
Die Entscheidung, die Liga zu verlassen, fällt leichter als in der lukrativeren Herren-Bundesliga. Trotzdem sagt DBB-Vize-Armin Andres: "Ich glaube, dass sich das parallel entwickelt. Natürlich durch die neuen Medien lässt sich 3x3 wesentlich besser vermarkten, wesentlich jüngere Sponsoren akquirieren. Aber ich glaube nicht, dass das 5x5 verdrängt."
Der Spielmodus ist jedenfalls prädestiniert für eine hippe Inszenierung – ähnlich wie beim Beachvolleyball: Das 3x3-Spielfeld ist nur halb so groß wie ein klassisches, die zwei dreiköpfigen Teams werfen auf nur einen Korb, die Spielzeit beträgt maximal zehn Minuten. Bei 21 Punkten hat ein Team das Spiel vorzeitig gewonnen. Und: Am Spielfeldrand sorgen ein Live-Kommentator und DJs für Festival-Atmosphäre.
DBB-Disziplinchef Matthias Weber findet es nur folgerichtig, dass das jetzt auch bei Olympia zu sehen sein wird: "Weil wir können ja nicht alle Sportveranstaltungen nur für die Generation 60+ machen, die die Sportarten anschaut, die es schon immer gibt. Nichts gegen diesen Kanon aber ich glaube, Sport darf sich verändern. Und auch die Disziplinen. Und dann finde ich es auch sehr klug, Mannschaftssportarten auch ein bisschen mehr als Event darzustellen."

Actionreiche Sportarten bieten bessere Vermarktungsmöglichkeiten

Vom hipperen Image will auch das oft verstaubt wirkende IOC profitieren, sagt Christoph Breuer, Sportökonom von der Sporthochschule Köln. Image-Steigerung sei dabei aber nur ein Argument. "Aus meiner Sicht stehen ganz klar Vermarktungsabwägungen im Vordergrund der Entscheidungen. Das Olympische Komitee finanziert sich maßgeblich über die TV-Vermarktung der Olympischen Spiele insbesondere in den USA. Und wenn die Sender dort nicht mehr dran interessiert sind, die Olympischen Spiele einzukaufen, hat das IOC ein Finanzierungsproblem."
Actionreiche, hippe Sportarten wie 3x3-Basketball, sagt Sportökonom Breuer, könnten das gewünschte PR-Narrativ eines Sponsors oft noch besser transportieren – und so die Bereitschaft zum Sponsoring steigern. "Die Frage ist natürlich, ob eine Organisation, die eigentlich nicht Vermarktungsziele auf der obersten Ebene der eigenen Agenda haben sollte, ob es das Haupt-Entscheidungskriterium für so eine Organisation sein sollte."
Das IOC selbst schreibt auf Deutschlandfunk-Anfrage: Trend-Sportarten wie 3x3-Basketball würden eingeführt, um den neuen Entwicklungen im Sport gerecht zu werden – gerade bei der jungen Generation. Sport müsse dort stattfinden, wo die Jugend sei. Ein weiterer Grund: Man wolle Ausrichtern die Gelegenheit geben, mehr Event-basierte Sportarten in ihr Programm aufzunehmen. Die Integration von Trendsportarten wie 3x3-Basketball dürfte zukünftig aber eher noch vertieft werden.