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Onlinehandel versus Einzelhandel
Mehr Sofa statt City

Licht und Schatten liegen im deutschen Einzelhandel derzeit nahe beieinander: Die Kauflaune der Verbraucher ist zwar gut - doch während der Siegeszug des Onlinehandels ungebrochen ist, geraten Läden in den Innenstädten teilweise dramatisch unter Druck.

Von Jörg Marksteiner | 20.09.2018
    Von oben sind mehrere Menschen auf einer Einkaufsstraße zu sehen, darunter zwei modisch gekleidete, junge Frauen mit Einkaufstüten in der Hand - aufgenommen am 26.05.2017 in Berlin im Stadtteil Steglitz.
    Statt Innenstadt - Sofa. Mehr und mehr Kunden verzichten aufs Shoppen in der City und bestellen Waren lieber im Netz. (dpa / Wolfram Steinberg)
    Die Shoppinglaune der Kunden - sie ist noch immer da. 523 Milliarden Euro werden in diesem Jahr beim Einkaufen ausgegeben - so viel wie nie zuvor. Das Problem ist nur: Nicht alle Geschäfte profitieren davon.
    Fast jeder zweite Laden unzufrieden
    Der Handelsverband hat 1.000 Betriebe befragt. Und das Ergebnis ist sehr deutlich: "Die Innenstadtlagen sind stärker unter Druck und das wird hier bei dieser Umfrage wirklich sehr deutlich, dass 49 Prozent unserer Händler in den Innenstädten sagen, dass sich die Geschäftslage verschlechtert hat." 49 Prozent - fast jeder zweite Laden in den Fußgängerzonen ist unzufrieden, sagt Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland.
    Während das Geschäft bei den Onlinehändlern boomt und auch große Filialketten recht zufrieden sind, machen sich immer mehr kleine Fachgeschäfte, Läden und Boutiquen Sorgen. Denn im Moment lautet der Trend: Groß gewinnt, klein verliert. "Diese Schere, das muss man schon sehr ernst nehmen, geht im Einzelhandel hier auseinander. Fast 90 Prozent der Betriebe im Einzelhandel sind solche kleinen Betriebe mit weniger als fünf Beschäftigten, die natürlich davon dann eher betroffen sind."
    Kunden schätzen kleine Lädchen
    Genau die, sagen viele Kunden, machen aber das Flair einer Innenstadt aus. "Vor allen Dingen die 'guten', alten Geschäfte."
    "Ich glaube, das ist wichtig, dass man den Menschen auch originelle Läden bietet, weil wir brauchen nicht den 23. Drogeriemarkt." - "Also wenn man sich das hier anguckt, finde ich das schon, dieses Aussterben von einigen Traditionsläden."
    Betroffen sind vor allem Elektrogeschäfte, Modeläden und Anbieter von Deko-Artikeln, Schuhen und Spielwaren. Zufall oder nicht: Gerade bei diesen Artikeln ist der Onlinehandel besonders stark. Zwar haben, zumindest laut Umfrage, inzwischen 40 Prozent der Geschäfte auch Online-Shops oder verkaufen über Marktplätze - 60 Prozent tun dies aber nicht. Sie sind auf Besucher in den Läden angewiesen.
    Heißer Sommer schädlich für stationäre Geschäfte
    Das haben sie in diesem Jahr besonders gespürt. "Natürlich ist dieser Sommer, so schön er ist, aber auch extrem. Wenn Sie Anfang August morgens um 10.30 Uhr schon 38 Grad hatten, dann ist der Einkaufsbummel in der Innenstadt möglicherwiese nicht so das, was man an dem Tag unbedingt sich vornimmt."
    So etwas beschleunigt zusätzlich den Strukturwandel, der sich im Handel gerade vollzieht. Rechnet man Klein- und Großbetriebe zusammen, dann erwarten die Läden in diesem Jahr ein Umsatzplus von etwas mehr als einem Prozent. Der Onlinehandel aber wächst um zehn Prozent. Das bedeutet: Immer größere Umsatzanteile verschieben sich ins Netz.
    Städte haben das Problem erkannt
    Wenn aber vor allem Internetversender und stationäre Großfilialketten gewinnen, wird das die Innenstädte verändern. Sorgen macht sich HDE-Mann Genth vor allem um Nebenzentren der großen Citys und um mittelgroße Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern. Er sieht aber auch Grund zur Hoffnung: "So desolat sind unsere Innenstädte nicht, Gott sei Dank, wie man das vielleicht so sagt." Uumal das Problem in vielen Rathäusern inzwischen erkannt wird.
    Auch die Fusion der Warenhausriesen Karstadt und Kaufhof könnte Gutes bewirken, wenn an einzelnen Standorten neu investiert und das Umfeld somit insgesamt aufgewertet wird: "Auf der anderen Seite sehe ich auch eine Entwicklung bei den Mieten, dass viele Vermieter mittlerweile sehen, dass man vernünftige Mieten ansetzen muss und an einigen Standorten auch überzogen wurde. Und jetzt teilweise auch die Mietniveaus zurückgefahren werden, um dem Handel die Luft zu lassen". Und auch das sei eine gute Nachricht: Trotz aller Probleme wollen derzeit 80 Prozent aller Geschäfte ihre Mitarbeiterzahlen in diesem Jahr stabil halten.