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Opel verliert (s)ein Gesicht

Für viele ist er das Gesicht von Opel: Betriebsratschef Klaus Franz, zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der General Motors-Tochter hat überraschend seinen Rückzug aus dem Unternehmen zum Jahresende bekannt gegeben - und das in einer Phase, in der Opel mitten in langwierigen Sanierungsarbeiten steckt.

Von Michael Braun | 22.11.2011
    Nur Freiheit führt zu unabhängiger Meinung. Klaus Franz bezog seine Freiheit, über Opel zu reden und zu denken, wie er es für richtig hielt, aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Das machte ihn, den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates, frei von den Zügeln, die General Motors seinen angestellten Managern bei Opel angelegt hatte. Sie konnten nur im Hintergrundgespräch schimpfen, dass GM einst die konzernweite Kompetenz für Dieselmotoren an eine kleine Tochter nach Japan verlegte. Und so den Dieselboom in Europa an sich vorbeiziehen ließ. Deutsche Opel-Manager rauften sich die Haare. Aussprechen, was sie in Rüsselsheim von der großen Mutter aus Amerika hielten, konnte nur Klaus Franz:

    "Wir als Beschäftigte können seit 81 Jahren ein Lied davon singen, was es bedeutet, unter der Fuchtel von General Motors zu stehen. Leider gab es keine wirtschaftliche Mitbestimmung, um diesen Zustand zu ändern."

    So Franz auf einer der zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen des Jahres 2010. 37 Jahre hat der kleine Mann mit dem Schnauzbart bei Opel gearbeitet, obwohl er in der schwäbischen Heimat durchaus auch Beschäftigung in der Branche gefunden hätte. Er begann aber bei Opel, 1975 als Lackierer. Sechs Jahre später wurde er erstmals in den Betriebsrat gewählt. Seit Juli 2000 führte er auch den Konzern- und Gesamtbetriebsrat, seit Januar 2003 saß er als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat.

    Das Gezerre von vor zwei Jahren um einen Verkauf von Opel - den wirklichen an den kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna oder den scheinbaren an einen Finanzinvestor im Dienste der Mutter GM – dieses Gezerre ging schließlich so aus, dass GM auch ohne staatliche Bürgschaften plötzlich Geld genug hatte, um Opel zu behalten. Es war Franz, der wieder einmal mehr den Opel-Chef spielte als die Unternehmensvorstände. Franz verhandelte hart darum, für jede Sparmaßnahme eine Investitionszusage zu bekommen, auch für das immer noch bedrohte Werk in Bochum, das weiter den Minivan Zafira, bei hoher Nachfrage auch den Astra und dazu einige Getriebe bauen darf. Doch das reichte ihm nicht. Franz wollte auch von der Opel GmbH zurück zur Adam Opel AG:

    "Viele unserer Beschäftigten haben immer noch einen Zungenholperer mit der GmbH. Deshalb werden sie in Zukunft wieder Adam Opel AG sagen können. Es ist auch ein Garant für Transparenz und ein hohes Maß an Autonomie im General Motors-Konzern."

    Ob die Veröffentlichungspflichten einer AG ausreichen, um GMs Absichten mit Opel zu offenbaren, darf aber bezweifelt werden. Die Gerüchte wollen nicht verstummen, GM wolle Opel doch noch loswerden. Analysten verstehen das. Opel verkaufe ähnlich viele Autos wie BMW, aber im Schnitt nur zur Hälfte des BMW-Preises. Und der Konkurrent VW produziere in Deutschland doppelt so viele Autos wie Opel. Wie wolle Opel jemals seine Kosten decken können? Geht Franz mit 60 Jahren, weil er einem Kampf ausweichen will, den er nicht gewinnen kann? Den Durchblick hätte er. Aber sagen würde er das nie.