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Oper auf der Rüttelplatte

Technik. - Nicht nur Fernost, sondern auch etwa Italien hat regelmäßig unter Erdstößen zu leiden. Um zukünftig besser gewappnet zu sein, unterhält die Universität von Pavia einen Erdbebensimulator. Auf ihm werden Häusermodelle auf ihre Sicherheit geprüft.

Von Thomas Migge | 10.10.2005
    Sie wird einfach nur Piastra genannt - die Platte. Auf ihr steht ein Fertighaus, allerdings ein kleines im Maßstab eins zu drei. Auf Knopfdruck beginnt die Platte mit ihren Bewegungen. Das Häuschen ist fest auf der Platte verankert, kann also nicht verrutschen. Es quietscht und knarrt, aber das kleine Modell fällt nicht auseinander. Selbst als ein Wert von 7 auf der Richter-Skala erreicht wird - ein Wert, bei dem viele traditionelle Gebäude in sich zusammen fallen, bleibt das Minihaus stehen - nicht eine einzige der Dachpfannen fällt herunter. Nur eine Scheibe, die der Küche, zerbricht. Antonio Calvi, Projektleiter am europäischen Erdbebenforschungszentrum im norditalienischen Pavia, ist hoch zufrieden:

    "Auch wenn bei uns in Italien Erdbeben von einer Stärke von 7 auf der Richter-Skala selten sind, bin ich davon überzeugt, dass sie getestet werden müssen, denn die afrikanische Erdplatte schiebt sich immer weiter unter die eurasische. Und irgendwann einmal wird es deshalb auch bei uns immer stärkere Beben geben. Italien ist immer noch ein Land, in dem selbst noch Neubauten ohne Rücksicht auf mögliche Beben errichtet werden."

    Antonio Calvi hat in diesen Tagen am europäischen Erdbebenzentrum die größte und modernste Plattform zur Erforschung von Beben in Betrieb genommen. Dieses neue Testgerät zur Erforschung der Folgen seismischer Bewegungen besteht aus einer 204 Quadratmeter großen und 2,40 Meter dicken Stahlbetonplattform. Sie kann ein maximales Gewicht von 70 Tonnen tragen. Dass heißt auf ihr können nicht nur komplett eingerichtete Räume, sondern auch kleinere Gebäude errichtet werden. Sogar Rekonstruktionen von Hochhäusern oder Konzerthallen in verkleinertem Maßstab lassen sich darauf auf ihre Erdbebentauglichkeit überprüfen. Die Plattform liegt auf einem System von computergesteuerten Kolben, die für die unterschiedlich starken Bewegungen sorgen. Antonio Calvi:

    "Die Zeiten haben sich geändert, und deshalb sind wir nicht mehr davon überzeugt, dass sich eine Erdbebentestplattform nach allen vier Seiten senken und heben muss. Die meisten schweren Erdbeben führen zum Heben und Senken des gesamten Erdbodens, und nicht dazu, dass ein Teil des Bodens blitzartig aufsteigt oder in ein Loch stürzt. Wir haben deshalb die anfängliche Idee eines seitlichen Senk- und Hebemechanismus aufgegeben. "

    Die Stahlbetonplattform wird mit verschiedenen Pumpen in Bewegung gesetzt. Der Mechanismus funktioniert wie bei einer Hebebühne. Die Plattform befindet sich in einer so großen Halle, dass zwischen den an einem Computerboard sitzenden Wissenschaftler und den zu testenden Gebäuden oder sonstigen Gegenständen keine Trennwand steht. Die Erdbebenforscher geben in ihren Computer die zu testende seismische Stärke ein und die Plattform setzt sich in Bewegung. Das Geschehen wird von unterschiedlich positionierten Kameras aufgenommen und später analysiert. Auf diese Weise sollen Materialien ermittelt werden, die auch schweren Erdbeben standhalten. Der Teststand in Pavia soll aber auch herausfinden, worauf man beim Einrichten von Wohnungen in Erdbebengebieten - und Italien ist zu mindestens einem Drittel seines Territoriums derart gefährdet - achten sollte. Dazu Calvi:

    "Viele Menschen in diesen Gebieten fragen immer wieder, worauf sie achten müssen, damit sie im Fall des Falles nicht von umstürzenden und herab fallenden Gegenständen verletzt werden. So testen wir auch klassische Wohnzimmereinrichtungen. Bei mittleren Beben kommen Menschen weniger durch einstürzende Decken zu Schaden als durch umfallende Regalwände und von Schränken fallende Fernseher. "

    So sollen Einrichtungsrichtlinien für den Katastrophenschutz erstellt werden. Calvi und seine Kollegen hoffen, dass die von ihnen ermittelten Testergebnisse auch dazu führen werden, dass die Regierung in Rom präzise Baugesetze für Erdbeben gefährdete Gebiete erlässt.