Donnerstag, 28. März 2024

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Operettenrarität in Hildesheim
Liebevolle und intelligente Hommage an Offenbach

"Die Prinzessin von Trapezunt" war zu Lebzeiten von ihrem Komponisten Jacques Offenbach erfolgreich, heute wird die Operette kaum gespielt. In Hildesheim ist sie nun in einer starken Bearbeitung zu sehen. Schauspieler Max Hopp gibt damit sein gelungenes Regie-Debüt am Musiktheater.

Von Elisabeth Richter | 04.03.2019
    Inszenierung von Offenbachs "Die Prinzessin von Trapezunt" am Theater Theater für Niedersachsen. Auf dem Bild von links: Levente György (Cabriolo), Meike Hartmann (Zanetta), Neele Kramer (Regina), Katharina Schutza (Paola), Jan Rekeszus (Tremolini), vorne: Uwe Tobias Hieronimi (Fürst Kasimir)
    Der Schauspieler Max Hopp gibt mit der Inszenierung sein Regie-Debüt am Musiktheater (Theater für Niedersachsen Hildesheim/Jochen Quast)
    "Ich habe überhaupt nicht den Eindruck dass es eine 'Schenkelklopf-Arie' ist, dass es weit weg ist von dem, was uns heut interessiert, und wir haben natürlich versucht herauszufinden, was interessiert die Leute an diesem Stoff und wie funktioniert heute Unterhaltung?", sagt der aus Fernsehen, Film und Theater bekannte Schauspieler Max Hopp über die heute kaum gespielte Opéra bouffe "Die Prinzessin von Trapezunt" von Jacques Offenbach.
    Radikale Bearbeitung der Offenbach-Operette
    Bei seiner ersten Musiktheater-Regie ist Max Hopp mit der zu Offenbachs Lebzeiten sehr erfolgreichen Operette tatsächlich ein wunderbar unterhaltsamer Abend gelungen. Max Hopp und der Dirigent Adam Benzwi haben Offenbachs Original einer ziemlich radikalen Bearbeitung unterzogen.
    "Was Adam und ich gemacht haben, ist die einzelnen deutschen Fassungen zu vergleichen, ich hab mich auch viel mit Karl Kraus beschäftigt, der die Offenbach-Lesungen gehalten hat, und wir haben selber gedichtet, wo uns die Übersetzungen nicht tief genug erschienen, und haben dann über musikalische Striche gesprochen, die er dann verwirklicht hat, da hab ich zu wenig Ahnung. Wir haben eine gemeinsame Intuition, die sehr schön Hand in Hand geht."
    Musik: Jacques Offenbach, "Die Prinzessin von Trapezunt", Nr. 5 "Achthunderneune"
    "Ich habe eine Figur erfunden, den Conférencier, der ist in der Lage für uns, für das Publikum wichtige Informationen über den Fortgang der Geschichte so zusammenzufassen, dass die Opernsänger nicht genötigt sind jede Szene spielen zu müssen, die vom Textmaterial nicht so ergiebig ist, außer dass man Informationen bekommt. Also vom Unterhaltungswert nicht so ergiebig ist."
    "Prinzessin von Trapezunt" ist eine Art Märchen
    Für diesen von Paul Hentze facettenreich gespielten Conférencier hat Max Hopp exzellente, unterhaltsam-witzige Texte erdichtet. Noch dazu "entpuppte" sich Paul Hentze im wahrsten Sinne des Wortes als brillanter Puppenspieler. In einer hinzugedichteten Zwischenszene philosophiert Jacques Offenbach als Marionette über die Funktion des Theaters, oder bei der Szene der drei sich als Wachsfiguren-Wächter langweilenden Pagen mimte Hentze virtuos alle drei: er selbst in der Mitte, eine Puppe spielte er mit dem rechten, die andere mit dem linken Arm.
    Offenbachs "Prinzessin von Trapezunt" ist eine Art Märchen, die unter anderem die Technik-Begeisterung der Pariser Weltausstellung von 1867 komödiantisch aufgreift. Beim Staubwischen im Wachsfigurenkabinett bricht Zanetta, die Tochter des Schauspieltruppen-Chef Cabriolo der Prinzessin von Trapezunt die Nase ab. Weil Prinz Raphael dem Wachsfigurenkabinett einen Besuch abstatten will, muss Zanetta kurzerhand in das Prinzessinnen-Kostüm schlüpfen, mit dem Ergebnis, dass sich der Prinz unsterblich in die angebliche Wachs-Prinzessin verliebt.
    Mittlerweile hat die Schauspieltruppe auf dem Jahrmarkt den Hauptgewinn aus der Lostrommel gezogen: ein Schloss. Dort erkennen sich Prinz und Prinzessin wieder, der Prinz kann seinen Vater Fürst Kasimir dazu bewegen, die ganze Wachsfiguren-Sammlung zu kaufen. Später, als die Prinzessin wieder zum Leben erwacht ist, will der Vater die nicht standesgemäße Verbindung verhindern, gibt aber nach, als der Sohn ihn erinnert, dass er selbst einst eine Zirkusakrobatin heiratete. Beim Happy End finden nicht nur Zanetta und Prinz Raphael zusammen, sondern auch Tremolini, der Clown und Regina, die Seiltänzerin, Sparadrap, der Prinzenerzieher und Paola, Schwester von Cabriolo. In all der komödiantischen Verwirrung sieht Regisseur Max Hopp in Offenbachs "Prinzessin" ein Stück über die Liebe.
    "Es sind drei Paare, die am Schluss zusammen kommen, und selbst der Fürst, der ein strenger Herrscher ist, wird zum Schluss geläutert. Deswegen sage ich, es ist ein Stück über die Liebe, weil die Kraft der Liebe Standesgrenzen überwinden kann und vor allen Dingen verbinden kann."
    Hommage an das Theater
    Max Hopp zeigt mit Offenbachs "Prinzessin von Trapezunt" eine passionierte Hommage an das Theater. Und das mit wenigen, einfachen Mitteln. Eine Wand in der Mitte stellt mal einen Theatervorhang, mal die Fassade eines Schlosses dar. Bühnenbildnerin und Ausstatterin Caroline Rössle Harper zeigt das pralle Theaterleben mit bunten Commedia-dell’Arte-Kostümen. Der langweilige Müssiggang im Schloss findet in grauen Kostümen statt. Max Hopp hat mit seinem Ensemble ein facettenreiches, turbulentes und kurzweiliges Schauspiel erarbeitet, und den hintergründigen Witz und Humor von Offenbachs Werk wohl dosiert und nur manchmal ein wenig überschäumend, klamaukig zugespitzt.
    Musikalisch lebte die Aufführung von einer sehr homogenen Sänger-Ensemble-Leistung. Adam Benzwi hat in seiner Bearbeitung Offenbachs Orchesterapparat deutlich reduziert und zusätzlich ein Klavier eingeführt, auf dem er selbst die Sänger bei sensiblen Arien begleitete. Mit seinem souveränen und lebendigen Dirigat, das auch die nachdenklich-melancholischen Facetten von Offenbachs Musik auslotete, sorgte Benzwi am Pult der Theater für Niedersachsen-Philharmonie für erfrischende musikalische Kurzweil. Das Theater in Hildesheim erweist mit dieser lohnenden Rarität "Die Prinzessin von Trapezunt" dem Komponisten zu seinem 200. Geburtstag eine ebenso liebevolle wie intelligente Hommage.