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Opernfest für den Nachwuchs

Der Komponist Hans Werner Henze gründete vor 20 Jahren die Münchener Biennale. Dazu lud er den Opernnachwuchs ein. Das mehrwöchige Internationale Festival für neues Musiktheater bewährt sich bis heute als ein Forum junger Talente. Bislang wurden dort 80 Werke das erste Mal einem Publikum vorgestellt.

Von Wolfgang Schreiber | 27.05.2008
    Kritische Beobachter gaben damals dem Festival neuen Musiktheaters in München keine allzu lange Lebenszeit – ein solches Experiment in einer Stadt alter Musiktradition, das erschien exotisch und riskant. Aber da hatten sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht, den Gründer dieser Musiktheater-Biennale, den Komponisten Hans Werner Henze. Der lebte seit Langem in Italien und hatte dort in den 70er Jahren, in der Toskana, Erfahrungen gesammelt mit der Musikanimation ganzer Landstriche. Am 27. Mai 1988 begann er also mit etwas Ähnlichem in der Kulturstadt München. Man war skeptisch-gespannt.

    Schon durch die erste Münchener Biennale wurden einige junge Komponisten bekannt, so die aus Rumänien stammende, in Deutschland lebende Adriana Hölszky. Ihr Opernkrimi "Bremer Freiheit" trat von hier aus den Siegeszug durch die Opernhäuser an – ein schrill-expressives, packend in Musik gesetztes Todesmelodram nach Rainer Werner Fassbinder, seinem Stück über die Bremer Giftmörderin Geesche Gottfried.

    Hans Werner Henze hatte bei der Konzeption der Münchener Biennale, des Workshop-Festivals für neues Musiktheater, vor allem eines im Sinn gehabt: ein generös ausgestattetes Opernfest für den Nachwuchs sollte es sein, für junge Musiker und Theaterkünstler, ein Festival der Uraufführungen, der internationalen - interkulturellen - Offenheit. Henze kümmerte sich selbst um die Künstler, all die Konzepte und neuen Partituren, sogar um organisatorische und finanzielle Details. Und auch nach sechs Jahren war seine Leidenschaft des ersten Moments noch nicht verflogen. Die weltweite Resonanz der Münchener Biennale hatte dem Intendanten und Komponisten Henze längst Recht gegeben.

    Henze im Gespräch, Dez. 1994: " Ein Komponist, einer wie ich – das ist ein kreativer Mensch. Der hat eine Sache angefangen, das ist für ihn ein Werk, für mich ein Kunstwerk. Und ich möchte, dass das so perfekt wird und so wichtig, wie es nur immer in meinen Kräften steht. "

    Die Münchener Biennale zeichnete sich von Anfang an durch Großzügigkeit und künstlerischen Optimismus aus, durch Aufbruchstimmung. Und erstreckte sich in den ersten Jahren jeweils über einen ganzen Monat. Der Opernnachwuchs aus vieler Herren Länder kam und erprobte hier alle möglichen experimentellen Spielarten, stilistischen Haltungen, Klangperspektiven rund ums Musiktheater – junge Komponisten und Librettisten, Dirigenten, Sänger, Regisseure und Bühnenbildner. Ein paar erfahrene Meister des Metiers gaben Hilfestellung, so inszenierte die Regisseurin Ruth Berghaus die biblische Oper "Patmos" von Wolfgang von Schweinitz. Komponisten wie Giorgio Battistelli, Benedict Mason, Jörg Widmann, der Japaner Toshio Hosokawa oder der Chinese Tan Dun tauchten auf. Hans-Jürgen von Bose komponierte seine schräge Oper "Dream Palace".

    Immerhin: Bis heute verdanken 80 Musiktheaterwerke ihre Uraufführung der Münchener Biennale. Die Stadt garantiert wie am Anfang den Bestand des Festivals, sie erteilt die Kompositionsaufträge.

    1996 feierte Hans Werner Henze seinen 70. Geburtstag, er war so klug, als seinen Nachfolger den Komponisten und Musikmanager Peter Ruzicka vorzuschlagen, bis heute Intendant des nunmehr 14-tägigen Festivals im Zwei-Jahres-Rhythmus. Die Münchener Biennale, das Forum jungen Musiktheaters, erscheint fest in der Stadt verankert - im Dialog der Musikkulturen eine Art "Traumpalast".