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Opfer der US-Kommunistenhatz während des Kalten Krieges

Über das Todesurteil vom 5. April 1951 gegen Ethel und Julius Rosenberg wurde jahrzehntelang heftig diskutiert. Für Rechte und Linke waren die Rosenbergs ein Symbol für kommunistische Bedrohung einerseits und für kapitalistisches Unrecht andererseits - ein Beispiel dafür, wie die Politik des Kalten Krieges die Justiz instrumentalisierte.

Von Frank Kempe | 05.04.2011
    August 1949 – die Sowjetunion testet ihre erste eigene Atombombe. In den USA sind Politiker und Militärs entsetzt: Nur durch Spionage, glauben sie, können die Sowjets es geschafft haben, im atomaren Wettrennen so schnell gleichzuziehen. Es ist Kalter Krieg und in den USA ist die McCarthy-Ära angebrochen, benannt nach jenem Senator, der praktisch hinter jeder Ecke einen kommunistischen Spion wittert.

    Verräter seien keine Ehrenmänner, und so müsse man sie auch behandeln. Im Sommer 1950 werden Ethel und Julius Rosenberg verhaftet, ein jüdisches Ehepaar aus New York, bekennende Kommunisten. Julius Rosenberg wird vorgeworfen, als Chef eines sowjetischen Spionagerings die Baupläne für die Atombombe an Moskau verraten zu haben. Seine Frau Ethel habe ihm geholfen. Sie wird ebenfalls in das New Yorker Staatsgefängnis Sing-Sing gesperrt. Beide machen sich in Briefen gegenseitig Mut:

    "All der Schmutz, die Lügen und Verleumdungen dieser grotesken Verschwörung können uns nicht abschrecken, sondern eher noch anspornen, bis unsere Unschuld völlig erwiesen ist."

    Julius Rosenberg, Elektro-Ingenieur, 32 Jahre alt. Aufgewachsen in den jüdischen Armenvierteln der Lower East Side interessiert er sich schon früh für die kommunistische Idee. Ethel lernt er auf einem Gewerkschaftsfest kennen. 1939 heiraten sie. Die beiden Söhne sind zum Zeitpunkt der Verhaftung sieben und drei Jahre alt. Vor allem Ethel leidet unter der Einsamkeit in ihrer Zelle:

    "Ich bin zwischen den grauen Mauern dieses Gebäudes wie in einer Gruft eingeschlossen. Ich bin allein in einem ganzen Gebäude, ausgenommen eine Aufseherin, die mich bewacht."

    Die Beweise sind dünn - dennoch beginnt im Januar 1951 der Prozess. Hauptbelastungszeuge ist David Greenglass – Ethels Bruder, der ebenfalls wegen Spionage angeklagt ist. Als Maschinenschlosser hat er in den Laboratorien des streng geheimen Atombombenprojekts in Los Alamos gearbeitet. Vor Gericht sagt Greenglass aus, sein Schwager Julius Rosenberg habe ihn zur Spionage in Los Alamos angestiftet. Ethel habe davon gewusst und seine handschriftlichen Notizen mit der Schreibmaschine abgetippt.
    Das reicht aus, um Richter Irving Kaufmann von der Schuld der Rosenbergs zu überzeugen, die er ihn direktem Zusammenhang mit dem Ausbruch des Korea-Krieges sieht:

    "Ich halte ihre Verbrechen für schlimmer als Mord. Ich glaube, dass ihr Verhalten, den Russen die Atombombe in die Hand zu geben, die kommunistische Aggression in Korea bewirkt hat. Und als Ergebnis kam es zu über 50.000 Toten. Und wer weiß, wie viele Millionen Unschuldige mehr möglicherweise den Preis ihres Verrates werden zahlen müssen."

    Das Todesurteil am 5. April 1951 löst weltweit Proteststürme aus. Auch Papst Pius der Zwölfte bittet um Gnade für die Rosenbergs. Sie selbst kämpfen zwei Jahre lang aus dem Gefängnis heraus um ihr Leben. Doch eine Revision wird nicht zugelassen. Ethel lehnt es ab, durch ein Geständnis wenigstens für sich eine Begnadigung zu erwirken. Sie schreibt an ihren Anwalt:

    "Ich werde nicht mein Ehegelöbnis brechen und die Glückseligkeit und Reinheit unseres Verbundenseins entehren, um eine Hure für politische Zuhälter zu werden. Mein Mann ist unschuldig, wie ich es bin. Und keine Macht auf Erden soll uns im Leben oder im Tode trennen."

    Am 19. Juni 1953 werden Julius und Ethel Rosenberg auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Ihre Söhne Michael und Robert werden später von der Familie Meeropol adoptiert. Für sie ist es eine große Genugtuung, als nach dem Ende des Kalten Krieges immer mehr von der Wahrheit ans Licht kommt: Dokumente aus CIA-Archiven und Aussagen ehemaliger KGB-Offiziere belegen nach Ansicht von Robert Meeropol, dass seine Mutter unschuldig war und sein Vater allenfalls zweitrangige Informationen an die Sowjets weitergab:

    "Er war also ein kleinerer Spion, wenn Sie so wollen. Wenn dies also alles zutrifft, dann folgt daraus, dass die Regierung der Vereinigten Staaten zwei Menschen für etwas hingerichtet hat, dass sie nicht getan haben. Und die Leute in der Regierung wussten es."
    Der damalige Hauptbelastungszeuge David Greenglass hat vor einigen Jahren zugegeben, vor Gericht gelogen zu haben. So habe nicht Ethel seine Notizen über Los Alamos abgetippt, sondern seine Frau Ruth - die einzige, die seine Schrift habe lesen können.