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Opposition gegen Hitler

Mit der untergehenden Weimarer Republik wird das Bild der nationalsozialistischen Aufmärsche assoziiert. Doch auch die demokratischen Kräfte mobilisierten ihre Anhänger mit neuen Propagandaformen. Vor 75 Jahren wurde die Eiserne Font gebildet.

Von Bert-Oliver Manig | 16.12.2006
    Die Weimarer Republik gilt als schwache Demokratie, die wehrlos dem Ansturm ihrer Feinde erlag. Doch es gab sehr wohl die Bereitschaft zur Gegenwehr gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus. Am 16. Dezember 1931 schlossen sich die SPD, Gewerkschaften, der Arbeitersportbund und das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" zur "Eisernen Front" zusammen, um den Parteien und Wehrverbänden der antidemokratischen Rechten Paroli zu bieten.

    Zwei Monate zuvor, am 11. Oktober 1931, hatten Deutschnationale und Nationalsozialisten in Bad Harzburg ihre paramilitärischen Verbände aufmarschieren lassen. Als Reaktion auf die Bildung dieser "Harzburger Front" rief das Reichsbanner, der Verband republiktreuer Frontsoldaten, zur Gegenwehr der Demokraten auf:

    "Wir schaffen die Eiserne Front. Der Front der Staatsfeinde muss die Eiserne Front der staatstreuen Bürger entgegengestellt werden."

    Dieser Appell richtete sich an alle demokratischen Organisationen. Doch da die katholische Zentrumspartei auf Distanz ging, blieb die Eiserne Front auf das sozialdemokratische Spektrum beschränkt. Auf der ersten Großkundgebung der Eisernen Front am 23. Dezember 1931 erklärte der SPD-Vorsitzende Otto Wels:

    "Die Parole der Eisernen Front ist: Für Volksrechte - gegen Diktatur. Damit ist ausgesprochen, dass sich in der Eisernen Front die demokratischen und sozialistischen, politischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Organisationen für ein Kampfziel vereinigt haben, das allen gemeinsam ist: die Notwendigkeit der Erhaltung der ehernen Grundlage unserer republikanischen Verfassung: Die Staatsgewalt geht vom Volke aus!"

    Der Kampfruf "Frei Heil" war Teil eines neuen Propagandastils, mit dem die Eiserne Front auf die Emotionalisierung der politischen Auseinandersetzung reagierte, wie sie die NSDAP mit Erfolg betrieb. "Militante" Sozialdemokraten wie Carlo Mierendorff und Kurt Schumacher wollten insofern vom Gegner lernen: Der Nationalsozialismus sollte nicht länger argumentativ widerlegt, sondern verbal und symbolisch attackiert werden, um der eigenen Gefolgschaft Siegeszuversicht zu vermitteln.

    Die zahlreichen Massenkundgebungen der Eisernen Front hatten eine starke Resonanz. Der SPD-Reichstagsabgeordnete Julius Leber erinnerte sich später:

    "Jeder, der damals unter den schwarz-rot-goldenen Fahnen kämpfte, wird nur mit innerer Freude und Wehmut zurückdenken an den Opfermut und an die gläubige Zuversicht, die die Massen der Eisernen Front beseelten und anfeuerten. Endlich war Schluss mit dem ewigen Debattieren. Alles atmete auf. Die Soldaten des Reichsbanners opferten Sonntag für Sonntag der Sache, an die sie so fest glaubten."

    Der neue Propagandastil der Eisernen Front kam an. Insbesondere das Drei-Pfeil-Symbol, das der Psychologe Sergej Tschachotin entwickelt hatte, war massenwirksam und eignete sich auch zum "Kreidekampf" auf Häuserwänden. Es bestand aus drei dynamisch niederfahrenden Pfeilen, die ein Hakenkreuz durchbohrten oder ein zur Hitlerkarikatur erweitertes, flüchtendes Hakenkreuz vor sich her trieben.

    Das so vermittelte Gefühl eigener Stärke wurde von der sozialdemokratischen Anhängerschaft begeistert aufgenommen. Allein in Hamburg trugen sich 132.000 Menschen in so genannte Eiserne Bücher ein, um ihren Freiheitswillen zu bekunden. Aktivistische Gruppen der Eisernen Front, die sich auf den bewaffneten Abwehrkampf für die Demokratie vorbereiteten, fühlten sich durch die Parole des Reichsbanner-Führers Karl Höltermann ermuntert:

    "Heute rufen wir - morgen schlagen wir!"

    Doch die SPD-Führung scheute aus gutem Grund davor zurück, zu einem aussichtslosen bewaffneten Kampf für die Demokratie aufzurufen. An Einsatzbereitschaft fehlte es nicht: Noch nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler demonstrierten Sozialdemokraten unter den Fahnen der Eisernen Front ihren Freiheitswillen. Allein in Nürnberg waren es etwa 60.000. Wenig später brach auch die Eiserne Front unter dem nationalsozialistischen Terror zusammen.