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Opposition in Serbien
Aufstand der Bürgermeister

Druck auf Oppositionspolitiker, unfaire Wahlen, fehlende Pressefreiheit – so lauten die  Vorwürfe gegen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Doch in einigen Kommunen, die von der Opposition regiert werden, regt sich Widerstand.

Von Andrea Beer | 09.02.2019
    Demonstranten protestieren in Belgrad gegen Präsident Vucic.
    In Serbien mehren sich Proteste gegen das autoritäre System von Präsident Aleksandar Vucic und dessen allgegenwärtige Fortschrittspartei SNS (Darko Vojinovic / AP / dpa)
    Straßburg im November 2018. Nebojsa Zelenovic kritisiert vor dem Europarat fehlende Demokratie in Serbien. Der 43-jährige ist Bürgermeister von Sabac. Eine von wenigen Gemeinden, die nicht von der Fortschrittpartei von Präsident Aleksandar Vucic regiert werden. Insgesamt gibt es 170.
    Druck auf Andersdenkende, Gewalt gegen Oppositionspolitiker, unfaire Wahlbedingungen, fehlende Gewaltenteilung und keine Pressefreiheit. Die Vorwürfe sind massiv.
    Nebojsa Zelenovic: "Wir sind wie ein gallisches Dorf, das die Römer umzingelt haben. Und alle fragen sich, was der Zaubertrank ist. Und wie es möglich ist, dass wir trotz des ganzen Drucks bestehen können."
    Einige Wochen später sitzt Nebojsa Zelenovic im großen hellen Gemeindesaal von Sabac. Die rund 100.000-Einwohner-Gemeinde liegt circa 90 Kilometer westlich von Belgrad und der Auftritt des kritischen Bürgermeisters wurde in der Hauptstadt aufmerksam registriert.
    Nebojsa Zelenovic: "Als ich nach Straßburg eingeladen wurde, kam die Polizei aus Belgrad hierher, wegen angeblicher Gesetzeswidrigkeiten von mir und meinen Mitarbeitern, aus der Stadtverwaltung. Vier Monate lang haben sie nach Beweisen gesucht, sie konnten aber nichts finden."
    Staatsanwalt und staatliche Wirtschaftsprüfer hätten der Stadt finanzielle Ungereimtheiten unterstellt. Nichts davon sei belegt worden und diene nur dazu, ihn und seine Mitarbeiter zu kriminalisieren.
    Unanständige Angebote
    Nebojsa Zelenovic: "Wir haben Beweise über die Anwesenheit von Kriminellen, die von der Fortschrittspartei engagiert wurden und am Wahltag selbst Bürger sowie Vertreter anderer Wahllisten bedroht und erpresst haben. Als Opposition haben wir das alles in einem Weißbuch zusammengefasst."
    Immer wieder würden Abgeordnete genötigt die Seiten zu wechseln, kritisiert Nebojsa Zelenovic. Auch Maria Lazic bekam ein Angebot. Die blonde, selbstbewusste Kommunalpolitikerin sitzt seit sechs Jahren im Gemeinderat von Sabac. Gleich zu Beginn wurde sie von einer Bekannten zum Kaffee eingeladen.
    Aleksandar Vucic nach seinem Wahlsieg am 2. April 2017 in Belgrad.
    Immer mehr Kommunalpolitiker der Opposition kritisieren den serbische Präsidenten Aleksandar Vucic (imago stock&people)
    Maria Lazic: "Sie stellte sich als Ehefrau eines hohen Funktionärs der Serbischen Fortschrittspartei von Vucic vor. Sie hat mir angeboten, ich könne mir eine leitende Stelle in einem der öffentlichen Unternehmen in Sabac aussuchen, sollte ich die Seiten wechseln."
    Das Hotel Moskva in Belgrad. Hier trifft sich Anfang Februar das sogenannte Monitoring Committee. Es gehört zum "Kongress der Gemeinden und Regionen" des Europarats. Europäische Regional-, und Kommunalpolitiker bewerten die lokale Demokratie. In vielen Ländern würden Bürgermeister zunehmend unter Druck geraten, sagt Bernd Vöhringer. Oberbürgermeister von Sindelfingen. Was Serbien angeht bleibt er allgemein.
    Bernd Vöhringer: "Also da gibt es auf jeden Fall Handlungsbedarf und diesen Handlungsbedarf haben wir formuliert. Und ich gehe schon davon aus, wenn es um die Frage geht, Beitritt zur Europäischen Union, dass natürlich eine Messlatte da ist und hohe demokratische Standards eingehalten werden."
    "Propaganda, Propaganda, Propaganda"
    Auch Sasa Paunovic ergreift im Hotel Moskva das Wort. Er ist Bürgermeister in Paracin und Mitglied der oppositionellen "Allianz für Serbien". Sein Grußwort ist eine Verbalattacke auf den serbischen Präsidenten Vucic.
    Sasa Paunovic: "Medienfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, ist an vielen Orten Europas gefährdet. Der Feind, der jetzt droht, gibt sich für einen Demokraten aus, simuliert freie Wahlen, behauptet, dass die Medienfreiheit darin besteht, dass jeder Fake News ausstrahlen kann. Er missbraucht demokratische Institutionen, um Gesetze zu verabschieden, mit denen Menschenrechte und Freiheiten abgeschafft werden."
    Auch Hazbo Mujovic gehört nicht zur allgegenwärtigen Regierungspartei SNS. Er ist Bürgermeister von Sjenica im südserbischen Sandzak. Dort leben vor allem Muslime und die Regierungspartei ist weit weniger einflussreich als im Rest des Landes. Mit den regierungstreuen Medien hat Hazbo Mujovic aber trotzdem ein Problem.
    Hazbo Mujovic: "Die regierende Partei von Herrn Vucic hat alle Staatsmechanismen und Ressourcen genutzt, um Kommunalwahlen zu gewinnen. Im Fernsehen gibt es ununterbrochen Propaganda, Propaganda, Propaganda. Die Opposition hat praktisch keinen Zugang zu den Medien."
    Oppositionelle in Serbien üben auch immer wieder an der deutschen Bundesregierung Kritik. Kanzlerin Angela Merkel empfange regelmäßig den serbischen Präsidenten Vucic. Doch Interesse an der Opposition gäbe es nicht.
    "Vucic ist kein Stabilitätsfaktor"
    "Ich bin nicht die deutsche Bundesregierung", sagt der serbische Schriftsteller und Ex-Diplomat Ivan Ivanji. Doch auch er würde sich eine kritischere Haltung gegenüber dem serbischen Präsidenten wünschen. Dieser sei kein Stabilitätsfaktor auf dem Balkan.
    Ivan Ivanij: Wenn man redet mit den deutschen Diplomaten, in Österreich ist das nicht anders. Dann sagen sie, ja wir sind an Stabilität interessiert. Ich halte das für falsch."
    Den Zustand der serbischen Demokratie beschreibt Ivan Ivanji so: "Es hat einen Slobodan Milosevic gegeben, der ein Mörder war. Sein Informationsminister hieß Aleksandar Vucic, der ist zurzeit Präsident Serbiens. Sein Mediensprecher hieß Ivica Dacic, der ist zurzeit Außenminister Serbiens. Ich glaube, damit ist schon sehr viel gesagt."
    Wir machen einfach nur Kommunalpolitik, so erklärt Bürgermeister Nebojsa Zelenovic seine Wahlsiege in Sabac. Doch freie Wahlen würden immer schwieriger, so beendete der kämpferische Bürgermeister im letzten November seine Rede im Europarat.
    Nebojsa Zelenovic: "Helfen Sie uns einen fairer politischen Wahlkampf zu führen. Thank you very much for this opportunity."