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Optimistisches Leichtgewicht

Die Aussichten für die Autoindustrie verfinstern sich immer mehr. Die Hersteller von Kraftfahrzeugen kämpfen mit Kurzarbeit gegen die Rezession, das zieht auch die Zulieferer in Mitleidenschaft. Der Autozulieferer IFA aus Haldensleben in Sachsen-Anhalt ist dennoch gelassen. Die Gewinne aus den vergangenen guten Jahren wurden in Forschung und Entwicklung gesteckt. Das soll sich jetzt in der Krise bezahlt machen.

Von Susanne Arlt | 09.01.2009
    Eine mannshohe Maschine presst die Einzelteile für eine Gelenkwelle zusammen. Das unscheinbare handtellergroße Zulieferprodukt aus Stahl ist eines der Schmuckstücke der IFA Haldensleben. Diese Gelenkwelle ist ein Leichtbau, erklärt Eigentümer Heinrich von Nathusius stolz. Er nimmt eine in seine Hand, sie wiegt nur halb soviel wie die der Konkurrenz. Und das im Automobilbau, wo jedes eingesparte Gramm inzwischen zählt, um Spritz zu sparen.

    IFA - die Abkürzung steht heute für "Ideen für Antriebe". Vor 20 Jahren war der Betrieb noch Teil des DDR-Kombinats Industrieverband Fahrzeugbau. Zwei Jahre nach der Wende übernahm Heinrich von Nathusius das Unternehmen von der Treuhand. Es hatte viele Interessenten gegeben, aber keiner konnte den Betriebsrat und die Kommune mit einem schlüssigen Konzept überzeugen. "Ich eigentlich auch nicht", grinst Heinrich von Nathusius. Der Manager hatte jahrelang für Thyssen und Krupp gearbeitet. Vom Stahlhandel verstand er was, von der Fertigung von Autoteilen dagegen weniger. Aber Heinrich von Nathusius hat ein Gespür für Menschen und er erkannte sofort das Potential seiner ostdeutschen Mitarbeiter.

    "Viele westdeutsche Investoren haben in die Zahlen geguckt und haben gesagt, um Gotteswillen, hier sind ja Riesenverluste, also euch schmeiße ich erst mal alle raus, und dann hole ich mir aus dem Westen neue Leute. Und das war natürlich völliger Quatsch. Dass wir hier Riesenverluste hatten, war klar, weil unser Kunde nicht mehr existiert hat. Das lag nicht an den Leuten. Wir hatten exzellente Leute, und dieses Team ist auch heute noch erfolgreich."

    Dass Heinrich von Nathusius mit seinen neuen Mitarbeitern feinfühliger umging als manch anderer westdeutscher Manager, mag auch daran liegen, dass Haldensleben alter Familiensitz der Familie ist. Sein Ururgroßvater, der Magdeburger Kaufmann Johann Gottlob Nathusius, ließ im 19. Jahrhundert zwischen Haldensleben und Magdeburg Tabak anbauen, Bier brauen, säkularisierte im Auftrag Napoleons Klöster, betrieb die erste Rohrzucker-Raffinerie und die ersten Dampfpflüge in Deutschland. In den 30 Gewerbebetrieben arbeiteten damals über 4000 Menschen. Sein Vorfahre bildete somit den ersten Industriekonzern der Region. Den Namen seines neu erworbenen Betriebs ließ er denn auch bestehen. Ich wollte meinen Mitarbeitern ihre Firmengeschichte lassen, sagt Heinrich von Nathusius. Trotzdem musste er viele der damals knapp 1000 Arbeitsplätze abbauen. Die ersten Jahre waren hart, auch wenn er schnell Kontakt zum VW-Konzern in Wolfsburg fand. Erst Ende der 90er Jahre konnte sich die IFA stabilisieren.

    "Vorher waren wir alle paar Monate pleite, aber immer auf höherem Niveau. Das war natürlich eine schwierige Phase. Dann haben wir uns deutlich stabilisiert und haben dann eben nicht die Gelder eingesetzt, um einen Gesellschafter zu befriedigen oder Mitarbeiter zu befriedigen mit hohen Löhnen, sondern ich habe ein ganz rigides Sparkonzept auch bei den Lohnkosten durchgesetzt, was auch die leitenden Angestellten betraf. Wir haben das durchgesetzt, damit wir uns leisten konnten, im Durchschnitt fünf bis acht Prozent vom Umsatz zu investieren in Weiterentwicklung."

    Heute arbeiten 350 Mitarbeiter für den sachsen-anhaltischen Automobilzulieferer. In den vergangenen zwei Jahren setzte die IFA jährlich rund 95 Millionen Euro um. Vor zehn Jahren lag der Umsatz noch bei knapp 15 Millionen Euro. Das gesparte Geld kommt dem Unternehmen jetzt zugute. Die innovative und leichte Gelenkwelle soll noch in diesem Jahr in den überarbeiteten Porsche Cayenne und in den VW Touareg eingebaut werden. Anfangs hatten die beiden Automobilkonzerne diese Hightech-Version der IFA noch nicht zugetraut. "Bei der ersten Serie sind wir darum gegen einen Wettbewerber unterlegen", erzählt von Nathusius. Da aber die Welle des Konkurrenten nicht optimal lief, war er bei beiden Hersteller plötzlich doch erste Wahl. Ein in der Branche eher seltener Vorgang.

    Auch wenn aufgrund der Absatzkrise in der Autoindustrie das Auftragsvolumen in den vergangenen Wochen um inzwischen 35 Prozent zurückgegangen ist, herrscht bei der IFA viel Betrieb in den zwei Produktionshallen. Beide werden komplett modernisiert, Maschinen werden umgelagert, um auch die Aufträge für die neue Gelenkwelle umsetzen zu können.

    "So jetzt müssen wir uns hier dadurch wummeln. Hier die beiden Hallen werden zusammengelegt, Tür zur anderen Halle, ... Hallo, Hallo Herr ..."

    Heinrich von Nathusius sieht keineswegs schwarz für die Zukunft seines Unternehmens. Kurzarbeit gleicht im Moment den Auftragsrückgang aus. Vorerst hat das Unternehmen für sechs Monate Kurzarbeit angemeldet. Mehr sei nicht nötig, glaubt der Unternehmer, denn mit der neuen Hightech-Gelenkwelle traut sich die IFA in diesem Jahr auch auf den amerikanischen Markt. Heinrich von Nathusius hat das Ziel, sein neues Produkt dort als Technologieführer anzubieten.

    "Da unser amerikanischer Wettbewerb nicht in der Lage ist, die Wellen zu bauen, da werden wir sicher den Vorlauf haben und werden dort dann die Auftragszuläufe für die neue Generation der amerikanischen Werke, die in zwei, drei Jahren frühestens auf den Markt kommen, aber so lange Vorlaufzeiten brauchen wir auch, und da werden wir dabei sein."

    Heinrich von Nathusius wird dann in Person nur noch selten dabei sein. Anfang dieses Jahres hat er die Leitung in die Hände seines Sohnes Felix und seines Mit-Geschäftsführers Clemens Aulich gelegt. Und ihnen ins Stammbuch geschrieben, in fünf Jahren einen Umsatz von 300 Millionen Euro zu erzielen. Trotz der Krise. Wie das geht? Heinrich von Nathusius lächelt und sagt dann: "Der Zuliefermarkt wird zwangsweise umstrukturiert. Wir müssen uns internationaler, in der Produktpalette breiter aufstellen und weiter durch Innovation und Qualität überzeugen."