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Optische Abbildungsfehler
Forscher finden Formel für Linsenkorrektur

Linsenfehler können die Aufnahmen einer Kamera oder eines Mikroskops unscharf machen. Bisher ließen sich die Fehler nur mit technischen Tricks und viel Aufwand korrigieren. Zwei mexikanische Physik-Doktorenden haben jetzt eine einfache mathematische Formel für die Linsenkorrektur entwickelt.

Von Frank Grotelüschen | 21.08.2019
Blende eines Kameraobjektives
Linsenfehler: Für ambitionierte Fotografen sind sie ein Ärgernis. (www.imago-images.de)
Für ambitionierte Fotografen ist es ein Ärgernis: Die Kamera ist optimal eingestellt, das Licht nahezu ideal – und dennoch meint man später im Bild bei genauem Hinsehen eine gewisse Unschärfe zu erkennen. Ursache können sogenannte Linsenfehler sein, zum Beispiel die sphärische Aberration.
"Die sphärische Aberration entsteht durch die Form einer Linse. Und zwar treffen sich nur jene Lichtstrahlen, die durchs Zentrum der Linse gehen, in einem gemeinsamen Brennpunkt. Die Strahlen, die am Rand durch die Linse laufen, werden dagegen vor oder hinter den eigentlichen Brennpunkt gebündelt. Und das verschlechtert die Bildqualität."
Sagt Rafael González Acuña, Physik-Doktorand am Institut für Technologie im mexikanischen Monterrey. Seit längerem schon gibt es Möglichkeiten, die sphärische Aberration auszugleichen, indem man Form und Krümmung der Linse ein wenig verändert. Dadurch sammeln sich auch jene Strahlen, die durch den Rand der Linse verlaufen, im Brennpunkt – das Bild wird scharf. Allerdings ist es nicht gerade einfach, diese Veränderungen der Linsenform zu berechnen.
"Die Korrekturen der Linse werden heute per Computersimulation berechnet, in aufwändigen Optimierungsprozessen. Und die sind langsam und teuer."
Suche nach einer einfachen mathematischen Formel
Im Herbst 2017 wurde González Acuña von Alejandro Chaparro Romo kontaktiert, einem befreundeten Doktoranden aus Mexiko-Stadt. Dessen Vision: Sollte es möglich sein, die Linsenkorrektur mit einer mathematischen Formel zu berechnen, könnte man sich die aufwändigen Computersimulationen künftig schenken. Ein ehrgeiziger Plan, denn an so einer Formel hatte sich schon mancher versucht.

"Zuerst dachte ich: Na ja, man kann’s ja mal probieren – auch wenn ich keine große Hoffnung hatte, dass das funktioniert. Doch dann wurde die Sache zur Obsession, und wir arbeiteten bis zu 13 Stunden am Tag daran."
Die beiden wähnten sich dicht vor der Lösung, doch es fehlte der letzte Geistesblitz. Der sollte Ende 2018 kommen, als sich Rafael González Acuña nach einer unruhigen Nacht an den Frühstückstisch setzte.
Die entscheidende Idee kam beim Frühstück
"Morgens bin ich ziemlich faul, ich mache mir immer nur einfache Sachen zum Frühstück. Ich schmierte mir also ein Nutella-Brot – und plötzlich kam mir die entscheidende Idee. Ich schlang das Brot herunter, rannte zu meinem Rechner und probierte meine Lösung aus. Als ich merkte, dass sie richtig war, sprang ich vor Freude in der Wohnung herum."
Ein Heureka-Moment wie im Bilderbuch. Die mexikanischen Doktoranden hatten tatsächlich eine Formel gefunden, mit der sich die Korrektur eines Linsenfehlers mathematisch stringent berechnen lässt. Als die beiden ihr Ergebnis in einer angesehenen Fachzeitschrift veröffentlichten, kamen Glückwünsche von Fachkollegen aus aller Welt und Angebote für Stipendien. Und mittlerweile ist auch die Industrie aufmerksam geworden.

"Das sind zwei Software-Unternehmen aus den USA, die Linsen entwerfen. Ich weiß, dass sie Interesse haben, meine Formel zu verwenden."
Inwieweit aber tatsächlich Fotografen von der neuen Matheformel aus Mexiko profitieren werden, ist noch nicht absehbar. Wahrscheinlicher scheint ein erster Einsatz auf anderen Feldern, etwa in der Glasfaserkommunikation oder in der Lasertechnik.