Donnerstag, 28. März 2024

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Ordentlicher "Tatort"-Einstand

Gestern gab wieder ein prominenter deutscher Schauspieler sein "Tatort"-Debüt: Wotan Wilke Möhring ermittelt als Kommissar Thorsten Falke in Hamburg. An seiner Seite spielt Petra Schmidt-Schaller die Assistentin Katharina Lorenz. Für Klaus Pilger ist das neue Ermittlerteam vielversprechend.

Von Klaus Pilger | 29.04.2013
    "Möchten Sie vielleicht was trinken? Ich habe Wasser, Saft … - Nein, nein, alles gut! - … `nen schönen Tee oder Kaffee mit geschäumter Milch? - Was Kaltes vielleicht."

    Nein, ein Mann, dessen Frau gerade tot neben ihrem brennenden Auto aufgefunden wurde, und der dann im gepflegten Einfamilienhaus dem Ermittler leckeren Cappuccino anbietet, bei dem stimmt was nicht, das ahnt der Zuschauer schon nach wenigen Minuten. Das könnte glatt der Mörder sein und so war’s dann auch.

    "Wie bitte? Glauben Sie, ich hab’ meine Frau angezündet oder was?"

    Nee, zwar nicht angezündet, aber erstickt - Drehbuchautor Markus Busch hat es seinem krimierprobten Publikum da schon etwas zu leicht gemacht. Obwohl die Story um den jungen Auto-Brandstifter Ruben Schaller durchaus spannend war. Der vermeintliche Täter versinkt immer tiefer und panischer im Schlamassel und muss sich mit Erpressungsversuchen eines Jugendgang-Anführers und der Bedrohung durch ein Kopfgeld herumschlagen.

    ""Du lässt mich im Stich? - Geh’ einfach! – Das ist nur das verdammte Kopfgeld! Du Fotze! – Geh’ raus, geh’ einfach!"

    Mindestens so wichtig wie der Kriminalfall war gestern die Einführung des neuen Kommissars Thorsten Falke. Wotan Wilke Möhring präsentiert sich als sympathischer Mittvierziger-Kumpeltyp im Ramones-T-Shirt, der mit seinem Freund und Kollegen Jan Katz, gespielt von Sebastian Schipper, am Lagerfeuer sitzt und spaßige Männlichkeitsrituale pflegt:

    "Spring durch’s Feuer! – Was? – Na komm, das bringt Glück! – Ach, Quatsch!- Ein alter Brauch, komm! Spring! Du wirst Vater!"

    Ein Tatort-Kommissar, das darf kein langweiliger Spießer sein, denn wen interessiert schon ein Polizist mit zwei Kindern und Hund im Reihenhaus, den Golf-Diesel-Kombi vor der Tür? Kommissar Falke lebt nur mit seiner Katze Elliot zusammen, trinkt andauernd Vollmilch aus dem Tetrapak, hört gerne Rolling Stones - sein Handyklingelton ist der Anfang von "Sympathy for the devil" - er hat einen Sohn, den er gar nicht kennt, ist ein bisschen verkorkst, gelegentlich etwas depressiv, ja, und ein bisschen einsam ist er auch. Umso mehr als sich sein Freund und Job-Partner Jan Katz aus familiären Gründen in den Innendienst versetzen lässt:

    "Bendixen hat mir vor einem halben Jahr denselben Job angeboten wie dir. Und weißt du, was ich gemacht habe? Ich hab’ den abgelehnt! Und weißt du warum? Weil wir dann nicht mehr als Team hätten arbeiten können. Und du, du nimmst den Scheißjob. Du bist ein Scheißverräter!"
    Wotan Wilke Möhrings Kommissar Falke wirkt authentisch und glaubwürdig, die Rolle ist wie auf den Schauspieler zugeschnitten. Möhrings helle Stimme mit den rauen Akzenten, die traurigen, flehenden Augen, der verletzliche Mund – mit dem Typ möchte der männliche Zuschauer gerne mal ein Bier trinken und manche weibliche Zuschauerin wird sich in ihren mütterlichen Gefühlen ertappt fühlen. Aber durchaus nicht nur in Mütterlichen!
    Also Vorsicht: hoher Sympathiefaktor!
    Keine Sympathie hat Falke aber erst mal für seine neue junge Hospitantin Katharina Lorenz, gespielt von Petra Schmidt-Schaller, aber das ist ja normal im Tatort, dass sich die neuen Arbeitspartner erst mal ganz doof finden, erst recht wenn die Hübsche dem Kripochef auch noch den verspannten Nacken einrenkt:

    "So, jetzt lassen Sie den Hals ganz locker, Herr Bendixen! –Gut, dass du da bist, Thorsten, komm rein. Ich hab da jemanden für dich. Da aufm Schreibtisch! Frau Lorenz kommt als Hospitantin zu uns, um dich bei den Ermittlungen zu unterstützen. Sie war in letzter Zeit ausschließlich mit den Fahrzeugbränden beschäftigt. - Was soll das, eine Juristin, das hab’ ich nicht bestellt! – Ist `ne Spitzenkraft, hoch qualifiziert – Was soll das heißen, qualifiziert wofür? Kann die gut kochen oder was? Lässt sich von `ner Rechtsverdreherin einrenken – Wenn’s hilft! - AAAH!"

    Katharina Lorenz ist der herbe blonde Engel auf langen Beinen, mit vollen Lippen und dezentem Sex-Appeal, etwas ernst und verhalten wirkend, aber blitzschnell handelnd und intelligent. Was Kommissar und Hospitantin verbindet, sind zumindest schon mal die traurigen Augen! Und die Seelenverwandtschaft, die zeigt sich dann im nächsten Tatort.

    Der junge Regisseur Özgür Yildirim und sein Kameramann Mathias Bolliger zeigen schöne Bilder von Hamburg, dramatische und atmosphärische Abend- und Morgenstimmungen einer Großstadt am Wasser. Glaubwürdig sind die Szenen zwischen den Stadtrandjugendlichen, etwas albern wirkt die Inszenierung der spießigen Angehörigen der Bürgerwehr, die den Falschen jagen und – richtig! – prompt läuft der in ein Auto!
    Überflüssig auch, die klischeehaft wabernde Spannungsmusik, wie sie etwa die Detailaufnahme des aufflammenden Feuerzeugs begleitet. Oder, dass sich die Polizisten über Philosophie auseinandersetzen.

    ""Das Sein bestimmt das Bewusstsein! – Woher kennen Sie Karl Marx? – Stand heute im Kalender."

    Wotan Wilke Möhring wirkt in Attitüde und Sprache immer wieder wie der kleine Bruder von Marius Müller-Westernhagen, der ja auch mal ein vielversprechender Schauspieler war. Am Ende des Krimis, klar, wurde der Ehefrauenmörder überführt, der Brandstifter bleibt ein einfacher Brandstifter und kein Mörder, ja und am Schluss will der einsame Falke – KOMMISSAR Falke! - die herbe blonde Katharina dann doch behalten und sagt zum Boss:

    "Wenn du dich schon bei mir nicht bedanken kannst, dann sorg’ dafür, dass sie bleibt. – Ich dachte, die brauchst Du nicht, die geht dir aufn Sack? – Dann hab’ ich mich eben geirrt!"
    Fazit: ein ordentlicher Tatort mit einem vielversprechenden neuen Ermittlerteam! Ruhig mehr davon!