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Organisierte Kriminalität
Schwedens Polizei präsentiert erste Erfolge

Vor allem in Stockholm und Malmö bedroht Bandenkriminalität die öffentliche Sicherheit. Banden kämpfen um die Vorherrschaft in der Unterwelt mit einer Brutalität, die Schweden schockiert. Die schwedische Polizei will die Kontrolle auf den Straßen zurückerobern und hat erste Erfolge vorzuweisen.

Von Carsten Schmiester | 08.01.2020
Ein Polizeiwagen am Bahnhof der schwedischen Stadt Boden. Technische Einsatzkräfte untersuchen einen brutalen Messermord an einem Jugendlichen am 19.12. 2019
Trotz der Erfolge in Großstädten sieht die Polizei aber auch Zeichen dafür, dass die Kriminalität in kleineren Städten und ländlichen Gegenden und besonders im Norden Schwedens eskaliert. (imago/Simon Eliasson)
Ende vergangenen Jahres war Anders Thornberg noch voller Sorge:
"Wir sehen, dass der Waffengebrauch im organisierten Verbrechen immer mehr zunimmt. Da gibt es anscheinend keine Grenzen mehr. Junge Leute müssen immer roher und gnadenloser sein, um in der kriminellen Hierarchie aufzusteigen. Sie gehen gar nicht mehr davon aus, dass sie mit 25, 30 Jahren überhaupt noch leben."
Thornberg ist Schwedens oberster Polizeichef. Nach Jahren ständig zunehmender Waffengewalt hatte er sich an die Öffentlichkeit gewandt und auch an die Politik. Im Kampf gegen die Gangkriminalität, die vor allem in den Ballungszentren im Westen, Süden und Osten des Landes ein Riesenproblem ist, sei die Polizei alleine machtlos. Von der Politik verlangte er mehr Kompetenzen für die Polizei, etwa, was die Erlaubnis, Handygespräche abzuhören angeht, aber auch das reiche nicht aus:
"Eltern, Schulen, Sozialdienste, alle Bürger müssen vorbeugend etwas dafür tun, dass nicht noch mehr Jugendliche in die Kriminalität abrutschen."
Polizei hat einige Bosse aus dem Verkehr gezogen, Banden aufgelöst
Zusätzlich startete die Polizei erst einmal nur in Malmö als Reaktion auf den Mord an einem 15jährigen Jungen die Operation "Rimfrost", das heißt zu Deutsch "Raureif". Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität werden priorisiert mit besonderem Blick auf mutmaßliche Schlüsselfiguren. Das Ganze inzwischen offenbar mit ersten Erfolgen. Einige Bosse seien bereits aus dem Verkehr gezogen, Gangs aufgelöst worden, heißt es.
Und nun bestätigt die Statistik der Polizei zumindest eine kleine Trendwende: Danach hat es 2019 zum ersten Mal seit Jahren vor allem in den Großstädten Schwedens weniger Schusswaffengewalt gegeben. In Anführungsstrichen "nur noch" an acht von zehn Tagen. Insgesamt waren es 320 Fälle mit 41 meist jungen Todesopfern. In Göteborg wurden im Vergleich zu 2018 nur halb so viele Schießereien registriert, den geringsten Rückgang gab es im Großraum Stockholm: 85 Mal wurde geschossen, 16 Menschen starben.
Bandenkriminalität auch in ländlichen Gebieten
Man sei natürlich nicht zufrieden, so ein Polizeisprecher in Malmö, aber die Entwicklung in den Ballungsgebieten gehe in die richtige Richtung, unter anderem würden immer mehr illegale Waffen sichergestellt. Allerdings gibt es auch weniger positive Erkenntnisse: Zum einen ist die Zahl der Opfer seit zwei Jahren etwa gleich, auch wenn es weniger Schießereien gibt. Das heißt, dass diese Schießereien tödlicher verlaufen als früher.
Und die Polizei sieht Zeichen dafür, dass eskalierende Gangkriminalität verstärkt auch in kleineren Städten und ländlichen Gegenden besonders im Norden zunehmend zum Problem wird. Ein Problem, das trotz der kleinen Trendwende vor allem in Malmö und Göteborg noch immer eines der größten im Land ist und sogar von König Carl Gustaf bei seiner Neujahransprache besonders erwähnt wurde:
"Wir erleben, wie unterschiedliche Verbrechen in unserer Gesellschaft für Unsicherheit sorgen: Sprengstoffanschläge, Schießereien - das macht nicht nur den Menschen Sorgen, sondern auch mir und meiner Familie!"