Mittwoch, 24. April 2024

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Organisierter Sport in der Pandemie
"Der Sport muss selbstbewusster auftreten"

Der organisierte Sport hat sich in der Corona-Pandemie gut geschlagen, sagte Sportwissenschaftler Lutz Thieme im Dlf. Dennoch gebe es bei der Lobby-Arbeit des Sports Verbesserungsbedarf. Unter anderem müsse der Sport seine Rolle in der Gesellschaft stärker herausstellen.

Lutz Thieme im Gespräch mit Matthias Friebe | 05.12.2020
Bälle verschiedener Sportarten in einem Schrank.
Der Vereinssport ist in der Corona-Pandemie zum Erliegen gekommen. (imago images / Jürgen Schwarz)
"Insgesamt glaube ich, dass sich der organisierte Sport in der Pandemie gut geschlagen hat", sagte Lutz Thieme, Sportwissenschaftler der Hochschule Koblenz, im Dlf. "Das liegt vor allem an dem Engagement der Millionen Ehrenamtlichen in den einzelnen Vereine. Aber auch an den Hygienemaßnahmen und deren Umsetzung. Hier haben die Vereine einiges an Übersetzungsarbeit geleistet und die Vorgaben aus der Staatskanzlei verständlich umgesetzt. Das heißt aber nicht, dass man aus dem ein oder anderen noch lernen könnte."
"Wir sind Teil des Lebens vieler Menschen"
Die Corona-Einschränkungen haben dabei vor allem den Amateursport getroffen, der so gut wie zum Erliegen gekommen ist. In der Diskussion hatte der DOSB immer wieder darauf hingewiesen, dass der Sport Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sei. "Ich bin mir nicht sicher, ob das gefruchtet hat", sagte Thieme, der bis 2019 Präsident des Landessportbunds Rheinland-Pfalz war. "Ich finde, das muss der Sport durchaus selbstbewusster auftreten. Wir sind Teil des Lebens vieler Menschen. Und wie die Kultur gesagt hat ‚Ohne Kultur wird es still‘, wird es eben ohne Sport grau. Diese Verzweckung des Sports schien mir kein durchschlagendes Argument zu sein, um gleich behandelt zu werden wie andere Bereiche in Richtung Industrie und Unterhaltungsindustrie."
Alfons Hörmann, DOSB-Präsident
Ruf nach mehr Geld und viel Eigenlob
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Der organisierte Sport müsse sich deshalb Gedanken machen, welche Rolle er innerhalb der Gesellschaft spiele und wie er diese Rolle verdeutliche, so Thieme. "Insbesondere dann auch gegenüber den Menschen, die sport-unaffiner sind und gegenüber denen, die die politischen Entscheidungen treffen."
Zwei Kritikpunkte
An der Lobby-Arbeit des DOSB kritisiert Thieme konkret zwei Punkte. Der erste Punkt war die Benennung des hohen Finanzbedarfs des Sports. "Das hätte man durchaus differenzierter betrachten können, eigentlich auch müssen. An der Stelle müsste man in Nachhinein noch einmal schärfen." Der zweite Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass verpasst wurde, in den Phasen zwischen den Lockdowns ein Konzept zu entwickeln, um den Vereinssport weiter zu ermöglichen. "Das ist aber Kritik auf hohem Niveau. Insgesamt haben das die Verbände und insbesondere die Vereine vor Ort ordentlich gemacht."
Im Großen und Ganzen ist Thieme mit der Kommunikation des organisierten Sports zufrieden. "Über das ein oder anderes sollte man noch einmal diskutieren. Insbesondere müsste man mit etwas Abstand mal hinschauen, welche Dinge gut gelaufen sind und welche nicht und was das für Folgen für die Systemkomponente des organisierten Sports für Folgen hat." Operativ habe man beispielsweise große zeitlichen und qualitative Unterschiede bei der Erstellung von Hygienekonzepten durch die einzelnen Spitzenverbände gesehen. Strategisch müsse man die Nennung der hohen finanziellen Forderungen überdenken. Genauso müsse man schauen, wie die Verankerung des Sports in andere Bereiche aussieht. "Also strategisch und operativ müsste man mit Blick zurück sich wappnen und dann auch die eigenen Strukturen hinterfragen."