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Organspende-Diskussion
Fraktionsübergreifender Gegenwind für Jens Spahn

Gegen den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, alle Bürgerinnen und Bürger zu Organspendern zu machen, es sei denn, sie widersprechen aktiv, formiert sich im Bundestag fraktionsübergreifend Widerstand. Ein Argument: Eine solche Vorgehensweise widerspreche der deutschen Verfassung.

Von Mathias von Lieben | 25.10.2018
    Eine Frau zeigt im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein einen Organspendeausweis
    Eine Zwangsverpflichtung zur Organspende, es sei denn, man widerspreche aktiv, sei ein nicht verfassungskonformer Eingriff des Staates in das Persönlichkeitsrecht, kritisieren Gegner der von Jens Spahn vorgeschlagenen Neuregelung (Axel Heimken / dpa)
    Alle Menschen sind automatisch Organspender, sofern sie selbst oder ihre Angehörigen zu Lebzeiten nicht widersprechen. Das hat Gesundheitsminister Jens Spahn Anfang September vorgeschlagen, um die Zahl der Organspender zu erhöhen. Mit dieser sogenannten doppelten Widerspruchslösung hatte er nicht nur eine ethische, sondern auch eine politische Diskussion entfacht. Denn derzeit muss einer Organspende ausdrücklich zugestimmt werden.
    Im Bundestag formiert sich nun fraktionsübergreifend Widerstand gegen die Pläne, eine Parlamentarier-Gruppe arbeitet an einem entsprechenden Gruppenantrag. Zu den Gegnern gehört auch die SPD-Politikerin Hilde Mattheis. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte sie, dass die Widerspruchslösung bedeute:
    "Die gesamte Bevölkerung ist OrganspenderIn. Und dann muss die gesamte Bevölkerung aktiv sagen: Nein, ich möchte nicht. Das ist ein ziemlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht."
    Gegner verweisen auf die deutsche Verfassung
    Gesundheitsminister Jens Spahn will gemeinsam mit Sozialdemokrat Karl Lauterbach bis zum Ende dieses Jahres ebenfalls einen Gruppenantrag für die Widerspruchslösung erarbeiten. Bis dahin wollen auch die Gegner aus Union, FDP, SPD, Grünen und der Links-Fraktion ihren Antrag vorgelegt haben. Otto Fricke von den Freien Demokraten gehört der Gruppe ebenfalls an:
    "Ich gehe von unserer Verfassung aus. Unsere Verfassung hat im Endeffekt geklärt, dass die Rechte, die der Staat hat, immer vom Bürger kommen, immer von seinen Rechten kommen. Das heißt, der Staat muss fragen, ob er in die Rechte des Bürgers eingreifen kann. Und nicht der Bürger muss widersprechen, damit der Staat das kann."
    Noch Diskussionsbedarf
    Kein Konsens besteht in der Gruppe jedoch darüber, ob in dem Antrag nur die Beibehaltung der bisherigen Entscheidungslösung gefordert oder ein alternatives System vorgeschlagen wird. Im Gespräch sei allerdings eine verbindliche Entscheidungslösung. Danach sollen alle Bürger zum Beispiel bei der Ausstellung eines neuen Personalausweises oder der Gesundheitskarte befragt werden, ob sie Organspender sein möchten. Hilde Mattheis will allerdings nicht sofort auf ein ganz anderes System setzen. Sie sieht - wie auch andere Gruppenmitglieder – das größte Problem in der mangelhaften Infrastruktur des Organspendewesens. Daher spricht sie sich dafür aus:
    "Dass man eine verbindliche Evaluation einbaut und sagt, nach drei oder vier oder fünf Jahren gucken wir uns an, was die Verbesserung der Infrastruktur bezüglich der Organspendezahlen gebracht hat."
    Dazu hatte Gesundheitsminister Spahn bereits im Oktober einen Gesetzentwurf vorgelegt, der noch in diesem Jahr ins Kabinett eingebracht werden soll. Der Entwurf sieht vor, die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern zu verbessern. Zum Beispiel dadurch, dass Transplantationsbeauftragte in Krankenhäusern mehr Zeit für ihre Aufgabe bekommen und die Vergütung der Einrichtungen für den Prozess einer Organspende verbessert werden sollen.
    Bislang sind die Gegner der Widerspruchslösung aus dem Bundestag einmal zusammengekommen. Derzeit wird das weitere Vorgehen koordiniert. Einig ist man sich nur darin, dass die sofortige Widerspruchslösung verhindert werden soll. Der Prozess könnte noch andauern: Bis Mitte nächsten Jahres, das hatte Gesundheitsminister Spahn angekündigt, sollen die ersten konkreten Lösungen präsentiert werden.