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Origami im Orbit

Raumfahrt. - Masse und Größe von Raumschiffen werden maßgeblich von der Landetechnologie bestimmt. Denn je schwerer ein Raumschiff ist, desto schneller tritt es in die Atmosphäre eines Planeten ein. Ein von der NASA entwickelter Hitzeschild, der sich erst im All entfaltet, soll dies ändern.

Von Guido Meyer | 23.07.2012
    Das Langley Research Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Hampton, Virginia; etwa 200 Kilometer südöstlich der US-Hauptstadt Washington, D.C. gelegen. Hier werden neue Technologien und neue Materialien für Raumschiffe entwickelt. In diesen Tagen fiebern die Ingenieure der Landung des Mars Science Laboratories entgegen, der bislang größten Mars-Sonde, die für kommenden Montag geplant ist.

    "Unsere Sonden werden immer massiger, aber wir bedienen uns immer noch der alten Landetechnologie der 70er-Jahre. Für das schwere Mars Science Laboratory mussten wir den Hitzeschutz für den Eintritt in die Mars-Atmosphäre verstärken. Und doch können wir nur in einem Krater landen, der tief liegt und unserer Sonde so mehr Flugzeit zum Abbremsen verschafft. Wir nähern uns der Oberfläche einfach zu schnell und sind zu schwer. Wir würden gerne in höheren Lagen landen oder ein Raumschiff mit mehr Masse zum Mars schicken."

    Neil Cheatwood ist Chef-Wissenschaftler am Langley-Forschungszentrum der NASA. Er und sein Team haben sich Gedanken gemacht, wie die Nachfolger des Mars Science Laboratories in den kommenden Jahren auf anderen Himmelskörpern landen sollen.

    "Einen Rover wie den, der derzeit auf dem Weg zum Mars ist, erst platzsparend zu verpacken und dann Hitzeschild, Kransystem, Räder und Bremsfallschirm in der richtigen Reihenfolge automatisch zu entfalten – das ist schon sehr kompliziert!"

    Einfacher soll ein neuer Ansatz sein, beim dem der Hitzeschild auf flexiblem Material besteht, unter anderem aus Nextel, das normalerweise bei Flugzeugturbinen zur Isolierung verwendet wird. Auch die Hitzekacheln der Raumfähren waren mit Nextel überzogen. Außerdem wird eine Schicht aus Kevlar verwendet, die mit Kapton beschichtet ist, so wie bei schusssicheren Westen. Zusammen ergibt das IRVE, das Inflatable Re-entry Vehicle Experiment, ein "aufblasbares Wiedereintrittsvehikel-Experiment". Probe auf’s Exempel: Heute früh, sieben Uhr Ortszeit auf dem Raketenbahnhof Wallops Island in Virginia.

    Eine Black-Brant-Rakete ist gestartet und hat das auf etwa 50 Zentimeter Länge zusammengefaltete Paket rund 450 Kilometer hoch ins All geschossen, über den Atlantik. Dort hat es sich auf mehr als drei Meter Durchmesser entfaltet, ist durch die Atmosphäre zurück auf die Erde gefallen und nach etwa zwanzig Minuten vor der US-Ostküste gewassert.

    Alles sei nach Plan verlaufen, so Neil Cheatwood heute Mittag in einer ersten Reaktion nach Ende des Experiments. Der Hitzeschild habe sich korrekt aufgeblasen. Und auch die Bordkameras hätten sowohl den Blick hinunter auf die Erde als auch auf den Behälter eingefangen, in dem der Hitzeschild vor seiner Entfaltung verstaut war. Die Messdaten hätten in Echtzeit eine erhöhte Hitzeentwicklung beim Wiedereintritt aufgezeichnet. Diese Schichten hätte der Schild jedoch unbeschadet durchflogen.

    Diese neuartige Technik ließe sich künftig auf allen Himmelskörpern einsetzen, die über eine Atmosphäre verfügen. Der Mond scheidet damit aus – aber es gebe genügend andere Kandidaten.

    "Wir könnten diese Technologie auf dem Mars einsetzen, wir könnten so Nutzlast von der Internationalen Raumstation zurückbringen zur Erde oder auf diese Weise in die Atmosphäre der Venus eintauchen, in die der Gasplaneten oder in die des Saturn-Mondes Titan. Und schließlich wäre dies auch eine Möglichkeit, wirklich schwere Elemente einer künftigen bemannten Mars-Mission von vielleicht 40 Tonnen weich auf die Oberfläche zu bringen."