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"Ornithomania"
Die besondere Leidenschaft von Vogel-Enthusiasten

Einen bunten Reigen von Vogel-Enthusiasten aller Art präsentiert der Autor Bernd Brunner in seinem Buch "Ornithomania". Von Vogelfreunden bis zu Vogelhassern zeigt Brunner uns Menschen, die diesen Tieren auf die eine oder andere Weise ihr Leben gewidmet haben.

Von Dagmar Röhrlich | 24.07.2016
    Die Hobby-Ornithologen Witiko Heuser (l) und Ingo Rösler (r) stehen mit ihren Feldstechern und Spektiven auf dem Dach des Posthochhauses der Commerzbank am Rande des Hauptbahnhofs von Frankfurt am Main
    Hobby-Ornithologen beobachten Vögel durch Feldstecher und Spektive. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst )
    Emilie Snethlage (1868 - 1929) hatte Naturwissenschaften studiert und war eine der ersten Frauen, die in Deutschland einen Doktortitel verliehen bekamen. Ihre Leidenschaft waren Vögel, und sie entwickelte sich zu einem echten "Ornithomaniac", wie es so schön auf Englisch heißt. Sie war äußerst hart im Nehmen, wenn es darum ging, die Vogelwelt entlang des Amazonas und seiner Nebenflüsse zu erforschen. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, ein vollständiges Verzeichnis der Vogelwelt Brasiliens zu erstellen.
    Davon konnte sie weder die Malaria abhalten, noch die Piranhas, die ihr den Mittelfinger der rechten Hand so zerfetzten, so dass sie ihn sich selbst amputieren musste. Die Forscherin, die Vögel als ihre "Patenkinder" bezeichnete und sie schoss, wenn sie sie für ihre wissenschaftliche Arbeit brauchte, ist einer der vielen Menschen, von denen Bernd Brunner in seinem Buch "Ornithomania - Geschichte einer besonderen Leidenschaft" erzählt. Sie starb an einem Herzschlag, ihr Werk blieb unvollendet, doch ihr Leben war, wie sie selbst erklärte, erfüllt.
    Von der Vogelfreundin zum "Hardcore Birder"
    Eine andere Vogelfreundin war die amerikanische Millionärin Phoebe Snetsinger (1931 - 1999), die bis zu ihrem Tod während einer Vogelexpedition auf Madagaskar etwa 8.400 Vogelarten beobachtet haben soll. Nachdem ihr Arzt ihr bei einer Krebsdiagnose 1981 prophezeite, sie werde das nächste Jahr nicht mehr erleben, hatte sie jede Behandlung abgelehnt und sich zum "Hardcore Birder" entwickelt, reiste sogar in Bürgerkriegsgebiete. Der letzte Vogel, den sie sah, war ein Rotschultervanga, "ein kleiner Vogel, der erst zwei Jahre zuvor für die Wissenschaft beschrieben worden war". Sie starb bei einem Verkehrsunfall.
    Bernd Brunners Reservoir an Vogelverrückten der verschiedensten Art scheint schier unerschöpflich zu sein. Der Stauferkaiser Friedrich II. zählt zu seinen Protagonisten, Charles Darwin und Konrad Lorenz, Fran Zappa und Walt Disney. Brunner schreibt über Menschen, die Vögel erforschen und über die, die sie als Haustiere halten, die sie abrichten oder züchten. Wie etwa Karl Ruß (1833 - 1899), der Pionier der Käfigvogelhaltung, der in Berlin lebte und sehr oft die Wohnung wechseln musste. Wahrscheinlich, weil er bis zu 200 verschiedene Vogelarten in einem zur "Vogelstube" umgebauten Zimmer hielt.
    Die besondere Beziehung zwischen Vogel und Mensch
    Bernd Brunner beschäftigt sich jedoch nicht nur mit den Freunden der Vögel, sondern auch mit Menschen wie dem Amerikaner Frank Chapman. Der setzte aus Sammelwut alles in Bewegung, um die letzten in freier Wildbahn lebenden Exemplare des Karolinasittichs zu erlegen. Das war im März 1889. Der letzte Karolinasittich überhaupt starb rund 30 Jahre später im Zoo von Cincinati. Und er schreibt auch über die Vogelhasser, die vernichten wollen, was ihnen nicht gefällt.
    Und so ist "Ornithomania" ein unterhaltsamer, manchmal amüsanter, manchmal erschreckender Almanach über die besondere Beziehung zwischen den gefiederten Nachfahren der Dinosaurier und den Menschen.
    Buchinfo:
    Bernd Brunner: "Ornithomania - Geschichte einer besonderen Leidenschaft"
    Galiani-Verlag Berlin, 264 Seiten, 24,99 Euro, ISBN: 978-3-86971-117-1