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Orthopädie
Laufen lernen mit dem Exoskelett

Exoskelette schützen die Organe von Fliegen und Käfern und bilden ein außen liegendes Skelett. Inspiriert durch die Natur soll ein künstlicher Nachbau Querschnittsgelähmten helfen, sich wieder eigenständig fortzubewegen. Auf der Messe Orthopädie-Reha-Technik in Leipzig wurden die Exoskelette für den Menschen vorgestellt und getestet.

Von Hartmut Schade | 13.05.2014
    Gehversuch mit einem Exoskelett
    Test mit einem Gangroboter, auch Exoskelett genannt. (picture alliance / dpa / Sander Koning)
    Auf zwei Krücken gestützt geht Alexander Sturm los. An beiden Beinen hat er Plastikschalen, ähnlich denen, die Patienten nach einem Kreuzbandriss tragen. Seit einem Unfall vor drei Jahren ist der ehemalige Hubschrauberpilot querschnittsgelähmt. Und so läuft in Wahrheit nicht er mit den Gerät, sondern das Exoskelett führt seine Beine, erklärt die Ärztin Jane Nitschke von der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Bergmannstrost in Halle.
    "Hier wird im Prinzip über einen Motor und Sensoren, die am System verbaut sind, die Bewegung vom Patienten aufgenommen. Das heißt über eine Veränderung des Rumpfes, durch ein Vorneigen zum Beispiel, kriegt der Computer ein Startsignal einen Schritt einzuleiten. Der Schritt ist vorprogrammiert. Der Patient muss also nicht aktiv in der Lage sein, dass durchführen zu können. Damit eignet sich das System auch für komplett gelähmte Patienten.
    Bei inkomplett Gelähmten, die noch über einen Rest an Gehvermögen verfügen, setzen die Hallenser Unfallchirurgen auf ein anderes Exoskelett. Hier registrieren Sensoren die Ströme am Muskel, wenn dieser aktiviert wird, und unterstützen dann die Beinbewegung.
    Auf einer Laufbahn steht Andrea Wuckel und sagt lachend, sie komme sich mit dem Exoskelett vor wie der Terminator, der versucht auf dem Mond zu laufen.
    "Ich muss mich drauf konzentrieren, dass ich halt den Schritt sauber ausführe. Wenn ich zum Beispiel das rechte Bein nicht richtig durchdrücke, wenn's hinten ist, ja dann wollen die Muskeln auch nicht, und das Gerät merkt nicht, dass es nach vorn gehen soll und dann stolpert man halt."
    Damit sie nicht stürzt, hängt Andrea Wuckel in einem Gurt und setzt konzentriert einen Fuß vor den anderen. Das Fernziel heißt "Laufen lernen". Laufen auf den eigenen Beinen.
    "Die Theorie sagt uns, wenn man das Gehen erlernt, dass es einfacher ist, wenn man von außen Hilfe bekommt. Es scheint auch in ersten Studien so zu sein, dass man das Gehen besser wiedererlernt"
    Aufgestützt auf einem Barren oder Laufwagen sind die meisten Patienten nach wenigen Minuten am Ende ihrer Kräfte. Stehen sie mit Hilfe des Exoskeletts auf ihren eigenen Beinen, kann eine Therapieübung durchaus eine ganze Stunde dauern. Doch von unterstütztem Gehen profitieren nicht nur die Beinmuskeln, sagt der Direktor des Zentrums für Rückenmarkverletzte im Hallenser Klinikum Bergmannstrotz, Dr. Klaus Röhl.
    Laufbewegung beeinflusst Körperfunktionen
    "Und unsere Vorstellung ist - und das bestätigen auch Studien, die wir derzeit machen - dass sowohl die Psyche als auch Körperfunktionen, von denen wir überhaupt nicht gedacht haben, dass sie durch Laufen oder Sitzen beeinflusst werden, durch die Laufbewegung wieder normalisiert werden. Das betrifft zum Beispiel das Kreislaufsystem, das betrifft auch Funktionen wie die Darm- und Blasenentleerung."
    Noch sind die Exoskelette nur ein Mittel zur Therapie und kein Ersatz für die eigenen Beine. Das werden sie auch auf absehbare Zeit nicht werden, urteilt Dr. Klaus Röhl. "Das sind Entwicklungen, die sind momentan aber noch im Stadium der Grundlagenforschung."
    Alexander Sturm freut sich trotzdem über jeden Schritt, den er mit Unterstützung seines Exoskeletts gehen kann.
    "Super Gefühl, andere Sichtweise von oben. Für mich als Rollstuhlfahrer ist alles nur in Bauchnabelhöhe sichtbar," sagt der Hüne und schaut lächelnd auf den Reporter herab, bevor er weitergeht.