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Ostukraine
Russische Separatisten wollen neuen Kleinstaat schaffen

Die von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine haben angekündigt, in den von ihnen besetzten Gebieten des Donezbecken einen neuen Kleinstaat zu gründen. Er soll "Kleinrussland" heißen. Der Vorstoß sorgt international für Kopfschütteln - eine Einigung im Konflikt rückt so in weite Ferne.

Von Florian Kellermann | 19.07.2017
    Russische Separatisten im Norden von Donezk
    Russische Separatisten im Norden von Donezk (AFP/BULENT KILIC)
    Die Ankündigung eines neuen Separatisten-Staates in der Ostukraine warf vor allem eine zentrale Frage auf: inwieweit der Plan mit Russland abgesprochen ist. Während Deutschland und Frankreich den Vorstoß eindeutig verurteilten, schwieg das offizielle Moskau bisher. Eine Stellungnahme kam einzig von Boris Gryslow, russischer Vertreter in der sogenannten Minsk-Kontaktgruppe, die regelmäßig über die Ukraine berät. Der Plan passe nicht zum Minsker Friedensprozess, so die vorsichtige Kritik von Gryslow. Russische Medien behaupteten, der Kreml sei selbst überrascht worden.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wollte das nicht glauben:
    "Russland hat die Absicht, die Ukraine zu spalten. Deshalb hat es schon einmal ein ähnliches Projekt vorgestellt: Neurussland. Dazu sollten neun Regionen der Ukraine gehören. Dieses Projekt ist gescheitert. Jetzt ist die Rede von Kleinrussland. Sie müssen wissen, dass die Separatistenführer nur Marionetten des Kreml sind, sie überbringen Botschaften, die sie aus Russland bekommen."
    Staatsgründung als Friedensprojekt?
    Moskau könne das Ziel verfolgen, mit der Drohung, einen neuen Staat zu schaffen, den Druck auf die Ukraine zu steigern, meinen ukrainische Beobachter. In den vergangenen Monaten machte Moskau schon mehrere Schritte, die den Status der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepubliken erhöhen. So erkennt Russland in manchen Fällen inzwischen die Pässe der sogenannten Volksrepubliken an.
    Der ukrainische Politologe Mychailo Basarab:
    "Solche Nachrichten haben auch ein ganz banales Ziel: Sie sollen die Aufmerksamkeit des Westens immer wieder auf das Donezbecken lenken. Moskau hofft, dass der Westen so der Ukraine überdrüssig wird - und sie letzten Endes opfert für einen sogenannten Großen Deal mit Russland."
    Alexander Sachartschenko
    Alexander Sachartschenko, selbsternannter Ministerpräsident der "Donezker Volksrepublik" (picture alliance / dpa / Sharifulin Valery)
    Dabei hatte das Oberhaupt der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Alexander Sachartschenko, seine Pläne als Friedensprojekt vorgestellt. Für den Anführer der von Russland unterstützten Separatisten ist eine Vereinigung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk nur der erste Schritt. Danach solle sich die ganze Ukraine dem neuen Staat anschließen, den er als "Malorossija", "Kleinrussland" bezeichnen will:
    "Die Bewohner der ganzen Ukraine verstehen, dass sich das Land auf einen Abgrund zubewegt. Der einzige Ausweg ist, die brüderliche Bindung zu Russland wiederherzustellen, die wirtschaftliche und menschliche Bindung. Deshalb schlagen wir den Bürgern der Ukraine vor, ihren Staat neu zu gründen."
    So solle Donezk auch nur vorläufig die Hauptstadt des neuen Gebildes sein, die eigentliche Hauptstadt bleibe Kiew. Deshalb hatte Sachartschenko auch Vertreter aus anderen ukrainischen Regionen nach Donezk eingeladen.
    Fast täglich werden ukrainische Soldaten verletzt oder getötet
    Sachartschenko verband seinen Vorschlag mit einer, etwas unklar formulierten, Drohung: "Mein Vorschlag ist nur dann umzusetzen, wenn ihn die internationale Staatengemeinschaft unterstützt. Ich hoffe, dass die westlichen Politiker ihr Gewissen sprechen lassen und nicht ihre eigenen Interessen gegen Zehntausende unschuldige Menschenleben tauschen. Das ist unser letzter Vorschlag, hinter dem unsere Armee und unser Siegeswille stehen."
    Die Ankündigung könnte also auch Vorbote einer neuen Eskalation im Donezbecken sein. In den vergangenen Tagen waren die Kämpfe an der sogenannten Kontaktlinie etwas abgeebbt, trotzdem werden fast täglich ukrainische Soldaten verletzt oder getötet.
    In Minsk trifft sich heute die Ukraine-Kontaktgruppe. Ein Vertreter der Ukraine kündigte bereits an, zuerst müssten die gestrigen Vorgänge besprochen und aus dem Weg geräumt werden. Sollten die Vertreter der sogenannten Donezker Volksrepublik bei ihren Plänen einer Staatsgründung bleiben, hätten weitere Friedensgespräche keinen Sinn.