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OSZE-Vorsitz
Österreich will stärker auf Russland zugehen

Für das kleine Österreich wird der OSZE-Vorsitz 2017 eine Kraftanstrengung. Außenminister Sebastian Kurz hat sich vor allem ein Ziel gesteckt: "Wir müssen den Dialog mit Russland suchen." In der zweiten Januarhälfte will Kurz nach Moskau reisen, um über Konflikte mit russischer Beteiligung zu sprechen.

Von Ralf Borchard | 02.01.2017
    Der österreichischer Bundeskanzler Christian Kern (L) und Außenminister Sebastian Kurz unterhalten sich an einem Tisch während eines Aufenthaltes in New York am 18.09.2016
    Bundeskanzler Kern und Außenminister Kurz im Gespräch (dpa/Andy Wenzel)
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat zum Ende des deutschen OSZE-Vorsitzes eine skeptische Bilanz gezogen. Der Ukraine-Konflikt: ungelöst. Das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen: verloren. "Die tragenden Säulen sind brüchig geworden, der Ton ist rauer geworden, gerade auch zwischen Ost und West."
    Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat sich für 2017 vor allem ein Ziel gesteckt: wieder stärker auf Russland zuzugehen. Kurz sagt zur Rolle Österreichs: "Unser großer Vorteil glaube ich ist, dass wir ein kleines, aber neutrales Land sind, dass wir auch geographisch immer Brücke zwischen Ost und West waren, dass wir uns insbesondere auch in den schwierigen Jahren des Ukraine-Konflikts immer eine gute Gesprächsbasis nach Russland aufrecht erhalten haben. Wir müssen den Dialog mit Russland suchen. Es kann Friede auf unserem Kontinent niemals gegen, sondern immer nur mit Russland geben."
    Auch auf dem Balkan schlummert weiter Konfliktpotential
    In der erste Januarhälfte will Kurz in die Ukraine fliegen und auch die OSZE-Beobachter an den Frontlinien in der Ost-Ukraine besuchen. In der zweiten Januarhälfte soll ein Moskau-Besuch folgen - ein erster Praxistext für seine Versöhnungsstrategie mit Russland.
    Auch andere Dauerkonflikte will Kurz in Moskau ansprechen, die Lage in Transnistrien etwa, dem von Russland protegierten Gebiet in der Republik Moldau, oder den Konflikt in Berg-Karabach, der zwischen Armenien und Aserbaidschan umkämpften Region im Kaukasus. Auch auf dem Balkan schlummert weiter Konfliktpotential: Russland macht etwa in der Republika Srpska, der serbischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas, wieder verstärkt seinen Einfluss geltend.
    Den Kampf gegen Radikalisierung verstärkt zum Thema machen
    Und Sebastian Kurz sieht auch Syrien und den Irak als Aufgabengebiet der OSZE, jedenfalls indirekt, durch tausende Anhänger des radikalen sogenannten Islamischen Staats IS: "Wir haben 10.000 Menschen aus dem OSZE-Raum, die sich auf den Weg gemacht haben, um in Syrien und im Irak zu vergewaltigen, zu morden oder religiöse Minderheiten auszulöschen. Wenn diese Menschen zurückkehren, dann sind sie aber auch eine massive Sicherheitsbedrohung für unserer Gesellschaften in Europa."
    Deshalb müssten die OSZE-Länder den Kampf gegen Radikalisierung verstärkt zum Thema machen, so Kurz: "Nicht nur militärisch, in Syrien, im Irak, in Libyen, sondern vor allem auch in unseren eigenen Gesellschaften, polizeilich gegen Terror vorgehen, aber auch ideologisch, gegen das Gedankengut dahinter, gegen das Gedankengut eines politisch motivierten, radikalen Islamismus vorgehen."
    Wird Trump die OSZE überhaupt ernst nehmen?
    Eine wichtige offene Frage für die OSZE lautet: Werden die USA unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump und dem designierten Außenminister Rex Tillerson multilaterale Organisationen überhaupt noch ernst nehmen? Der Wiener Politikwissenschaftler und OSZE-Experte Heinz Gärtner sagt: "Ich weiß noch nicht genau ob Trump schon weiß, dass es die OSZE wirklich gibt - aber er wird auch drauf kommen. Was sich positiv auswirken kann ist natürlich vielleicht, dass Trump mit Russland bessere pragmatischere Beziehungen aufbaut, bilateral, und dass das einen indirekten positiven Effekt dann letztlich auch auf die OSZE haben kann."
    Für das kleine Österreich wird der OSZE-Vorsitz in jedem Fall eine Kraftanstrengung. Es sind rund 100 Politikbereiche, von Wahlbeobachtung über Medienfreiheit bis zum Kampf gegen Frauenhandel, die die Organisation abzudecken versucht. Für den erst 30-jährigen Sebastian Kurz, der etwa bei der Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge eine wichtige Rolle spielte, ist der OSZE-Vorsitz aber auch eine weitere Chance zur Profilierung. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt sagt Kurz, um Optimismus bemüht: "Es ist eine schwierige Ausgangssituation im OSZE-Raum. Aber dadurch hat die OSZE auch an Bedeutung gewonnen."