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Otto Modersohn
Auf der Suche nach dem Einfachen und Poetischen in der Natur

Otto Modersohn war Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie. Er und die Alten Worpsweder machten mit ihren Werken den weltabgewandten Flecken am Teufelsmoor bei Bremen zum Weltdorf der deutschen Freilicht-Malerei. Heute vor 150 Jahren wurde Modersohn in Soest geboren.

Von Rainer Berthold Schossig | 22.02.2015
    Antje Modersohn, Enkelin des Worpsweder Malers Otto Modersohn, vor dem Gemälde "Dorfstraße in Worpswede".
    Antje Modersohn, Enkelin des Worpsweder Malers Otto Modersohn, vor dem Gemälde "Dorfstraße in Worpswede". (picture alliance / dpa)
    "Ich habe ihn nur einmal gesehen - und da auch leider wenig - und gar nicht gefühlt. Ich habe nur in der Erinnerung etwas Langes in braunem Anzuge mit rötlichem Bart. Er hatte so etwas Weiches, Sympathisches in den Augen. - Ich möchte ihn kennenlernen, diesen Modersohn!"
    Die junge Künstlerin Paula Becker über den Maler Otto Modersohn, den sie bei ihrem ersten Besuch in Worpswede traf. Und sie lernte ihn kennen: Im Sommer 1901 heirateten sie - der Auftakt einer großen menschlichen und künstlerischen Freundschaft.
    "Beiden ging es um ein künstlerisches Leben. Sie hatten gemeinsame Vorstellungen von einem von der Kunst geprägten Leben."
    So sieht Rainer Noeres, Leiter des Otto Modersohn-Museums in Fischerhude bei Bremen, die Beziehung des wohl berühmtesten Worpsweder Künstlerpaares. Otto Modersohn, geboren am 22. Februar 1865 im westfälischen Soest, hatte von 1884 bis 1888 in Düsseldorf und Karlsruhe Malerei studiert. Danach ging er auf Wanderschaft: in Westfalen, im Harz und auf der Nordseeinsel Juist malte er Feldwege und Flussläufe - einfache Motive, weitab der Zivilisation. Und so wird ihm Worpswede zum malerischen Schlüsselerlebnis:
    "Modersohn kam nach Worpswede, zusammen mit Mackensen, und war begeistert von der Landschaft, der Urtümlichkeit dieses Dorfes in dieser weiten Wiesen- und Moorlandschaft, durchzogen von Kanälen, und dieses Lichterlebnis über der Ebene, das hat Otto Modersohn beeindruckt."
    Durchbruch für die Worpsweder
    Das flache Moor, die urtümlichen Bauern-Katen, die herbe Geest-Landschaft inspirieren Otto Modersohn zu expressiven Farbskizzen zwischen stiller Intimität und bewegter Dramatik. Antje Modersohn, die Enkelin des Künstlers:
    "Er hat sein eigenes Gefühl für die Natur in jeder Landschaft, in der er lebte, umgesetzt in seine Kunst. Er hat zum Beispiel gesagt: Es kommt nicht darauf an, was man malt, sondern wie man malt."
    1895 schaffen die Worpsweder den Durchbruch: Sie werden zu einer Schau im Münchener Glaspalast geladen, Worpswede wird über Nacht international bekannt. Paula Becker kommt in die Künstlerkolonie, der Dichter Rainer Maria Rilke und der Dramatiker Carl Hauptmann besuchen Heinrich Vogeler in seinem "Barkenhof". Für dessen Frau Martha eine bewegende Zeit:
    "Es war ein ganz kleiner Kreis, Paula Modersohn, Otto Modersohn, Clara Westhoff und noch ein paar Worpsweder. So hatten wir immer schöne Sonntagabende."
    Die Worpsweder Idylle währt nur kurz. Paula Modersohn-Becker stirbt 1907, gerade 31 Jahre alt. Spannungen und Auseinandersetzungen sprengen die Künstlergruppe. Otto Modersohn siedelt ins benachbarte Fischerhude über. Unter dem Einfluss von Vincent van Gogh wird seine Palette kräftiger, intensiver. 1911 plädiert Modersohn als einziger "Worpsweder" klar für eine internationale Kunst:
    "Die Nationalität spielt bei der Kunst überhaupt keine Rolle, es kommt lediglich auf die Qualität an."
    Sympathie für Nationalsozialisten?
    Nach einem missglückten Versuch, im Allgäu eine neue Heimat zu finden, kehrt Modersohn in den 30er-Jahren zurück ans Teufelsmoor. Hat er mit den Nationalsozialisten sympathisiert? Museumsleiter Rainer Noeres widerspricht entschieden:
    "Er ist ein durch und durch unpolitischer Mensch gewesen, im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und auch im Dritten Reich. Er hat nie einer Partei angehört. Er hat sich nie politisch geäußert."
    Modersohns Spätstil ist monumental, lapidar, ja schroff. Seine letzten Bilder zeigen herbstliche und winterliche Landschaften. Was der Maler, seit 1935 auf dem rechten Auge blind, sehen kann und will, ist aufs Wesentliche beschränkt.
    "Meine Kunst füllt meine Tage aus, aber es bleibt ein Gefühl der Vereinsamung in mir, das mich oft niederdrückt. Fischerhude ist mir von Neuem lieb geworden. Ich bin jetzt ganz wissend."
    Hier, in Fischerhude, ist Otto Modersohn im Frühling 1943 gestorben.