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Outdoor-Klettern und Naturschutz
Bei Verstoß schließt der Berg

Die Fränkische Schweiz gilt als Kletterparadies, aber auch als Biotop für seltene Tiere und Pflanzen. Ein spezielles Kletterkonzept bringt in Bayern Sport und Natur erfolgreich in Einklang – zumindest bisher, denn Konflikte gibt es mit einem noch neuen Klettersport: dem Bouldern.

Von Susanne Lettenbauer | 17.07.2020
Sophie aus Erlangen klettert am 12.04.2015 bei Loch (Bayern) eine Felswand hinauf. Die Fränkische Schweiz ist ein wahrhaftes Kletter-Mekka. Die milden Temperaturen laden zu sportlichen Tagen ein. Foto: Nicolas Armer/dpa | Verwendung weltweit
Felswand bei Loch (Bayern) – die Fränkische Schweiz gilt als Kletter-Mekka (picture alliance / dpa)
Am Wochenende raus an den Felsen - die Fränkische Schweiz nördlich von Nürnberg gehört zu den weltberühmten Klettergebieten, eine der schwersten Routen der Welt liegt hier. Kein Wunder, wenn das Gebiet in den vergangenen Jahren auch von ausländischen Gästen immer mehr entdeckt wurde. 150 bis 200 Kletterer am Wochenende an einem Kletterfelsen war vergangenes Jahr keine Seltenheit. Hinzu kommen die Boulderer, die nur mit Matratze anreisen und die unteren Felsen bis zwei Meter beklettern. Doch es brüten Wanderfalke und Uhu in den Kalkfelsen, an den Wänden wachsen Eiszeitpflanzen und -moose. Um das in Einklang zu bringen, gibt es schon seit gut 20 Jahren ein spezielles Kletterkonzept.
"Dieser Pfeil, dieses Dreieck, das nach rechts gekippt ist, begrenzt den Kletterbereich. Also alles, was rechts von der Pfeilspitze ist, ist dem Klettersport frei und kann genutzt werden. Was auf der Breitseite, also links davon ist, soll vom Klettersport freigehalten werden."
"Wenn der Wanderfalke brütet, ist am Kletterfelsen Ruhe"
Bernd Raab vom Landesbund für Vogelschutz LBV weist auf das das erste Schild am Berghang hinter ihm. Hier in der Bärenschlucht bei Pottenstein in der Fränkischen Schweiz zeigen Pfeile und Zahlen an, ob und wann ein Felsen bestiegen werden darf:
"Es gibt eine räumliche Zonierung, das heißt, wenn zum Beispiel gerade der Wanderfalke brütet oder der Uhu brütet oder wenn sie gerade am Balzen sind, dann ist hier am Kletterfelsen Ruhe. Erst wenn die Jungen ausgeflogen sind, darf wieder geklettert werden."
Seit gut zwanzig Jahren sind Bayerns Felsen durchzoniert in drei Bereiche, erklärt Raab. Zone 1 ist teilweise oder ganz gesperrt, in Zone 2 darf nur auf vorhandenen Routen geklettert werden und Zone 3 ist freigegeben, auch für neue Routen. Vom Franken- über das Fichtelgebirge bis hin zum Allgäu und Bayerischen Wald haben Landratsämter, Bund Naturschutz, LBV und Klettervereine fast jeden Felsen begutachtet und eingeteilt.
Bei Verstößen sperren Landratsämter großräumig
Der Deutsche Alpenverein pflegt auf seiner Webseite felsinfo.alpenverein.de aktuelle Sperrungen ein, wenn Kletterer und Vogelschützer an einzelnen Orten Brutplätze bemerken oder die selten gewordenen Wanderfalken und Uhus sichten. Auch auf der Webseite frankenjura.de werden Sperrungslisten geführt, an die sich die Kletterer meist ohne große offizielle Kontrollen halten – und zwar aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Denn wenn dagegen verstoßen wird, sperren die Landratsämter großräumig:
"Ich finde das super, man hält sich halt dran. Es gibt ja eine riesige Auswahl an Kletterrouten, die nicht gesperrt sind. Warum muss ich da irgendwo klettern, wo gesperrt ist?"
Meint ein junger Mann aus Dresden, der seine Partnerin an einem der fränkischen Kalkfelsen sichert.
"Wenn die Masse der Menschen zu viel wird, muss man reglementieren"
Willi Emmer, ein ehemaliger Krankenpfleger und passionierter Felsliebhaber, betreibt das Klettergebiet "Intensivstation" im fränkischen Tüchersfeld. Die drei Zonen wie auch die 12 Kletterregeln des Deutschen Alpenvereins seien eine wichtige Maßnahme gewesen, Naturschutz und Outdoorklettern zu versöhnen, meint er. Die pittoresken Felsen in allen Schwierigkeitsgraden ziehen normalerweise an den Wochenenden hunderte Kletterer in seinen Kletterwald. Deshalb hat er eine Entscheidung getroffen:
"Wenn die Masse der Menschen zu viel wird, muss man das reglementieren. Also wir hier haben die klare Regelung, dass wir an Wochenenden und Brückentagen nur noch für unsere Hausgäste offen haben. Wir haben ja teilweise 150 bis 200 Kletterer hier an Wochenendtagen da gehabt, und da merkt man, wenn man die Natur beobachtet, ein offenes Auge hat, dass das die Natur nicht mehr vertragen kann."
In der fränkischen Schweiz wie auch in Thüringen, Sachsen, im Hunsrück und in der Südeifel sind Kletterfreunde in Interessengemeinschaften IG Klettern organisiert, die wiederum im Bundesverband IGBV zusammengefasst sind. Wann immer Konflikte zwischen Naturschutz und Felsfreunden auftreten, werden diese mit den Landratsämtern, der Unteren Naturschutzbehörde, den Naturschutzverbänden, Forstämtern und der örtlichen Interessensgemeinschaft Klettern geklärt.
"Naturpark-Ranger sind personell unterfordert"
In Bayern, wo das Gesetz ein generelles Naturbetretungsrecht zusichert, geht es dabei vor allem um Routensperrungen. In Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg gelten Felsen hingegen per se als geschützt und müssen erst freigegeben werden. Die Kommission Klettern und Naturschutz des Deutschen Alpenvereins trifft sich regelmäßig und entwickelt Kletterkurse für einen nicht verbindlichen Outdoorkletterschein.
Geoökologe und Grünenpolitiker Andreas von Heßberg aus Bayreuth begrüßt diese Absprachen. Das würde funktionieren, wenn auch die Kontrollen lückenhaft seien:
"Da bräuchte es natürlich diese Naturpark-Ranger, die ja auch ihre Pappenheimer und Felsen kennen, aber die sind meiner Meinung nach personell unterfordert."
Boulderer sind kaum organisiert
Die Absprachen zwischen den Verbänden und Institutionen, die beim klassischen Bergklettern seit Jahren gut funktionieren, fehlen jedoch beim relativ neuen Bouldersport. Dort gibt es auf der Sportlerseite bislang keine Ansprechpartner. Die Niedrigkletterer sind kaum organisiert und streifen auf der Suche nach kleinen Felsen schon mal wahllos quer durch Wald und Wiesen, kritisieren Naturschützer wie Karl-Heinz Peters vom bayrischen Bund Naturschutz. Peters ist auch Wegewart im von Felsen umgebenen fränkischen Pottenstein:
"Was wir hier haben, sind die, die einfach reinfahren ins Fränkische und diese komischen Zweimeter-Klettergeschichten machen und sich dann nicht sichern. Das sind die, die uns Sorgen machen und Probleme. A, weil sie sich nicht anmelden und einfach noch dazukommen. Und B, weil sie ihren Müll liegen lassen, ihre Matratzen, wo sie drauffallen."
Der Konflikt ist vorprogrammiert, die Kletterszene distanziert sich von den Konkurrenten. Kletterwaldbetreiber Willi Emmer sieht es pragmatisch. Wenn jemand Tipps fürs Bouldern sucht, gibt er sie. Einen Boulderführer, ähnlich wie Kletterkarten oder -apps, wird es in der Fränkischen Schweiz jedoch nicht geben.