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Ozeanversauerung
Populationen einer Art kommen mit Ozeanversauerung unterschiedlich gut zurecht

Schon seit einigen Jahren beschäftigen sich Forscher mit der Frage, was passiert, wenn die Ozeane saurer werden. Denn wenn der Kohlendioxid-Gehalt in der Luft steigt, löst sich ein großer Teil des Kohlenstoffs im Meerwasser. Mit Labor- und Freilandexperimenten versuchen die Forscher abzuschätzen, wie Organismen auf diese Ozeanversauerung reagieren werden. Was sie dabei aber bisher wenig beachtet haben: Verschiedene Population derselben Art können offenbar recht unterschiedlich auf höhere CO2-Konzentrationen im Wasser reagieren.

Von Christine Westerhaus | 06.04.2016
    Wellen der Nordsee brechen sich vor dem Strand von Helgoland
    Wenn der Kohlendioxid-Gehalt in der Luft steigt, löst sich ein großer Teil des Kohlenstoffs im Meerwasser (dpa picture alliance/ Christof Martin)
    Die einen mögen es sauer, die anderen nicht. Und wenn sie mit anderen Arten um Nahrung konkurrieren, sind es wieder andere Spieler, die das Rennen in einem saureren Ozean gewinnen werden. Das bisherige Bild, das Forscher aus ihren Ozeanversauerungs-Experimenten gewonnen haben, ist kompliziert. Und es könnte noch komplexer werden, wie Hannah Wood und ihre Kollegen von der Universität Göteborg nun herausgefunden haben. Denn die Individuen der gleichen Art können recht unterschiedlich auf saureres Wasser reagieren – je nachdem, an welchen Umweltstress sie sich sonst in ihrem Lebensraum anpassen mussten.
    "Wir wollten herausfinden, ob verschiedene Populationen der gleichen Art unterschiedlich auf die Ozeanversauerung reagieren. Deshalb haben wir Meerasseln untersucht, die an sehr unterschiedliche Salzgehalte angepasst sind. Und dabei haben wir gesehen, dass Individuen, die hohe Salzgehalte gewöhnt sind, in saurerem Wasser weniger Energie verbrauchen, als Meerasseln, die im Brackwasser leben."
    Individuen, die an das salzarme Brackwasser angepasst sind, benötigen also deutlich mehr Energie, um im saureren Wasser zu Recht zu kommen. Möglicherweise gelingt es ihren an hohe Salzgehalte angepassten Artgenossen besser, das saurere Wasser zu neutralisieren. Unter Laborbedingungen, wenn genügend Nahrung zur Verfügung steht, muss das kein Nachteil sein. Doch im Freiland, in Konkurrenz mit anderen Arten, könnte der Hunger den Tieren zum Verhängnis werden.
    "Alle Tiere haben ein Energiebudget, mit dem sie haushalten müssen. So wie Menschen mit ihrem Monatsgehalt. Und wenn ein Tier sehr viel Energie investiert, um die Effekte der Ozeanversauerung zu kompensieren, bleibt weniger für Wachstum und Reproduktion übrig. Diese Effekte werden wir uns in Zukunft genauer ansehen."
    Dass die Individuen der gleichen Art sehr unterschiedlich auf die Ozeanversauerung reagieren können, sollten Forscher in Zukunft stärker berücksichtigen, meint Hannah Wood. Denn wenn sich eine lokale Population von niedrigeren pH-Werten im Experiment nicht beeindrucken lässt, kann es dennoch sein, dass ihre Verwandten sehr wohl darunter leiden.
    "Dass Populationen unterschiedlich auf die Folgen der Ozeanversauerung reagieren, ist eine wichtige Information, wenn man zum Beispiel Fischereiquoten festlegt. Dieses Wissen kann uns auch dabei helfen, Regionen zu identifizieren, in denen Lebewesen besonders betroffen sein werden. Diese könnte man dann schützen, indem man andere Stressfaktoren, wie beispielsweise den Eintrag von Schadstoffen, verhindert und Fischerei oder Tourismus begrenzt."
    Auf der anderen Seite zeigen Woods Ergebnisse, dass es vielleicht in jeder Art Populationen oder zumindest Individuen gibt, die besser mit der Ozeanversauerung zurechtkommen. Das könnten vor allem Gemeinschaften sein, die sich in ihrem Lebensraum schon an andere Stressfaktoren gewöhnen mussten.
    "Wir wollten mit dieser Studie auch die Frage beantworten, ob Populationen, die andere Stressfaktoren tolerieren, wie beispielsweise einen hohen Salzgehalt, auch besser mit der Ozeanversauerung klarkommen. Dieser physiologische Stress könnte Populationen gleichzeitig resistenter gegen niedrigere pH-Werte machen. Doch bisher können wir keine abschließende Antwort darauf geben, denn dies ist die erste Studie, die diesen Zusammenhang untersucht hat."
    Nun wollen die Forscher weitere Arten untersuchen, um dann vielleicht einen Trend ablesen zu können. Dabei geht es auch um kommerziell genutzte Arten, wie beispielsweise die Eismeergarnele. Entdecken Wood und ihre Kollegen Populationen, die besser mit der Ozeanversauerung zurechtkommen, könnten diese gezielt in Zuchtprogrammen eingesetzt werden.