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Paketdienste
Feierabend ist erst, wenn das letzte Paket beim Kunden ist

Das Geschäft mit dem Onlinehandel boomt. Wenige Klicks und schon an einem der nächsten Tag ist das Päckchen da. Aber was bedeutet das für Paketboten? Bis zu 150 Sendungen werden an einem durchschnittlichen Tag ausgeliefert - ein Knochenjob.

Von Sebastian Moritz | 09.11.2017
    In der Paket-Zustellbasis Groß Schwaß bei Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wartet am 16.12.2014 eine LKW-Ladung Pakete auf die Verteilung
    Insbesondere in der Vorweihnachtszeit herrscht Hochbetrieb bei Paketdiensten (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    Mehr als hundert Mal wird Markus heute an fremden Haustüren klingeln. Markus heißt eigentlich nicht Markus, doch er möchte seinen echten Namen lieber nicht im Radio hören.
    Der Paketbote hat mehr als 150 Sendungen bis unter die Decke seines Transporters gestapelt. Sein Revier: Die Kölner Innenstadt. Der Auftrag: Pakete loswerden und zwar so schnell wie möglich. Feierabend ist erst, wenn das letzte Paket beim Kunden steht.
    Diesmal hat er Glück. Der eigentlich Empfänger ist zwar nicht zu Hause, aber eine Nachbarin öffnet die Tür: "Hallo! Hallo! Wer hat denn da schon wieder was bestellt? Herr Biermann. Ach, wie immer. Wie fast immer. Wie ist denn Ihr Name? Gärtner. Alles klar, danke. Tschüss."
    Es ist zwölf Uhr mittags. Die meisten Kunden sind jetzt bei der Arbeit. Markus kennt das schon und weiß sich zu helfen. "Die Dame wird nicht da sein, wahrscheinlich. Das Cafe nimmt die Pakete an für sie. Man weiß, wer ungefähr nicht da ist und, wer für wen Pakete annimmt."
    Noch wird er seine Pakete in den meisten Geschäften los. Im Dezember, wenn sein Transporter voller wird, sieht das schon anders aus. "Es gibt Geschäfte, in der Weihnachtszeit, wenn es denen zu viel wird, die haben mir schon gesagt, dass sie keine Pakete für die Nachbarn annehmen, da kann man sich dann auch drauf einstellen."
    Politessen drücken mal ein Auge zu
    Seit etwa einem Jahr fährt Markus die Tour in der Kölner Innenstadt, inzwischen ist er hier gut vernetzt und kennt sich aus. Das ist auch nötig. Gerade in einer Stadt wie Köln ist es nicht immer leicht einen Parkplatz zu finden, nicht selten parkt Markus mit seinem Transporter daher in der zweiten Reihe. "Wir haben als Kuriere manche Politessen, die auch die Augen zudrücken. Manche auch nicht, die meisten sind aber auch korrekt zu uns."

    Meist parkt er nur für wenige Minuten, dann geht es weiter. Hinter dem großen Berg an Paketen im Laderaum seines Transporters steckt ein System, das zumindest er kennt. Bei Kunden, die selten zu Hause sind und keine Nachbarn haben, die die Pakete für sie entgegen nehmen, hat er sogar die Telefonnummer: "Ja Hallo, sind sie zu Hause?" Der Anruf aus dem Auto ist nicht selbstverständlich, das müsste Markus nicht machen. Für so viel Einsatz gibt es manchmal auch Trinkgeld. Und natürlich weiß Markus auch: Wenn er die Kundin heute nicht erreicht, muss er morgen nochmal los: "Wir müssen es halt zustellen. Entweder beim Nachbarn oder bis zu dreimal hin zum Kunden."
    Und diese Arbeit möchte er sich sparen. Denn drei Zustellversuche heißt unter Umständen auch: Dreimal Treppensteigen. In Laufschuhen, kurzer Hose und T-Shirt sprintet Markus durch die Treppenhäuser in der Kölner Innenstadt: "Das sind teilweise bis zu 30.000 Schritte. In der Altstadt gibt es fast nur Altbau, da sind keine Aufzüge. Das hält fit, ja." Wenn es einen Aufzug gibt, nutzt er die kurze Zeit zum Verschnaufen. Er ist ein Stück weit sein eigener Chef. Wie schnell er die Pakete verteilt, ist seine Sache. "Ich kann mir die Zeit selber einteilen, ich kann zum Beispiel eine halbe Stunde Pause machen und quatschen. Wenn ich die Zeit dazu habe, mache ich das auch."
    Rennen, rennen, rennen
    Heute hat er eigentlich keine Zeit. Er ist etwas später losgekommen, der LKW mit den Paketen stand auf dem Weg ins Zentrallager im Stau. Fünf Minuten für die Zigarette mit dem Kollegen vom anderen Paketdienst hat er aber immer: "Noch 90 Pakete und 42 Kunden. Ich habe noch 125." Sein Kollege ist seit etwa fünf Jahren als Paketbote unterwegs. Sein Job hat ihn fit gemacht: "Wir rennen, wir rennen, wir rennen. Wir müssen ja die Pakete loswerden. Man kann das Fitnessstudio weglassen. Ich war früher 135 Kilo. Ich habe in fünf Jahren 45 Kilo abgenommen durch den Job."

    Markus ist nicht direkt bei dem Zusteller angestellt, dessen Name auf seinem Transporter steht. Er arbeitet für einen Subunternehmer. "Es gibt ein Festgehalt, jeder hat seinen Bezirk. Wer aber noch mehr Pakete mitnimmt, kann auch noch zusätzliches Geld verdienen." Der Stundenlohn für Paketfahrer liegt laut Tarifvertrag bei 10,75. Subunternehmer zahlen jedoch selten nach Tarifvertrag. Und Überstunden, etwa zur Weihnachtszeit, sind meist inklusive. Bei den Paketen spielt es keine Rolle, ob es nur kleine Umschläge sind, die sogar in den Briefkasten passen oder große Möbelstücke: Kühlschränke, Mikrowellen und Waschmaschinen, die er nur mit Hilfe der Sackkarre zum Kunden bekommt. Und die Arbeit wird nicht weniger. Mit dem steigenden Umsatz der Onlinehändler, wächst auch die Zahl der Pakete in Markus´ Transporter: "Man merkt es auf jeden Fall, dass es mehr wird. Wir haben das im Sommer mal verglichen, da waren es 900 Pakete mehr auf den Monat verteilt."

    Im Dezember herrscht bei den Paketboten Ausnahmezustand. Dann kann es sein, dass Markus seinen Wagen auch zweimal am Tag beladen muss. Doch auch hier gilt der Grundsatz: Feierabend ist erst, wenn das letzte Paket beim Kunden ist.