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Paläoanthropologie
Taung-Schädel ist primitiver als gedacht

Im Jahr 1924 war im südafrikanischen Taung erstmals ein Schädelfossil eines Frühmenschen entdeckt worden. Der Fund bewies Charles Darwins These, dass die Wiege der Menschheit in Afrika gestanden haben muss. Doch auch 90 Jahre später sorgt die Entdeckung für immer neue Erkenntnisse.

Von Michael Stang | 23.12.2014
    Nachbildung des fossilen Schädels "Kind von Taung"
    Nachbildung des fossilen Schädels "Kind von Taung" (picture alliance / dpa)
    Vor 2,5 Millionen Jahren kam es im südlichen Afrika in Taung zu einer tragischen Szene. Ein Adler hatte ein kleines Kind am Kopf gepackt und es weggetragen. Der Kopf des vierjährigen Frühmenschen riss vom Körper ab und landete in einer Felsspalte, wo er versteinerte. Noch heute sind die Krallenabdrücke am Schädel des sogenannten Taung-Kindes zu sehen. Die nicht einmal faustgroßen Fossilien dieses Australopithecus africanus befinden sich in der Universität von Witwatersrand in Johannesburg, die nun erstmals mithilfe eines Computer-Tomografen untersucht wurden.
    "Wir befinden uns jetzt in der Mikro-CT-Abteilung der Paläowissenschaften an der Witts Universität. Die Umgebungsgeräusche stammen einmal von dem Scanner selbst mit der Computereinheit, zudem benötigen wir hier eine Klimaanlage, damit das alles kühl bleibt."
    Der US-amerikanische Forscher zeigt auf einen großen, weißen Kasten, knapp zwei Meter hoch, zweieinhalb Meter lang und zwei Meter tief. Sieben Tonnen bringe der Computer-Tomograf auf die Waage. Mit diesem Gerät hat er das Taung-Fossil untersucht. Kristian Carlson steigt drei Stufen empor, geht zur Tür des Geräts und öffnet es.
    "Ich stehe jetzt inmitten des Scanners, hier kann man die Position der Fossilien dann ändern und alles für die Röntgenuntersuchung anpassen....hier ist in etwa so viel Platz wie in einem Kleinwagen. Mithilfe der hochauflösenden Bilder konnten wir am Bildschirm erstmals Gestein entfernen, das auf Höhe der Augen zwischen Gehirn und Schädel steckte."
    Der präfrontale Cortex des Taung-Kindes zeigt noch keine Vergrößerungen
    Damit konnten die Forscher rekonstruieren, welche Gehirnregionen im frühen Kindesalter bei diesem aufrecht gehenden Frühmenschen bereits entwickelt waren und welche noch nicht. Die Bilder beenden einen langen Streit. Denn sie zeigen deutlich, dass dieses Gehirn noch sehr primitiv war. Der präfrontale Cortex des Taung-Kindes zeigt im Gegensatz zu früheren Vermutungen noch keine Vergrößerungen. Diese hatten viele Forscher erwartet. Denn Australopithecus africanus gilt manchen Experten als Vorfahr des Homo sapiens.
    "Wir können nun die Strukturen des Gehirns erstmals detailliert anschauen. Aktuell untersuchen wir die Entwicklung der Präfrontal-Region dieses berühmten Fundes aus Taung, der dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert."
    Das Taung-Kind hatte also eher noch primitive Züge und zeigt kaum anatomische Neuerungen im Gehirn, die später typisch für alle menschlichen Vertreter sein sollten. Damit ist auch klar, dass es vor 2,5 Millionen Jahren noch nicht zu den postulierten Geburts-Dilemma kam: Das Becken dieser Frühmenschen hatte sich zwar schon an den aufrechten Gang angepasst, jedoch noch nicht an das deutlich vergrößerte Gehirn. Dadurch wäre die Geburt erschwert gewesen, weil das weibliche Becken anatomisch noch nicht an den größeren Schädelumfang angepasst war.
    Programmtipp: "In der Höhle der Menschenartigen"
    Am 25. Dezember, ab 16.30 Uhr im Deutschlandfunk
    Hören Sie den Trailer zur Sendung In der Höhle der Menschenartigen