Donnerstag, 25. April 2024

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Palästinensische Kämpfer besetzen Geburtskirche von Bethlehem

Engels: Rund 150 bis 200 palästinensische Kämpfer haben sich in der Geburtskirche von Bethlehem verschanzt. Die Kirche ist von israelischen Soldaten umstellt, und direkt an das Gotteshaus grenzt die römisch-katholische Katharinenkirche an, mitsamt dem zugehörigen Franziskanerkloster. Kurz vor der Sendung haben wir dort mit dem Oberen des Franziskanerklosters sprechen können. Das ist Pater Johannes Simon. Und ihn habe ich zunächst nach der Situation im Kloster gefragt.

03.04.2002
    Simon: Wir können nicht raus, wir können nicht rein, wir hören die Panzer, wir hören einzelne Scharmützel. Zur Zeit ist es relativ ruhig. Gestern hatten wir von halb vier früh bis nachmittags um fünf ununterbrochen Panzergeschosse, Maschinengewehre und Helikoptergeschosse. Es war also eine schreckliche Situation. Nun hat sich die Situation verschärft durch dieses gewaltsame Eindringen dieser 150 bis 200 bewaffneten Kämpfer in die alte Geburtsbasilika.

    Engels: Die Situation hat sich verschärft, sagen Sie. Wissen Sie denn irgendetwas über die Situation der dort Verbarrikadierten?

    Simon: Sie sind nicht verbarrikadiert, das ist ein völlig falsches Wort. Sie befinden sich in der Geburtsbasilika. Sie haben sich nicht mit Barrikaden umgeben. Das ist nicht wahr.

    Engels: Laut Agenturmeldungen sind auch mehrere Familien in der Kirche. Haben Sie darüber etwas gehört?

    Simon: Stimmt nicht, das ist nicht wahr.

    Engels: Wie können wir uns das vorstellen? Ist es so, dass alleine sozusagen die Kirche die israelischen Soldaten davor abhält, tatsächlich in die Kirche einzudringen?

    Simon: Es gibt die Zusage des Verteidigungsministeriums, ich meine sogar, des Verteidigungsministers persönlich, an den apostolischen Nuntius, dass die Kirche nicht angerührt wird. Es wird also - so hoffen wir es, jedenfalls - keinen Sturm auf die Basilika geben. Das wäre für uns eine Katastrophe.

    Engels: Fürchten Sie das denn? Ist angesichts der Zuspitzung der letzen Wochen auch das nicht mehr auszuschließen?

    Simon: Wir hoffen nicht.

    Engels: Ist denn auch die Katharinenkirche, die ja an die Geburtskirche angrenzt, und ist auch Ihr Kloster von den Kämpfen betroffen, auch in den letzten Tagen?

    Simon: Nein, nein. Wir stehen natürlich mitten in diesem Gewirr und Scharmützeln drin, aber bis jetzt sind wir nicht davon berührt worden.

    Engels: Wie ist derzeit Ihre Versorgungslage? Haben Sie die Möglichkeit, noch an Lebensmittel zu kommen?

    Simon: Wir müssen immer in diesen schwierigen Situationen 14 Tage im voraus planen und uns entsprechend versorgen. Also zur Zeit können wir noch existieren und leben.

    Engels: Bevor die Geburtskirche nun besetzt wurde, konnten Sie sich ja in Bethlehem, zumindest phasenweise frei bewegen. Welche Bilder sind Ihnen in den letzten Tagen in Erinnerung geblieben?

    Simon: Bis vorgestern konnten wir uns frei bewegen. Wir sind also unseren Aufgaben nachgegangen, die wir auch in der Stadt haben, bei den verschiedenen Klöstern, Schwesternhäusern, wo wir Gottesdienste halten. Und das ist eben seit gestern unmöglich.

    Engels: Sie sind ja selbst seit 1994 in der Region. Können Sie sich an eine derartige Zuspitzung, wie wir sie derzeit erleben, erinnern?

    Simon: Nein. Wir hatten nur diese schmerzlichen Auseinandersetzungen mit den fanatischen Moslems in Nazareth vor drei Jahren. Da gab es eine ähnliche Situation, aber sie war anders geartet. Das war diese kleine fanatische Gruppe, und da waren wir auch eingeschlossen, abgesperrt, aber wir konnten uns relativ frei bewegen.

    Engels: Wenn wir noch einmal auf die Situation blicken, denken Sie dass Ihre Kirche möglicherweise eine Vermittlungsrolle dort übernehmen kann?

    Simon: Es wird verhandelt. Soweit ich weiß, ist mit dem amerikanischen Präsidenten von Seiten unseres Ordens verhandelt worden. Die Kirchenoberen in Jerusalem unternehmen alles Mögliche, um dort mit der israelischen Regierung, mit der Militärführung zu einer Lösung zu kommen. Es wird also alles Denkbare versucht, aber man weiß natürlich nicht, wie das Militär, wie die israelische Führung letztlich reagieren wird. Wir haben nur heute gehört, dass sie weitere Städte besetzt haben, also wir wissen nicht, wie sich das entwickelt.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.