Dienstag, 19. März 2024

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Palästinensischer Diplomat zu Nahostplan
"Details in Trumps Erklärungen sind nicht ermutigend"

Der palästinensische Diplomat Abdallah Frangi hat die umstrittenen Pläne von US-Präsident Donald Trump für den Nahen Osten als einseitig zugunsten Israels abgetan. Trump rede nur mit israelischen Vertretern, nicht mit Palästinensern, sagte der Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Dlf.

Abdallah Frangi im Gespräch mit Christiane Kaess | 28.01.2020
January 27, 2020, Washington, District of Columbia, USA: Benjamin Netanyahu, Prime Minister of the State of Israel, speaks to members of the media with United States President Donald J. Trump outside of the White House in Washington, D.C., U.S., on Monday, January 27, 2020. Washington USA PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAs152 20200127zaas152045 Copyright: xStefanixReynoldsx
US-Präsident Donald Trump (links) während eines Treffens mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Washington (www.imago-images.de)
Donald Trump träumt davon, etwas zu schaffen, woran alle seine Vorgänger gescheitert sind: ein stabiler Frieden zwischen Israel und den Palästinensern. Fraglich ist allerdings, wie er beide Seiten zusammenbringen will – vor allem, weil die Regierung in Washington für die Palästinenser als glaubwürdiger Mediator ohnehin nicht mehr in Frage kommt. So reagieren die Palästinenser auf die Ankündigung des Plans schon jetzt ablehnend. Der Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiegebiete, Mohammad Schtajjeh, verurteilte den Plan. Der verstoße gegen internationales Recht. Die Initiative diene lediglich dazu, Trump vor der Amtsenthebung zu schützen und Netanjahu vor dem Gefängnis, so Schtajjeh. Dazu äußert sich Abdallah Frangi, palästinensischer Diplomat und Berater für internationale Beziehungen für Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Er gehört der Fatah an, der größten Fraktion der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO.
Christiane Kaess: Warum lehnt die palästinensische Seite den Plan ab, bevor Details überhaupt bekannt sind?
Abdallah Frangi, persönlicher Berater von Palästinenser-Präsident Abbas für außenpolitische Angelegenheiten.
Abdallah Frangi, persönlicher Berater von Palästinenser-Präsident Abbas für außenpolitische Angelegenheiten (dpa)
Abdallah Frangi: Ich meine, die Details sind in den Erklärungen, die wir bis jetzt von Trump gehört haben, nicht ermutigend. Trump hat von Anfang an gesagt, er will uns beiden helfen, Israelis und Palästinenser, und spricht von Schritten, die jetzt erwähnt wurden in dem Interview, Jerusalem als Hauptstadt für die Israelis zu machen. Das heißt, der erste wichtige Punkt für die Palästinenser steht zu Gunsten und auf Seiten der Israelis.
Es gibt aber auch einen zweiten Punkt, keine Gespräche mit den Palästinensern, und er hat das Geld und die Unterstützung für die Palästinenser gestoppt, weil sie angedeutet haben, diese Punkte, die für die Palästinenser nicht annehmbar sind, nicht zu akzeptieren.
Und drittens: Er redet jetzt die ganze Zeit mit Netanjahu und Gantz, das heißt mit dem israelischen Ministerpräsidenten und mit dem Oppositionschef in Israel. Mit keinem einzigen Palästinenser hat er gesprochen, mit keinem arabischen Staatsmann, nicht mit der Arabischen Liga. Das heißt, er hat uns ausgeklammert und er schreibt uns vor, oder er hat vor, uns zu diktieren oder zu zwingen, die Politik zu akzeptieren, die einseitig ist für Israel. Das heißt, Israel ist ein Besatzerstaat und besitzt palästinensisches Land, und bis zum heutigen Tag sind die Israelis diejenigen, die nicht zulassen wollen, dass die Palästinenser ihren eigenen Staat bauen wollen.
"Wir blockieren das nicht"
Kaess: Aber, Herr Frangi, wahr ist auch, dass Palästinenser-Präsident Abbas Trumps Angebot zum Dialog in den letzten Monaten abgelehnt hat, und der Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiegebiete hat jetzt sogar die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, den Plan zu boykottieren. Wie soll denn da Bewegung in einen möglichen Nahost-Friedensprozess kommen, wenn eine Seite – und das ist ja im Moment die palästinensische – total blockiert?
Frangi: Wissen Sie, es sieht nach außen so aus, als ob wir das blockieren. Nein, das stimmt nicht. Der amerikanische Präsident, nachdem er Abbas getroffen hat, hat die Vertretung der Palästinenser dort in den USA rausgeschmissen. Er hat die Gelder für die Unterstützung, für die Entwicklung in den palästinensischen Gebieten – über 200 Millionen Dollar – ausgestrichen. Er hat all die Punkte eigentlich, die eine gewisse Balance zwischen den Israelis und Palästinensern bedeuten, worauf jeder amerikanische Präsident geachtet hat, total ignoriert. Und er macht jetzt eine Politik, eigenmächtig, sogar ohne die Zustimmung der beiden amerikanischen Parteien, und er will praktisch die Politik der Israelis durchsetzen, und die israelische Politik läuft darauf hin, dass sie die Expansion fortführen, dass die Siedlungen fortgebaut werden in den palästinensischen Gebieten. Das heißt, die Palästinenser sind in diesem Punkt nicht berücksichtigt.
Kaess: Herr Frangi, es gibt aber auch, wenn das stimmt, was wir jetzt vorab von diesem Plan hören, Annäherungsversuche. Ökonomisch zum Beispiel sieht dieser Plan aus Washington angeblich 50 Milliarden Dollar Investitionen in palästinensischen Gebieten und in angrenzenden arabischen Ländern in den kommenden zehn Jahren vor. Könnten die Palästinenser dieses Geld nicht gut gebrauchen?
Frangi: Wir haben Erfahrungen mit den Zahlen. Es sind immer wieder Zahlen ausgesagt und ausgesprochen und versprochen worden für den Frieden. Die Palästinenser bekommen einmal 40 Milliarden und einmal 50 Milliarden und einmal weniger und einmal mehr. Aber das sind Gelder, die einfach nur als, wie sagt man, Lockvogel für die Palästinenser gelten. Die Palästinenser haben bis jetzt von diesen Geldern, von denen die Amerikaner gesprochen haben, nichts bekommen. Im Gegenteil! Wenn die ihre Unterstützung stoppen für den Aufbau der palästinensischen Gebiete, damit die Palästinenser keinen Staat gründen dürfen und können, haben sie mehr als 280 Millionen Dollar amerikanische Hilfe gestoppt. Das heißt, wir Palästinenser müssen die amerikanische Politik akzeptieren und wir bekommen dafür Geld, damit wir gut leben, aber wir bekommen keinen Staat und keine Identität und gar nichts.
"In diesem Punkt ist Israel eine Besatzungsmacht"
Kaess: Das ist die Frage, denn das wissen wir noch nicht, was in dem Plan genau steht, und das ist in dem Punkt noch nicht klar. Aber ich habe verstanden, an das Geld glauben Sie nicht. Dann frage ich noch mal nach dem anderen Punkt in dem Plan, der schwer wiegt, wie Sie schon am Anfang gesagt haben. Warum ist das so schwer für die Palästinenser, dem israelischen Staat Gebiete zuzugestehen und dafür eventuell ja tatsächlich einen eigenen Staat, möglicherweise auch Frieden und einen wirtschaftlichen Aufschwung zu bekommen? Würde sich das im Austausch nicht lohnen?
Frangi: Wissen Sie, Israel besitzt ja zwei Drittel von Palästina und besitzt immer noch die Westbank und den Gazastreifen.
Kaess: Das kommt dazu, dass es ja sowieso schon in großen Teilen Realität einfach ist.
Frangi: Entschuldigung! In diesem Punkt ist Israel eine Besatzungsmacht, die verurteilt worden ist, solange sie die palästinensischen Gebiete besitzt, von der UNO, von allen Institutionen, die internationalen Charakter haben. Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn die Israelis als Staat Frieden mit den Palästinensern haben wollen, dann müssen sie sich erst mal zurückziehen von den palästinensischen Gebieten, damit wir reden über unsere Gebiete. Wenn ein Austausch stattfindet oder stattfinden muss, dann können wir auch darüber reden. Das haben wir auch akzeptiert in dem Osloer Abkommen. Aber wir können nicht akzeptieren, dass sie sagen, die Westbank und das Land an der Grenze von Jordanien und und und gehört Israel und die Siedlungen werden jetzt unter israelischem Hoheitsgebiet hingenommen, und die Palästinenser gucken zu. Im Grunde genommen die Politik des amerikanischen Präsidenten läuft dahin, dass sie die Besatzungspolitik Israels in jeder Hinsicht unterstützen, und das hat bis jetzt kein amerikanischer Präsident gewagt zu machen.
Kaess: Wollen Sie versuchen, die Gesprächskanäle nach Washington wiederherzustellen?
Frangi: Wir möchten gerne, aber er hat ja das Büro zu. Er hat unsere Vertreter dort nachhause geschickt. Bis jetzt redet er nicht mit Präsident Abbas. In diesem Falle hätte er, bevor er jetzt mit zwei Israelis redet, auch mit einem Palästinenser oder zwei Palästinensern oder einem Palästinenser und einem Araber von der Arabischen Liga reden können, damit das Gleichgewicht in den Beziehungen der Supermacht USA mit den Staaten, die jetzt in einem Konflikt leben, damit sie das Gefühl haben, er hat, sagen wir, eine Absicht, die zum Frieden führen könnte. Aber diese Politik, die jetzt von ihm unternommen wird, und ab und zu kommen hier und dort Erklärungen, schafft mehr Atmosphäre für die aggressiven Organisationen in dieser Region, dass sie ihre eigene Politik eigenmächtig machen, die nicht den Frieden haben wollen. Diese Gruppen sind israelische und andere arabische Gruppen und wenn man den Radikalen jetzt das Feld überlässt – ob der amerikanische Präsident jetzt gewählt wird oder nicht gewählt wird -, wenn der diese Politik macht, er wird mit Sicherheit erst mal nur Krieg dort fördern in dieser Region.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.