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"Panama Papers"
Druck auf Steueroasen erhöhen

Im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung fordert SPD-Generalsekretärin Katarina Barley mehr diplomatischen Druck auf Länder wie Panama. Außerdem müsse stärker gegen die Mittelsmänner vorgegangen werden, sagte Barley im DLF. Whistleblower brauchten einen besseren Schutz, um die Geheimhaltung zu durchbrechen.

Katarina Barley im Gespräch mit Mario Dobovisek | 05.04.2016
    Sie sehen SPD-Generalsekretärin Barley vor einem Bücherregal.
    SPD-Generalsekretärin Barley will mehr Druck auf Steueroasen. (dpa / picture-alliance / Bernd Von Jutrczenka)
    Auf europäischer Ebene sei auf diplomatischem Weg bereits viel erreicht worden, sagte Barley im Deutschlandfunk. Sie verwies auf die europäische Richtlinie gegen Geldwäsche und Terror-Finanzierung, die Ende Juni in Kraft treten soll. Das Problem seien aber Staaten, die sich einer internationalen Regelung verweigerten. Hier müsse mehr diplomatischer Druck aufgebaut werden, verlangte Barley.
    Staaten müssen gemeinsam agieren
    Der einzelne Staat sei hier überfordert, räumte Barley ein. Wer heute nicht angebe, dass er in Panama Konten habe, der werde sich vermutlich auch von einem neuen Straftatbestand nicht schrecken lassen. Hier müsssten die Staaten als Gemeinschaft reagieren.
    Das Bild zeigt zahlreiche Hochhäuser am Meer. Direkt an der felsigen Küste sind Villen mit blauen Pools.
    Im Zentrum der Kritik: Panama. (RODRIGO ARANGUA / AFP)
    Schon jetzt aber zeige die internationale Ächtung durch die journalistischen Enthüllungen in Staaten wie Panama Wirkung, meinte die Generalsekretärin. Diese Länder stellten fest, dass ihr Vorgehen ihrer internationalen Reputation schade. Nun müsse man ihnen Möglichkeiten aufziegen, wie man auch auf anderen Wegen zu Einnahmen komme.
    Auch an Mittelsmänner rangehen
    Barley fügte hinzu, wichtig sei auch, an jene Akteure heranzugehen, die bei Geldwäsche und Steuerhinteerziehung behilflich seien - also an Banken und Mittelsmänner. Zudem müssten Whistleblower besser geschützt werden. Es gelte, die Geheimhaltung zu durchbrechen - möglicherweise auch durch den Ankauf weiterer Steuer-CDs. Dann breche dieses Modell zusammen.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Es begab sich zu einer Zeit, da wart das Finanzministerium noch in Händen der SPD, und dessen oberster Cowboy hieß damals Peer Steinbrück und der hatte ein Problem mit den bösen Steuerbuben in der Schweiz. Sie erinnern sich?
    O-Ton Peer Steinbrück: "Die siebte Kavallerie im Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt, und wenn das alleine schon Nervosität hervorruft, ja dann kommt da ja richtig Zug in den Kamin."
    Dobovisek: Gemeint war damals die Schweiz und aus Sicht des obersten Cowboys Steinbrück im übertragenen Sinne auch alle anderen Steuerparadiese dieser Welt, zum Beispiel Panama und die dortigen jüngst enttarnten Briefkastenfirmen. Gerne hätten wir den Obercowboy an dieser Stelle gefragt, ob das wieder ein Fall für seine Kavallerie sein könnte. Leider hat Peer Steinbrück Termine, schickt uns aber noch das folgende schriftliche Zitat mit auf den Weg:
    Zitat Peer Steinbrück: "Die Panama Papers öffnen den Blick in die Abgründe politischer und krimineller Machenschaften. Es wird höchste Zeit, dass die Staatengemeinschaft mit voller Kraft Offshore-Zentren austrocknet."
    Dobovisek: Das also das erste Zitat, die erste Reaktion Peer Steinbrücks. - Vom Cowboy zur Generalin, der Generalsekretärin der SPD Katarina Barley. Guten Morgen, Frau Barley.
    Katarina Barley: Guten Morgen!
    Dobovisek: Offshore-Zentren austrocknen - diese Forderung ist nicht neu, Frau Barley. Warum gelingt das nicht?
    Barley: Na ja, es ist ja nicht so, als wäre noch nichts passiert, als hätten wir noch gar nichts geschafft. Wir haben auf der europäischen Ebene mittlerweile ja eine große Entwicklung gesehen. Die europäischen Staaten, die früher die Paradiese für Steuerhinterzieher waren, da hat sich viel verändert. Auf der EU-Ebene haben wir ja gerade eine Geldwäscherichtlinie in der Umsetzung, wo noch mehr Transparenz hergestellt wird. Auf gewisser Ebene ist schon was passiert. Das Problem sind die Staaten, die sich so einer internationalen Regelung bisher nicht unterwerfen, und da müssen wir halt weiter dran arbeiten. Dazu gehört Panama.
    "Müssen an Banken und die Mittelsmänner ran"
    Dobovisek: Wie wollen Sie daran arbeiten?
    Barley: Na ja, ähnlich, wie wir das bei den anderen auch gemacht haben. Es muss Druck aufgebaut werden auf die Staaten selbst. Da gibt es natürlich im internationalen diplomatischen Miteinander Möglichkeiten. Aber ich glaube, diese Ächtung, die jetzt erfolgt, die bewirkt auch etwas. Das haben ja gerade Staaten wie die Schweiz oder Liechtenstein auch erfahren, dass das für die eigene Reputation als Staat nichts Gutes ist. Und wir müssen natürlich auch an die Leute heran, die helfen, also an die Banken und an die Mittelsmänner.
    Dobovisek: Ächtung ist das eine, der Geldfluss, der weiter anhält, aber das andere, und gerade Länder wie Panama leben auch davon. Warum sollte Panama da sofort mit aufhören?
    Barley: Na ja, sofort mit aufhören - wenn es so einfach wäre, dann hätten wir das wahrscheinlich auch schon geschafft. Aber das ist ja der Punkt. Wir können Staaten nicht in dem Sinne zwingen. Wir können nur über Druck und Anreize arbeiten, wie wir das bei anderen Staaten auch machen. Ich meine, wir sehen das im Moment - das ist jetzt überhaupt nicht vergleichbar - in Irland, das zu einem guten Teil davon lebt, dass es besonders niedrige Steuersätze hat und deswegen viele internationale Konzerne ihre Sitze dorthin verlegen. Auch da muss man zusehen, dass man den Ländern auch Schritte anbietet, wie sie anders zu Steuereinnahmen kommen.
    Dobovisek: Aber ist es verwerflich, wenn ein Land wie Irland einfach entscheidet, wir bieten niedrige Steuersätze an?
    Barley: Ja das ist ja genau die Diskussion. Ist es verwerflich, wenn Panama ein Modell anbietet, was legal ist, was ja an sich auch noch keine Straftat darstellt? Ist das verwerflich? Es ist dann verwerflich, wenn man weiß, dass es dazu dient, die eigentlich erforderliche Pflicht von Einzelpersonen und von Unternehmen auszuhebeln und damit anderen Staaten, dem Allgemeinwesen, der Allgemeinheit in anderen Staaten Schaden zuzufügen. Dann ist es verwerflich.
    "Man ist da in keiner guten Gesellschaft"
    Dobovisek: Aber noch ist ja nicht ganz klar, ob die seit Sonntag diskutierten und durchaus auch prominenten Fälle auch Steuersünder sind. Im Moment sprechen wir ausschließlich über den Fakt, dass Briefkastenfirmen in Panama existieren. Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum jemand sein Vermögen in Panama verstecken will?
    Barley: Es gibt viele Gründe dafür. Es mag ganz wenige geben, die auch legitim sind, wenn man, was weiß ich, in der eigenen Familie vielleicht nicht offenlegen will, was man alles hat. Aber die allermeisten, die man sich so vorstellen kann und die man aus vergangenen Fällen kennt, die sind natürlich nicht legitim. Und das ist auch der Punkt. Wenn man Steuern hinterziehen will, dann muss man sich angucken, in welcher Gesellschaft man sich da befindet. Das sind zum Teil Waffenschieber, das sind Mafiosi, das sind auch Menschen, die ihren eigenen Staat ausnehmen, Oligarchen in bestimmten Regionen der Welt. Man ist da in keiner guten Gesellschaft.
    Dobovisek: Muss der Versuch, allein der Versuch, seine Vermögenswerte im Ausland zu verschleiern, zu verstecken, in Deutschland strafbar sein?
    Barley: Na ja. Die Strafgesetze sind ja eigentlich schon da. Wir haben ja die versuchte Steuerhinterziehung oder ähnliche Dinge, alle Steuerstraftatbestände, die wir so haben, Geldwäschestraftatbestände, die wir haben. Ich glaube, am Ende ist es weniger eine Frage der Strafbarkeitsnormen. Es ist am Ende eine Frage der Durchsetzbarkeit. Jemand, der nicht angibt, dass er in Panama Konten aushält, der wird sich von einem neuen Straftatbestand wahrscheinlich genauso wenig schrecken lassen wie von einem alten. Wir müssen wirklich an die Staaten heran.
    Dobovisek: Das klingt aber so, als würden Sie schon fast aufgeben.
    Barley: Nein, im Gegenteil! Ich habe ja eingangs gesagt, was schon alles erreicht worden ist. Ich bin gerade in Brüssel. Ich werde heute Nachmittag mit dem zuständigen EU-Kommissar Moscovici darüber sprechen. Das ist eines dieser Paradebeispiele, wo die Staaten als Gemeinschaft agieren müssen, wo ein einzelner Staat das nicht hinkriegt, sondern wir müssen da als Europäische Union, auch als OECD auftreten und die Staaten unter Druck setzen. Nur so werden wir letztendlich dessen Herr werden. Und was auch wichtig ist: Wir müssen die Menschen schützen, die uns solche Informationen zukommen lassen als Whistleblower.
    Dobovisek: Sie haben jetzt viel über die Europäische Union gesprochen. Gehen wir einen Schritt weiter, gucken wir uns die G20 an, die führenden Wirtschaftsnationen. Würden diese alle gemeinsam ab sofort keine Überweisungen mehr aus Steueroasen akzeptieren, wären diese sehr schnell ausgetrocknet, sagt zum Beispiel der Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Universität Lienz. Wäre das eine Möglichkeit, Druck aufzubauen?
    Barley: Na ja, damit würde man gleichzeitig die Wirtschaft in diesen Staaten natürlich lahmlegen. Stellen Sie sich ein ordentliches produzierendes Gewerbe in Panama vor, was dann keine Überweisungen mehr vornehmen kann. Ich glaube, man muss aufpassen mit Schnellschüssen jetzt. Es sind verschiedene Maßnahmen, die da ineinandergreifen müssen. Druck kann ein Anreiz sein. Es muss an verschiedene Player gerichtet werden, an die Staaten, an die Banken, an die Zwischenmänner und natürlich an die Leute,…
    "Wenn man die Geheimhaltung durchbrechen kann, bricht dieses Modell zusammen"
    Dobovisek: Aber machen Sie das, Frau Barley, doch bitte noch mal konkret. Ich habe bisher nur die Worte Druck und Anreize und Ächtung gehört, kann mir aber darunter bisher noch nicht viel vorstellen.
    Barley: Na ja! Was in den Verfahren mit der Schweiz geholfen hat war, dass wir entschieden haben, zum Beispiel die Steuer-CDs anzukaufen, also klar zu machen, dass diese Modelle auf die Dauer nicht funktionieren. Aber das war ja auch rechtlich durchaus umstritten. Das ist ja hier auch jetzt der Fall. Diese Strukturen basieren auf Geheimhaltung und wenn man die Geheimhaltung durchbrechen kann, zum Beispiel durch Stärkung der Whistleblower, oder durch solche Steuer-CD-Ankäufe oder ähnliche Maßnahmen, oder jetzt durch investigative Journalisten, dann bricht dieses Modell ja zusammen. Das ist zum Beispiel eine Möglichkeit. Und auf Staaten Druck auszuüben, dafür gibt es verschiedene Wege. Aber das ist diplomatisch immer ein bisschen heikel. Sie hatten Peer Steinbrück eingangs zitiert. Da gerät man ganz schnell in so einen falschen Kanal. Da jetzt einzelne Maßnahmen aufzuzählen,…
    Dobovisek: Aber geholfen hat es ja am Ende ganz offensichtlich. - Mal Schwamm bei Seite: Gucken wir uns noch mal die Rolle der deutschen Banken an, denn wir müssen ja gar nicht so weit gehen, nicht bis Panama, sondern es reicht auch, zum Beispiel nach Frankfurt zu blicken, wo die meisten großen deutschen Banken ihren Hauptsitz haben. 28 deutsche Banken haben offensichtlich - das ist das neueste Ergebnis aus den Panama-Papieren - solche Offshore-Geschäfte vermittelt. Wie wollen Sie da ansetzen, weil die deutschen Banken können Sie ja eher greifen als die Politiker in Panama.
    Barley: Ja was wird denn jetzt passieren? Wir haben jetzt die Daten, die werden jetzt ausgewertet von unseren Justizbehörden, die sehr gut arbeiten, und dann werden Fälle auftauchen, höchst wahrscheinlich, in denen Straftaten zugrunde liegen, Steuerdelikte, Geldwäschedelikte, vielleicht auch andere, mal sehen. Und dann werden diese Banken sich zur Verantwortung ziehen lassen müssen, ob sie Beihilfe zu diesen Straftaten geleistet haben. Das wird sehr empfindlich, sowohl für die Personen als auch für die Banken selbst werden.
    Dobovisek: Muss eine solche Vermittlung nicht von vornherein unter Strafe gestellt werden?
    Barley: Wie gesagt, die Strafe ist ja da. Die Frage ist die Verfolgbarkeit. Das wird immer das Problem sein. Da kommen wir nicht drum herum. Wenn wir da nicht ansetzen, dann wird sich das Ganze nur verlagern.
    Dobovisek: Katarina Barley ist Generalsekretärin der SPD. Ich danke Ihnen für das Interview.
    Barley: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.