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Papiergeld wird als Zahlungsmittel anerkannt

Waren Sie heute schon am Geldautomaten? Wenn ja, haben Sie dort vermutlich einige Scheine erhalten, die sie praktischerweise in einem recht kleinen Portemonnaie unterbringen können. Berechtigterweise gehen Sie davon aus, dass jeder Händler diese Banknoten als Zahlungsmittel zu akzeptiert. Das war nicht immer so. Vor 100 Jahren wurde Papiergeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel.

Von Martin Hartwig | 14.05.2009
    Auch es ist doch eine Plage,
    wo man hinkommt heutzutage
    redet man in einer Tour
    von den neuen Steuern nur.


    So besang Otto Reuter die Finanzreform, das alles beherrschende Thema des Jahres 1909. In Parlament und Öffentlichkeit lieferten sich Lobbyisten und Parteien über Monate hinweg eine Auseinandersetzung, die erstaunlich gegenwärtig wirkt.

    Größter Streitpunkt: die Erbschaftssteuer. Darüber hinaus mühten sich die Parlamentarier, Ordnung in das Bank- und Geldwesen zu bringen. Dort lag einiges im Argen und manche Zeitungen sprachen gar von einer "Krisis", etwa die "Vossische Zeitung" am 13. Mai 1909.

    Es erscheint angebracht, auf einzelne Missbräuche, die sich im Laufe der Zeit im bankgeschäftlichen Betriebe eingeschlichen haben, hinzuweisen. Dazu gehört auch die Bezeichnung einer Reihe von Privatbanken, die teilweise nur mit winzigem Kapital arbeiten, als "Bank", "Privatbank", "Bankkommandite" usw. Es mag nur daran erinnert werden, dass vor einigen Jahren die Marienburger Privatbank zusammenbrach, die nur über 300.000 Mark verantwortliches Kapital verfügte, und die es verstanden hatte, über acht Millionen Mark an Depositen an sich zu ziehen.

    Eine Bereinigung des Bankensektors brachte die Novellierung des Bankengesetzes, die am 14. Mai 1909 im Berliner Reichstag verhandelt wurde, nicht - das schaffte erst die große Bankenkrise von 1931. Doch immerhin war das neue Gesetz ein wichtiger Schritt zur Modernisierung und Vereinheitlichung des Geldwesens in Deutschland.

    "Die Noten der Reichsbank sind gesetzliches Zahlungsmittel."

    So hieß die entscheidende Neuerung in Paragraf zwei des Gesetzes. Zuvor war es unter eben diesem Paragrafen ausdrücklich freigestellt gewesen, ob man die Geldscheine, die die Reichsbank ausgab, als Zahlungsmittel akzeptierte oder nicht. Ein Geschäftsmann oder Gläubiger konnte darauf bestehen, dass ein Käufer oder Schuldner in Münzen - der Mark, die damals eine Goldmark war, - bezahlte. Deren Vorzug war, dass sie ihren Wert als Edelmetallanteil quasi in sich trug. Die Noten der Reichsbank waren dagegen ein abstraktes Versprechen auf Geld und Gold; ein Versprechen, das den Scheinen damals noch ausdrücklich aufgedruckt war. Unter den allegorischen Darstellungen von Handel und Industrie stand stets noch eine kurze Zeile, zum Beispiel:

    "Eintausend Mark zahlt die Reichsbank in Berlin ohne Legitimationsprüfung dem Einlieferer dieser Banknote."

    Unterzeichnet waren die Noten vom gesamten Direktorium der Reichsbank, das damit für dieses Zahlungsversprechen bürgte. Der praktische Vorteil der Papiernoten war offensichtlich. Obwohl die Scheine riesige Formate hatten - teilweise bis zu DIN A4 groß - waren sie doch einfacher zu transportieren, als eine entsprechende Menge Goldmünzen. Vor allem jedoch konnte man nur mit der Ausgabe von Papiernoten dem Geldbedarf einer wachsenden Volkswirtschaft gerecht werden. Denn schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Menge des umlaufenden Papiergeldes beständig zugenommen.

    "Ich bin der Meinung, dass die Bestimmung der Noten der Reichsbank zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel lediglich eine Anerkennung des tatsächlichen Zustandes bedeutet","

    erklärte der Abgeordnete Otto Arendt von der konservativen Deutschen Reichspartei und gab damit die vorherrschende Meinung des Parlamentes wieder. Dadurch, dass die Reichsbanknoten praktisch dem Münzgeld gleichgestellt wurden, hofften die Finanzpolitiker zudem, die anderen noch kursierenden Noten aus dem Zahlungsverkehr zu drängen. 1909 gab es - ein Überbleibsel der deutschen Kleinstaaterei - noch kleine regionale Notenbanken, die aufgrund alter Verträge und Privilegien das Recht hatten, eigene Noten herauszugeben, die in ihren Ländern geläufiges Zahlungsmittel waren.

    Das novellierte Bankgesetz wurde am 14. Mai 1909 vom Reichstag mit großer Mehrheit verabschiedet. Einer der wenigen Kritiker war der Zentrumsabgeordnete von Strombeck. Er erklärte in der Debatte:

    ""Gegenwärtig ist die Reichsbank verpflichtet, wenn der Empfangsberechtigte es verlangt, in Gold zu zahlen. Diese Verpflichtung soll also zukünftig entfallen. Dadurch tritt eine Veränderung der Lage zu Gunsten der Reichsbank ein, aber eine Verschlechterung zu Ungunsten des Zahlungsempfängers: Die Reichsbank würde zum Beispiel berechtigt sein, einem Gläubiger, der eine Million zurückverlangt, diese Million ihm in Banknoten auszuhändigen."

    Dass solche Banknoten auch völlig wertloses Papier sein können, mussten die Deutschen dann während der Hyperinflation von 1922/23 lernen. Trotz dieser Erfahrung führte nach dem Bankgesetz von 1909 kein Weg mehr zu den Gold- und Silbermünzen zurück. 1924 gaben die letzten Privatnotenbanken ihr Recht zur Ausgabe von Geldscheinen auf. Die Reichsbank hatte somit das Notenmonopol inne, das später auf ihre Nachfolgeinstitutionen überging: Bundesbank beziehungsweise DDR-Staatsbank und - Europäische Zentralbank.