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Papierlose in Deutschland
Leben in der Schattenwelt

Geschätzt 200.000 bis 600.000 Zugewanderte ohne Papiere leben in Deutschland. Die meisten sind unbemerkt eingereist oder haben das Land bei einem abgelehnten Asylantrag nicht wieder verlassen. Der illegale Aufenthalt schafft viele Probleme - ist in der Politik allerdings kaum ein Thema.

Von Rainer Link | 22.09.2019
Ein Obdachloser als Silhouette am 25.01.2017 unter einer Brücke in Osnabrück (Niedersachsen).
In offiziellen Statistiken werden Papierlose in Deutschland nicht erfasst - viele leben auf der Straße und arbeiten schwarz (picture alliance / Friso Gentsch)
"Ich habe keine Papiere von Deutschland, ein bisschen schlecht, ich kann nicht arbeiten. Meine Träume für die Zukunft, wenn ich hier in Deutschland krieg Papier und hier bleib und hier arbeite und dann hab ich Zukunft."
Papiere, die Zukunft bedeuten. Darauf hoffen Menschen wie dieser Nigerianer, der anonym bleiben möchte. Den Kontakt zu Behörden meidet er, denn er muss befürchten, abgeschoben zu werden.
Wer in der Bundesrepublik ohne Papiere lebt, ist entweder unbemerkt eingereist oder hat das Land nach Ablauf eines Touristenvisums oder eines abgelehnten Asylantrags nicht wieder verlassen. Zu den Papierlosen zählen auch Zugewanderte, die in anderen EU-Ländern einen Asylantrag gestellt haben und sich daher zwar dort legal aufhalten dürfen, nicht aber in Deutschland. Eine Legalisierung ist derzeit nur möglich durch Heirat mit einem EU-Mitglied, Elternschaft mit einem zweiten – deutschen – Elternteil oder durch Härtefallentscheidungen.
Phänomen noch wenig erforscht
Wie viele Betroffene es in Deutschland genau gibt, ist unklar. Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion antwortete die Bundesregierung 2018:
"Zu der Fragestellung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Personen, die sich ohne Aufenthaltstitel oder Duldung und ohne Kenntnis der Behörden im Bundesgebiet aufhalten, werden in amtlichen Erhebungen und Statistiken nicht erfasst."
In sozialwissenschaftlichen Studien, die sich auf die Polizeiliche Kriminalstatistik stützen, finden sich Schätzungen von 200.000 bis 600.000 Papierlosen in Deutschland. Auch die Bundesärztekammer geht bei ihren Berechnungen für die Grundversorgung dieser Menschen von ähnlichen Zahlen aus. Die gewaltige Spannbreite zwischen den minimalen und den maximalen Schätzwerten belegt, dass das Phänomen der Papierlosigkeit noch wenig erforscht ist.
Wollen am "Reichtum des Landes partizipieren"
Präzisere Aussagen lassen sich dagegen über die Gründe treffen, weshalb Menschen den irregulären Aufenthalt in Deutschland dem Verbleib im Heimatland vorziehen. Die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic von der Gewerkschaft Verdi.
"Ja vor allem Arbeit würde ich sagen. Sie kommen her, weil sie an dem Reichtum dieses Landes partizipieren wollen. Das ist der wesentliche Grund sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Es sind auch eine ganze Menge Frauen hier, die ich befragt habe, die ihre Kinder dann dort in Lateinamerika zum Beispiel lassen, um hier einfach das Geld zu verdienen, damit die zur Schule gehen können und überleben können."
Ein weiterer Grund, sich für die klandestine Existenz in Deutschland zu entscheiden, sind die Krisen und Kriege auf dem afrikanischen Kontinent. Fluchtgründe, die vom deutschen Recht nicht immer als ausreichend angesehen werden, um Asyl zu gewähren.
Friday stammt aus Nigeria, er wanderte zunächst in den Norden des afrikanischen Kontinents aus, weil er dort bessere wirtschaftliche Möglichkeiten sah.
"Ich habe in Libya gearbeitet in der Werkstatt, Automechaniker. Und wenn der Krieg kommt von Libya, ich kann nicht in Libya bleiben, hab immer Problem."
In den Wirren des libyschen Bürgerkriegs floh Friday 2014 gemeinsam mit vielen anderen afrikanischen Gastarbeitern per Boot von Libyen nach Lampedusa. Dort wurde er zwar registriert, blieb aber unversorgt.
"In Italia ich habe keine Wohnung, so immer auf der Straße, weil so viel Problem, keine Arbeit, kein Geld, es gibt so viele Probleme in Italia."
In der Hoffnung in Deutschland bessere Bedingungen zu finden, zog der Mittdreißiger weiter nach Hamburg. Den Behörden konnte er sich nicht offenbaren, sie hätten ihn zur Ausreise nach Italien gezwungen, das Land, in dem er zuerst den so genannten Schengenraum betreten hatte.
Seit nunmehr fünf Jahren lebt er unentdeckt in Hamburg, findet häufig, aber nicht immer einen Schlafplatz und verdient einen bescheidenen Lebensunterhalt als Gelegenheits-Automechaniker.
"Ich bin depressiv. Ich habe starke Depressionen. Niemand sorgt sich hier um mich. Niemandem bedeute ich etwas – niemandem. Nachdem ich nach sechs Monaten von Libyen aus hierher kam, habe ich angefangen davon zu sprechen, was ich erlebt habe. Ich habe gesehen, wie Menschen getötet worden sind. Ich saß in einem großen Boot neben einem Menschen, den man für tot hielt und einfach ins Wasser warf. Ich habe Unvorstellbares erlebt. Vorgänge, die mich stark traumatisiert haben. Ich weine jeden Tag, jeden Tag."
Die Nigerianerin Christina arbeitete viele Jahre als Köchin in Libyen. Auch sie floh vor dem Bürgerkrieg. Heute ist ihr einziger Wunsch, legal in Hamburg als Köchin weiterzuarbeiten. Doch abgesehen von einigen Praktika konnte sie auf dem regulären Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen. Als Folge ihrer Flucht ist sie hochgradig depressiv. Ein privater Unterstützerkreis finanziert die psychotherapeutische Behandlung ihrer posttraumatischen Störung.
Ärztliche und kirchliche Netzwerke helfen
Einige Kommunen haben anonyme Krankenscheine eingeführt, in Bremen etwa oder in Niedersachsen. Daneben organisieren verschiedene ärztliche und kirchliche Netzwerke bundesweit eine medizinische Versorgung für Papierlose. Damit die betroffenen Menschen in Notfällen auch ohne Angst vor Abschiebung ein ganz normales Krankenhaus aufsuchen können, gilt für das medizinische Personal seit 2009 eine unmittelbare Schweigepflicht. Diese erstreckt sich auch auf das Verwaltungspersonal im Krankenhaus und der Sozialbehörde. Die Hilfesuchenden dürfen vom Krankenhaus also nicht den Behörden gemeldet werden.
Besuch beim Frauenteam der medizinischen Beratungsstelle "Andocken" in Hamburg, einer Einrichtung des Diakonischen Werks.
Die offene Sprechstunde findet zweimal die Woche statt. Die Ratsuchenden – es sind im Jahresdurchschnitt fast fünftausend Frauen, Männer und Kinder – kommen ohne Voranmeldung in die Praxis und werden der Reihe nach versorgt. Der Andrang ist enorm. Frauen mit Problemschwangerschaften werden vorgezogen, wie diese junge Ghanaerin.
"Mir war schwindelig, ich konnte nichts essen und brauchte Hilfe. Ich hatte meine Menstruation zweimal im Monat und dachte, das sei normal. Aber mein Blutdruck ist gestiegen und ich brauchte Medikamente. Geld habe ich nicht.
Ein Freund hat mir dann von diesem Hospital erzählt, in das man gehen kann, wenn man so wie ich schwanger ist, keine Identitäts-Dokumente besitzt, und wo einem geholfen wird, egal in welcher Situation man sich befindet. Das ist der Grund, weshalb ich hierhergekommen bin."
Eine Frau sitzt in einem Zimmer der "Notübernachtung für Frauen" am Donnerstag (11.12.2008) in Berlin beim Tag der offenen Tür auf ihrem Bett.
Tagesstätte in Berlin: Ein sicherer Ort für obdachlose Frauen
Obdachlose Frauen brauchen einen Schutzraum, in dem sie Ruhe finden. Denn viele von ihnen machen im Laufe ihres Lebens auf der Straße Gewalt-
erfahrungen. Umso wichtiger sind Notunterkünfte nur für Frauen.
"Im Durchschnitt die Frauen sind drei, vier oder fünf Jahre ohne gynäkologische Untersuchung und sie kommen nur, wenn sie Beschwerden haben, weil diese Bürde dann – illegal und ohne Papiere – die haben Angst, da haben die unheimlich viel psychologische Probleme. Ich mache auch Psychotherapie und ich erkenne sofort, was für einen Bedarf die Frauen da haben."
Sagt die Gynäkologin Theresa Steinmüller, die gemeinsam mit der Hebamme Maike Jansen die gynäkologische Abteilung der Beratungsstelle leitet. Ihr ehrgeiziges Ziel ist es, den papierlosen Schwangeren eine vergleichbar gute Betreuung zukommen zu lassen wie regulär versicherten Frauen, eine kontinuierliche Begleitung bis zur Entbindung. Maike Jansen:
"Die Geburt findet im Krankenhaus statt und die Frauen haben ja die Möglichkeit, ab der 32. Schwangerschaftswoche eine Duldung zu bekommen, die dann bis zu acht Wochen nach der Geburt des Neugeborenen gilt. So dass es eine sichere Zeit für die Frauen und ihre Babys gibt. Und viele haben dann auch die Möglichkeit, dass dann der Vater zum Beispiel eine deutsche Staatsangehörigkeit hat und somit das Baby einen deutschen Pass bekommt. So dass sie dann doch die Möglichkeit bekommen, hier leben zu können."
Gynäkologin Theresa Steinmüller ergänzt:
"Meine Erfahrung ist folgende, dass trotz dieser Schwierigkeiten die Frauen, die bleiben hier – illegal. Weil es trotzdem ein besseres Leben ist – sagen sie alle, die hier wieder gekommen sind – als das Leben in Afrika."
Schwarzarbeit und Ausbeutung
Behandlungskosten werden den Patienten nicht in Rechnung gestellt. Die meisten könnten sie auch gar nicht bezahlen, denn viele Papierlose haben kein regelmäßiges Einkommen, andere arbeiten in prekären Jobs mit schlechter Bezahlung. Und alle arbeiten ohne arbeitsrechtliche Absicherung, sagt Monica Orjeda, die beim Hamburger Verein Verikom für die Beratung von Papierlosen zuständig ist.
"Ich begleite Legalisierungsprozesse, falls es eine Möglichkeit gibt, sie zu legalisieren, bin ich dabei."
"Es gibt mehrere Branchen, wo die Leute aktiv werden, für Frauen natürlich Reinigung, im Haushalt putzen, kochen, haben mehrere Jobs am Tag, drei Stunden hier, drei Stunden da. Für Männer gibt es mehr so im Baubereich, viel Arbeit im Hafen und in der Gastronomie."
Menschen ohne Papiere werden leicht zum Opfer von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, sagt Emilija Mitrovic, die sich in den letzten Jahren beim Deutschen Gewerkschaftsbund für faire Entlohnung der Papierlosen eingesetzt hat.
"Ich kann da einen Fall schildern von einem Kollegen, der kommt aus Benin, hat immer wieder Jobs gehabt im Reinigungsgewerbe oder auch auf dem Bau. Und das letzte war, dass die Reinigungsfirma, bei der er beschäftigt war, ihn für einen Monat angestellt hat und auch arbeiten ließ und dann gesagt hat, er kann keinen Lohn bekommen, weil er sei ja nicht legal hier. Zum Glück ist das Arbeitsrecht in Deutschland nicht vom Aufenthaltsrecht abhängig. Wir haben einige Fälle gehabt, die bis zum Arbeitsgericht gegangen sind und die dann ja im Regelfall mit einem Kompromiss enden."
Für Papierlose ist der Gang zum Arbeitsgericht allerdings riskant. Durch das Verfahren könnten Ausländerbehörde oder Polizei auf den Kläger aufmerksam werden.
"Wir versuchen uns immer außergerichtlich zu einigen. Es ist einige Male so gewesen, dass uns dann gesagt wurde: Nee, der hatte ja keine Papiere, da darf ich keinen Lohn auszahlen, sonst wäre es ja Schwarzarbeit. Konnten wir ihm nur sagen, ich glaube der Zoll interessiert sich mehr für ihre Seite der Schwarzarbeit. Und in den meisten Fällen haben wir dann einen Teilerfolg zumindest."
Besonders groß ist die Gefahr der Ausbeutung im Bereich der Prostitution.
"Ich habe angefangen, ich persönlich, streetwork seit 1991 in der Reeperbahn, in der großen Freiheit in den Clubs. Und ich bin für die thailändischen Frauen zuständig."
Sagt Prapairat Ratanaolan. Sie arbeitet für "amnesty for women" als Beraterin und besucht Massage-Salons und Bordelle. Der Boom der Erotikmassagen und die versprochenen exorbitanten Verdienstmöglichkeiten sorgten dafür, dass viele Thailänderinnen sich die Schleusung nach Deutschland durch enorm hohe Summen erkauften, so die Streetworkerin.
"Ich hab auch immer gehört, dass sie bezahlen so viel Geld, 50.000 Euro, 60.000 Euro muss sie zurückzahlen. 50.000 ist so viel Geld. Warum kommst Du hier, wenn Du so viel Geld hast? Und hier verdienst Du auch nicht so viel, weil so viel Konkurrenz."
Papierlose Kinder dürfen die Schule besuchen
Eine ganz andere Herausforderung ergibt sich aus dem Umstand, dass häufig ganze Familien nach Deutschland einreisen ohne ein reguläres Aufenthaltsrecht zu besitzen. Können deren Kinder eine öffentliche Schule besuchen?
Hierzulande war lange umstritten, ob Schulleitungen und -sekretariate die Ausländerbehörde informieren müssen, wenn sie vom fehlenden Aufenthaltsstatus eines Kindes erfahren. Seit 2011 sind Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen ausdrücklich von entsprechenden Meldepflichten befreit. Dieser Regelung stimmten alle damals im Bundestag vertretenen Parteien zu. Papierlose Kinder besitzen also ein Recht auf Schulbesuch, so wie sie auch prinzipiell der Schulpflicht unterliegen.
Dirk Mescher ist der Geschäftsführer der Hamburger Lehrergewerkschaft, GEW.
"Nach unserer Erfahrung ist in den Schulen, wo ein hohes Engagement der Kolleginnen und Kollegen besteht für diese Kinder, da funktioniert das besser. Dann wird auch mit den Schulsekretariaten in der Weise gesprochen, dass die sensibel dafür sind, was ist, wenn Leute zögern bei einer Adresse, wenn sie da etwas angeben sollen und dann eben nicht nachbohren."
Wie viele papierlose Kinder in deutschen Schulen unterrichtet werden, dazu fehlen belastbare Zahlen. Nach Abschluss des Schulbesuchs stehen die Papierlosen allesamt vor einer unüberwindlichen Hürde.
"Bei Lehrverträgen und dann im Zusammenhang mit Firmen im dualen System und dann Universitäten, da ist die Schwelle da, da gibt es Legalisierung oder gar nichts. Und natürlich gibt es auch an der Uni Studierende, die im Graubereich studieren, die haben aber keine Möglichkeiten Prüfung zu machen, weil es eben kein Recht auf Universität gibt."
In den USA – unter Barack Obama - war es gängige Praxis, die überwiegend aus Südamerika stammenden illegal eingereisten Hausangestellten und Erntearbeiter durch Amnestien in die Legalität zu holen. Auch Spanien, Italien und Belgien kannten solche Regelungen. Die Bundesrepublik nicht. Das deutsche Aufenthaltsrecht – so der Bremer Jurist und Migrationsexperte Alexander Wagner – versperre den Papierlosen den Weg aus der Illegalität in die Legalität. Es gäbe keine Anschlussmöglichkeit. Er bemängelt:
"Dass das Gesetz keine Regelung vorsieht, die einfach nur sagt, Du bist ein Mensch und du bist da. Warum bist du hier? Warum willst Du hier sein? Warum sollte ich nicht den Aufenthalt beenden?"
Das deutsche Aufenthaltsrecht kennt zwar die zeitlich befristete Duldung. Aber geduldet werden könne nur derjenige, der vorher ein behördliches Verfahren durchlaufen habe.
"Es gibt eine Bleiberechtsregelung, das ist aber keine Regelung, die ich in Anspruch nehmen kann für Menschen, die vorher keinen geregelten Aufenthalt hatten. Die setzt voraus, dass Menschen zuvor mindestens einen geduldeten Status hatten und das über einen bestimmten Zeitraum und da spricht das Gesetz von acht Jahren bei Menschen ohne minderjährige Kinder und von sechs Jahren bei Menschen mit minderjährigen Kindern im Haushalt. Ich hab einen Menschen, der ist vielleicht genau denselben Zeitraum da, hat aber nie einen geregelten Aufenthalt gehabt, den kann ich nicht einfach bei dieser Regelung unterbringen."
Wartezimmer für medizinische Untersuchung im Anker-Zentrum der Landesdirektion Sachsen in Dresden
Ankerzentren: Spätestens nach sechs Monaten sollte man raus
Anfang August 2018 wurden die bundesweit ersten Ankerzentren eröffnet. Durchgesetzt hat sich das Modell nur im Saarland, Sachsen und Bayern. Die CSU ist zufrieden, Flüchtlingshilfsorganisationen fordern deren Abschaffung.
Gegner der Legalisierung von Papierlosen verweisen darauf, dass alle sozialen Angebote an diese Gruppe eine Sogwirkung entfalten würden. Während sich die CDU in den Bundesländern unterschiedlich positioniert, lehnt die AfD entsprechende Initiativen erwartungsgemäß ab.
Überlegungen zur Legalisierung
Die neue rot-rot-grüne Regierung in Bremen wiederum hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt:
"Für die Gruppe der "Papierlosen", die bestimmte Kriterien erfüllen, werden wir eine stichtagsgebundene Altfallregelung treffen."
Also eine Regelung, die Papierlosen eine Legalisierung in Aussicht stellt, wenn diese schon einen gewissen Zeitraum in Bremen gelebt haben. Der Anstoß zu dieser landesrechtlichen Regelung ging von der Linkspartei aus. Deren Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis:
"Es hat noch nie in der bundesrepublikanischen Geschichte ein Legalisierungsprogramm für Papierlose gegeben. Und deshalb haben wir natürlich noch keine Erfahrung, auf die wir zurückgreifen können. Es gibt andere Länder Europas, die haben Erfahrung mit Legalisierungsprogrammen. Wir müssen uns da selber noch heranarbeiten, müssen selber noch Kriterien entwickeln, die zulässig sind und praktikabel sind und die eben genau solche Problematiken ausschließen, dass möglicherweise Kriterien erhoben werden, die so hoch angesetzt sind, dass sie den Betroffenen gar nicht helfen."
Von etwa 4.000 Papierlosen geht der Bremer Senat für den Stadtstaat aus. Wem kann geholfen werden, wer muss in der Illegalität verharren? Linkenpolitikerin Leonidakis:
"Ein Kriterium könnte zum Beispiel sein, wie lange hält sich jemand schon in Bremen auf? Dass man nicht verlangt, dass jemand schon 10 Jahre in Bremen lebt, weil das ist natürlich unter den Bedingungen der Papierlosigkeit extrem schwer nachzuweisen. Ich denke, wir wären gut beraten, wenn wir so etwas wie eine Vorfeldberatung anbieten, die Betroffenen, ohne dass die sich bereits an eine Behörde gewendet haben, eben die entsprechende Beratung zukommen lässt, ihren Einzelfall prüft und dann den Betroffenen sagt: Ja, das wär was für Dich, Du kannst das guten Gewissens beantragen und hast ein nicht ganz so großes Risiko."
Der Bremer Jurist Alexander Wagner hält die Initiative für hilfreich.
"Natürlich ist eine Bleiberechtsregelung für den Einzelfall, wenn da überhaupt erst einmal ein Weg in einen Aufenthalt ermöglicht wird, erst einmal eine Verbesserung für den Einzelfall, weil sich dann ja doch Möglichkeiten eröffnen wie beispielsweise die Arbeitsaufnahme oder die Krankenversicherung oder gegebenenfalls der Bezug von Sozialleistungen. Nichtsdestotrotz ist es keine milde Gabe. Ich muss dem Gesetzgeber nicht applaudieren, wenn er eine Regelung schafft, mit der Menschen Rechte in Anspruch nehmen, die ihnen sowieso zustehen."
In der politischen Diskussion auf Bundesebene ist die Problematik des irregulären Aufenthalts allerdings kaum Thema. Ist die Politik in der Migrationsdebatte doch nach wie vor mit der Frage beschäftigt, wie mit Asylsuchenden und abgelehnten Asylbewerbern umzugehen ist.