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Parasiten
Bandwürmer auf dem Rückzug

Sie werden durch rohes Fleisch übertragen wie Rinderhack oder Mett und siedeln sich im Darm an - Bandwürmer. Weltweit infizieren sich jährlich zehn Millionen Menschen mit diesen Parasiten. In Deutschland und der gesamten westlichen Welt sind sie allerdings nur noch selten zu finden.

Von Andrea Westhoff | 24.04.2018
    Rinderbandwurm
    Der Rinderbandwurm kommt im Menschen vor und ist für seine enorme Länge berühmt (imago /Blickwinkel)
    Man mag es eklig finden oder erschauern bei dem Gedanken, aber Tatsache ist: Im menschlichen Körper tummeln sich dauerhaft oder gelegentlich ganz viele Kleinstlebewesen: Bakterien meist, aber auch Würmer, die so klein gar nicht sind. Der Bandwurm zum Beispiel. Der Parasitologe Professor Richard Lucius von der Berliner Humboldt Universität hat ein paar präparierte Exemplare in seinem Labor:
    "Hier haben wir also einen Rinderbandwurm, und dieser kommt als erwachsener Bandwurm, im Menschen vor und ist für seine enorme Länge berühmt, diese Art kann zwölf Meter lang werden, und was Sie hier sehen ist ein winziger Kopf, der sich im Dünndarm festhängt, und aus dem Kopf heraus wächst so ein schlanker Halsteil, in dem der Bandwurm immer weiter nachwächst, und die Teile werden dann im Lauf der Reifung immer größer, und zum Schluss haben wir reife Glieder, die abgestoßen werden und die Eier enthalten."
    In der westlichen Welt nur noch selten
    Bandwürmer gehören zur Gruppe der Plattwürmer. Sie haben als Parasiten zwei oder sogar drei verschiedene Wirte, das heißt, sie werden nicht zwischen Menschen übertragen, sondern zwischen Tier und Mensch. Genauer gesagt: durch rohes Fleisch.
    "Man isst zum Beispiel Rinderhack, und darin können Bandwurm-Larven enthalten sein, und damit hat man dann eine Larve, die den Darm anfängt zu besiedeln."
    "Mett" wäre die entsprechende Gefahrenquelle beim Schweinefleisch. Aber auch Fisch ist nicht ohne: "Ja, Sushi ist durchaus eine Möglichkeit, sich mit Bandwürmern oder auch mit anderen Würmern zu infizieren."
    Weltweit infizieren sich jedes Jahr circa zehn Millionen Menschen mit Bandwürmern. Hierzulande und insgesamt in der westlichen Welt sind sie dagegen nur noch selten zu finden, sagt Professor Reinhard Büchsel, Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen am Evangelischen Krankenhaus Hubertus Berlin:
    "Na, das liegt an der Fleischbeschau, an der besseren Hygiene, das Larvenstadium des Wurms ist ja in dem tierischen Fleisch, und wenn das ordentlich angesehen wird und wenn die Tierhaltung entsprechend ist, dann gibt es eben einfach weniger Bandwürmer; in den letzten 30 Jahren habe ich drei Fälle gesehen von Bandwurm."
    Auf rohes Fleisch verzichten in fremden Ländern
    Man kann sich auch leicht selbst schützen, indem man Fleisch oder Fisch nicht roh verzehrt, jedenfalls nicht auf Reisen, in fremden Ländern. Doch sogar ganz Vorsichtige oder Vegetarier sind nicht komplett gegen einen Bandwurmbefall gefeit, sagt der Parasitologe Professor Lucius:
    "Der Fuchsbandwurm ist ein ganz besonderer Wurm, indem er als erwachsener Wurm im Fuchs Eier legt, und diese Eier kommen mit dem Fuchskot in die Umwelt, und normalerweise nehmen Mäuse die Eier auf, es kann aber auch sein, dass zufällig Menschen mit Fallobst oder kontaminiertem Gemüse oder Pilzen oder was auch immer, Eier aufnehmen, und dann kann sich in manchen Menschen diese Larve über lange Jahre hinweg in der Leber meist entwickeln und kann die Leber zerstören."
    Eine weitere Gefahrenquelle für die Fuchsbandwurm-Infektion ist des Menschen "treuester Freund": Hunde wälzen sich bekanntlich gern im Dreck, und mit der zunehmenden Zahl von Füchsen in der Stadt kann das auch mal Fuchskot sein. Durch engen Kontakt mit dem Fell des Haustieres können Wurmeier in den menschlichen Körper gelangen – und dort manchmal lebensgefährliche Schäden anrichten.
    "Die meisten Patienten merken gar nichts"
    Das gilt für einen Befall mit dem Rinder- oder Schweinebandwurm nicht, betont Professor Reinhard Büchsel: "Die meisten Patienten merken gar nichts. Ein Drittel hat klinische Erscheinungen, sie sind aber ziemlich unspezifisch, also Bauchschmerzen, unbestimmte Missempfindungen, schlechte Laune oder wechselndes Stuhlverhalten."
    Einen Bandwurm zu haben, ist aber für die meisten eine eklige Vorstellung. Deshalb begegnen dem Arzt mehr beunruhigte Menschen als tatsächlich Kranke: "Das ist aus der Praxis das viel größere Problem, dass jemand meint, er hat einen Bandwurm, damit möchte niemand leben, man möchte nicht seinen Darm mit anderen Lebewesen, außer den Bakterien, die da hineingehören, teilen."
    Eine nennenswerte Gewichtsabnahme, obwohl man reichlich futtert, oder gar eine "Auszehrung" sind übrigens keine Symptome für einen Bandwurm-Befall: "Es gibt Defizite bei bestimmten Spurenelementen oder Vitaminen, das betrifft dann bestimmte Bandwurmarten wie den Fischbandwurm, der Vitamin B12 zum Beispiel in hohem Maße verbraucht; es gibt bestimmt die Tatsache, dass jemand nicht mehr zunehmen kann, aber dass jetzt wirklich so ein Verbrauch von Energie dergestalt eintritt, dass jemand abmagert, das ist mir zumindest nicht bekannt."
    Mit "Wurmmittel" werden die Parasiten abgetötet oder gelähmt
    Aus der Perspektive des Bandwurms wäre der Bandwurm ja auch ganz schön blöde, wenn er so starke Schäden machen würde, dass ein Wirt ums Leben kommt dadurch.
    Während man eine Fuchsbandwurm-Infektion nur durch Antikörper im Blut diagnostizieren kann, lässt sich der Schweine- oder Rinderbandwurm relativ leicht bei einer mikroskopischen Stuhluntersuchung erkennen. Und auch die Therapie ist ziemlich simpel: Mit einem "Wurmmittel" – in Saft- oder Tablettenform – werden die Parasiten abgetötet oder gelähmt, damit sie sich nicht mehr festhaken können – und dann ausgeschieden.
    "Es ist überhaupt kein Problem, das zu behandeln, wichtig ist nur, dass man eine Zweitbehandlung macht. Dass man daran denkt, dass auch Wurmeier zurückgeblieben sein können im Darm, aus denen dann wieder junge Würmer geschlüpft sind, die diesen ersten Anschlag auf sie überlebt haben."
    Aber soll man sie überhaupt so radikal "vernichten"? Es gibt Überlegungen bei einzelnen Medizinern, solche eher harmlosen Parasiten in unserem Körper für eine Art Immuntherapie zu nutzen. Schon lange wird ein Zusammenhang zwischen zuviel Hygiene und Allergien in der westlichen Welt untersucht.
    "Es gibt da einen Zusammenhang zwischen Allergieneigung und parasitärem Befall: das Immunsystem ist beschäftigt mit der Parasitenabwehr und hat weniger Valenzen, um immunologische Vorgänge zu machen."
    In Allergieforen im Internet kursieren bereits Berichte über wundersame Heilung durch absichtliche Hakenwurm-Infektionen. Davon hält der Berliner Magen-Darm-Spezialist Professor Reinhard Büchsel wenig: "Ich möchte nicht eine Krankheit mit der anderen beseitigen, und das gehört in den Menschen nicht hinein, das halte ich für ethisch nicht korrekt. Sondern da müssen wir andere Maßnahmen ergreifen, um mit Allergien zum Beispiel fertig zu werden."