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Paris
Schüler und Studierende protestieren gegen die Arbeitsrechtsreform

In Paris gehen junge Menschen auf die Straße. Sie protestieren gegen die geplante Reform des Arbeitsrechts. Die französische Regierung hat zwar schon Zugeständnisse gemacht, aber einigen Studierenden und Schülern ist das nicht genug.

Von Jürgen König | 17.03.2016
    "Opération blockage": so nennen die Demonstranten ihre Aktion. Mit Papierkörben, Müllcontainern, Absperrgittern wurden heute die Schultore so mancher Gymnasien in Paris, in Marseille, in Lyon blockiert: man ist wütend. Die Pariser Gymnasiastin Faibé, 17 Jahre alt:
    "Wir werden nicht gehört! Letzten Mittwoch kamen an die 500 000 Menschen zu Demonstrationen in ganz Frankreich, darunter 100 000 junge Leute, das ist doch enorm! Und wenn wir jetzt wieder demonstrieren, dann, weil wir offenbar nur gehört werden, wenn wir demonstrieren! Und nicht nur wir jungen Leute: Alle, die in prekären Verhältnissen leben, die keine großen Posten haben, müssen auf die Straße gehen, um gehört zu werden!"
    Nach den Demonstrationen letzter Woche, an denen nach Polizeiangaben etwas mehr als 200 000 Menschen teilnahmen, hatte die Regierung zu Gesprächen geladen. In großen Runden saßen neben Vertretern der Gewerkschaften auch die Sprecher der Jugend- und Studierendenorganisationen mit am Tisch. Um die Arbeitslosenzahlen zu senken, war das ursprüngliche Ziel der Reform, den Unternehmen mehr Freiheiten zu ermöglichen: beim Umgang mit Arbeitszeiten, Löhnen und Gehältern. Betriebsbedingte Entlassungen sollten erleichtert werden, der Ermessensspielraum der nicht als unternehmensfreundlich geltenden Arbeitsrichter reduziert werden. Abfindungen für entlassene Angestellte, die 20 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet haben, sollten beschränkt werden: nicht mehr als 15 Monatsgehälter.
    Regierung ging auf Forderungen der Demonstranten ein
    In den Gesprächsrunden wurden erhebliche Zugeständnisse gemacht: Die Abfindungsregelung gilt nur noch als "Orientierungsrahmen", bei der Begutachtung betriebsbedingter Kündigungen wurde den Arbeitsrichtern doch eine "intensivierte Prüfkompetenz" eingeräumt. Auch die Regelung, dass Auszubildende "bei betrieblicher Notwendigkeit" bis zu zehn Stunden am Tag arbeiten müssen, wurde zurückgenommen. Demonstriert wird heute trotzdem, für die Pariser Gymnasiastin Faibé, für viele Schüler sind die Zugeständnisse der Regierung – unerheblich.
    "Weil wir von der Basis keine Konzessionen wollen, wir demonstrieren für eine völlige Zurücknahme dieses Entwurfs, und wir werden das immer tun, sonst wird dieser Entwurf nicht zurückgezogen."
    Ein Schüler: "Die Arbeitszeit, die verlängert werden kann, bessere Kündigungsmöglichkeiten für die Unternehmer – damit wird man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen!"
    Eine Schülerin: "Diese Gesellschaft kümmert sich nicht um ihre jungen Leute! Und wir wollen ihr zeigen, dass wir sie verändern wollen, diese ganze politische Linie gefällt uns nicht, wir wollen diese Gesellschaft nicht!"
    Die Schüler und Studierenden wollen ein Arbeitsrecht, dass in erster Linie die Beschäftigten schützt. Die vorgeschlagenen Wege werden als die einer "liberalen Logik" abgelehnt; dass es ein sozialistischer Präsident und eine sozialistische Regierung sind, die diese Wege einschlagen, empfinden sie als besonders enttäuschend. Die zweitgrößte der französischen Studierendenorganisationen, die FAGE, zeigte sich nach den Gesprächen mit der Regierung optimistischer. Ihr Präsident, Alexandre Leroy:
    "Wir haben heute einen sehr wichtigen Begriff gehört, die Rede war vom ‘universellen Recht auf einen persönlichen Ausbildungsplatz‘. Das wäre das erste Mal in unserem Land: Man will jedem Franzosen garantieren, eine bestimmte Qualifikation zu erreichen."
    Die FAGE, die rund 300.000 Studierende vertritt, beteiligt sich nicht an den Protesten. Sie habe sich "von den Ankündigungen der Regierung, am Gesetz etwas ändern zu wollen" einnebeln lassen, kommentiert das Bastian Zapata, UNEF Sprecher der Universität Rennes 2. Man selber werde auf jeden Fall weiter protestieren:
    "Heute, dann wieder am 24., am 31. – das Ziel ist, immer so weiter zu machen, den Druck zu erhöhen, Studierende, Schüler, Arbeiter, Arbeitslose – wir alle zusammen werden die Zurücknahme dieses Gesetzes erreichen!"
    Eine Strategie, die erfolgreich sein könnte: Als Staatspräsident Jacques Chirac vor zehn Jahren Unternehmer ermuntern wollte, mehr junge Leute einzustellen und dafür Arbeitsverträge mit einer längeren Probezeit vorschlug, waren die Proteste von Gewerkschaften und Studierenden so heftig, dass die Regierung von ihrem Plan schon bald wieder Abschied nahm.