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Parkinson
Gegen das Zittern

Zittern und verlangsamte Bewegungen sind typische Symptome der Parkinson-Krankheit. Der Alltag der Patienten ist dadurch sehr eingeschränkt. Auch wenn es keine Heilung gibt - die Symptome lassen sich lange Zeit gut lindern, beispielsweise durch Medikamente, tiefe Hirnstimulation oder Physiotherapie.

Von Justin Westhoff | 07.05.2019
Zwei zitternde Hände berühren sich.
Die Krankheit Parkinson wurde erstmals 1817 vom englischen Arzt James Parkinson beschrieben - und nach ihm benannt (picture-alliance / Hans Wiedl)
Die Bilder von der zitternden Box-Legende Mohamed Ali gingen um die Welt. Er litt unter der Parkinson-Krankheit. Inzwischen gibt es wissenschaftlich kaum noch Zweifel, dass durch ständige Kopfschläge ausgelöste Hirnverletzungen das Risiko für dieses Leiden erhöhen.
In den meisten Fällen aber ist die Ursache nicht klar. So auch beim unter anderem durch die Hollywood-Filmreihe "Zurück in die Zukunft" weltberühmten Schauspieler Michael J. Fox, der noch ziemlich jung war, als die Krankheit ausbrach. Seine Sprache ist seither kaum noch zu verstehen. Schockierend, ohne Heilungsmöglichkeit, aussichtslos, so das Gefühl des Filmstars angesichts der Diagnose.
Andrea Kühn: "Es gehen Nervenzellen zu Grunde, und zwar die Nervenzellen, die das Dopamin produzieren, und der gesamte Schaltkreis funktioniert nicht mehr richtig. Dadurch kommt es zu einer Bewegungsstörung, die sich vor allem durch eine Bewegungsverlangsamung auszeichnet, aber auch durch ein Zittern, dass die Patienten dadurch im Alltag sehr eingeschränkt sind." Es ist ein zerstörerisches Nervenleiden, sagt die Neurologie-Professorin Andrea Kühn von der Charité.
Die Krankheit wurde erstmals 1817 vom englischen Arzt James Parkinson beschrieben. Erst 1960 entdeckte ein schwedischer Pharmakologe, dass es der Mangel am Hirnbotenstoff Dopamin ist, der dahinter steckt. Woher die Zerstörung der Nervenzellen aber kommt, weiß die Wissenschaft bis heute in den meisten Fällen nicht. Dann sprechen Mediziner von idiopatisch. Deutsch: wir kennen den Grund nicht.
Andrea Kühn: "Beim idiopatischen Parkinson-Syndrom, wo die Ursache ja letztlich nicht bekannt ist, sind meistens Patienten über 60 betroffen, aber wir unterscheiden auch das juvenile Parkinson-Syndrom, was vor dem 40. Lebensjahr auftritt. In dieser Gruppe haben wir häufiger auch Patienten, die eine genetische Prädisposition haben, das sind aber nur zehn bis 15 Prozent, wo es eine genetische Veränderung gibt."
Es gibt frühere Vorzeichen.
Andrea Kühn: "Die sogenannte Rem-Schlaf-Verhaltensstörung, also dass im Schlaf die Träume sehr ausgelebt werden. Bei diesen Patienten entwickelt sich zu einem gewissen Teil über die Jahre ein Parkinson-Syndrom. Genauso ist der gestörte Geruchssinn etwas, was ein Vorzeichen sein kann, also das sind schon Krankheitszeichen, die wir aber zu dem Zeitpunkt noch gar nicht der Parkinson-Erkrankung sicher zuordnen können. Aber wir wissen, dass hier mit einer höheren Wahrscheinlichkeit dann ein Parkinson-Syndrom sich entwickelt."
Motorische Störungen, aber auch kognitive Einschränkungen
Andrea Kühn leitet die Sprechstunde "Bewegungsstörungen" an der Berliner Charité. "Und ganz typisch ist, dass die Erkrankung auf einer Körperhälfte beginnt. Ein großer Teil der Patienten hat am Anfang aber auch eher diese Bewegungseinschränkung und Muskelsteifigkeit, und dann wird es häufig auch erst einmal fehldiagnostiziert als Schulter-Arm-Syndrom, also wir haben Schmerzen im Schulterbereich, wenn beim Laufen der Arm nicht mehr richtig mitschwingt, das kann dann schon ein Initialsymptom sein, und das kann rechte oder linke Seite sein."
Das bekannteste Symptom der fortschreitenden Parkinson-Krankheit ist das Zittern. Zudem fallen Gangstörungen und kleine Schritte auf, Stürze sind nicht selten. Ein anderes Symptom: Beim Schreiben werden im Verlauf der Zeilen die Buchstaben immer kleiner. Und: Patienten mit der Parkinson-Krankheit leiden nicht nur unter motorischen Störungen, sondern auch unter kognitiven Einschränkungen bis hin zur Demenz. Das kann die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Autofahren beeinträchtigen.
Doch die Diagnose wird meist recht spät gestellt. Erfahrene Neurologen machen einen Behandlungsversuch, um die Krankheit sicher zu erkennen.
"Also den Ersatz von dem fehlenden Dopamin, das können wir in Form von Tabletten zuführen, und wenn dann die Symptome besser werden, kann man davon ausgehen, dass es sich um ein Parkinson-Syndrom handelt."
Symptome lassen sich lange gut lindern
Die Krankheit ist nicht heilbar, aber die Symptome können lange Zeit gut gelindert werden, erläutert Professorin Andrea Kühn.
"Und das können wir für viele Jahre sehr gut mit den Medikamenten, in einer Vorform, dem L-Dopa kann das zugeführt werden; Problem dieser Behandlung ist im weiteren Verlauf, dass, wenn der Blutspiegel schwankt, schwanken auch die Symptome, und zu dem Zeitpunkt kann man dann überlegen, ob für den Patienten invasive Therapien in Frage kommen, die tiefe Hirnstimulation."
Dabei handelt es sich um eine Art Hirnschrittmacher. Die Vorstellung kann Angst machen, aber die tiefe Hirnstimulation ist ein einfaches Verfahren, bei dem Elektroden bestimmte Regionen des Gehirns reizen und so die Symptome beim Parkinson spürbar bessern.
Medikamente und invasive Eingriffe sind immer nur ein Teil der Therapie. Begleitend kann Physiotherapie unterstützen und: Musiktherapie.
"Gehen Sie jetzt zügig, achten Sie auf große Schritte und lassen Sie die Arme mitschwingen."
RAS heißt dieses Training mit Musik: rhythmisch-akustische Stimulation. Stefan Mainka, Musiktherapeut in der Neurologischen Rehaklinik Beelitz-Heilstätten:
"Das Anwendungsspektrum in der Neurologie ist ein unheimlich breites. Ich hab gestern erst mit einem Parkinson-Patienten, einem vergleichsweise jüngeren Parkinson-Patienten, das Gangtraining mit Musik probiert, und das ist jemand, der nicht sehr stark betroffen ist bislang, aber sehr darunter leidet, dass sein Arm zittert und dass er den beim Gehen kaum mitbewegen kann. Und der probierte das aus mit der Trainingsmusik, kam direkt danach mit strahlenden Augen zu mir und sagte: ‚Jetzt schwingt mein Arm wieder mehr mit.‘ Und das ist in der Tat so, dass auch Parkinsonpatienten mit der richtigen Trainingsmusik wieder schneller und flüssiger gehen können."
Weitere Hoffnungen auf eine womöglich ursächliche Therapie werden in die Stammzelltherapie gesetzt. Der Schauspieler Michael J. Fox hat lange seine Krankheit überspielt, dann aber eine Stiftung gegründet und über 100 Millionen Dollar für die Parkinson-Forschung gesammelt. Forschung sei die einzige Hoffnung, denn seine Krankheit betreffe Millionen Menschen, auch Amerikaner wie ihn selbst.